Dass Erzieherinnen für Kinder da sind, wenn diese Hilfe benötigen, oder dass sie sie trösten, wenn sie traurig sind, versteht sich von selbst. So gesehen ist "Feinfühligkeit" in der Frühpädagogik nichts Neues. Neu ist, dass der Begriff weiter gefasst werden muss, wenn wir die Lernprozesse von Kindern in Tageseinrichtungen erfolgreich unterstützen wollen. Übereinstimmend wird in deutschen Bildungsplänen die Auffassung vertreten, dass Bildung nur im Dialog und in konstruktiven Prozessen von Kindern und Erwachsenen stattfinden kann. Hierfür sei die Qualität der Erzieherinnen-Kind-Interaktion von entscheidender Bedeutung. Wie aber kann es Erzieherinnen in einem Alltag, der hohe fachliche Anforderungen an sie stellt und oft von ungünstigen Rahmenbedingungen begleitet ist, gelingen, die Signale der Kinder wahrzunehmen und einfühlsam darauf zu reagieren?
Während die deutschen Bildungspläne kaum Hinweise dazu geben, wie der Austausch mit Kindern unter dem Aspekt der Feinfühligkeit gestaltet werden kann, sind in Neuseeland im Rahmen der Curriculumsentwicklung Methoden entstanden, die feinfühlige Erzieherinnen-Kind-Interaktionen unterstützen. In diesem Heft möchte ich deshalb sowohl hilfreiche Empfehlungen aus Neuseeland aufgreifen als auch die vielfältigen Komponenten eines feinfühligen Austauschs - wie ich sie im Rahmen meiner Arbeit in Deutschland beobachten konnte - vorstellen. Zum einen geht es mir darum, Signale der Kinder, unterschiedliche Reaktionen der Fachkräfte darauf und ihre jeweiligen Auswirkungen anhand zahlreicher Praxisbeispiele darzustellen. Zum anderen möchte ich Erzieherinnen Reflexionshilfen und Anregungen an die Hand geben - mit dem Ziel, das eigene pädagogische Handeln weiterzuentwickeln. Denn ein feinfühliges Erzieherinnen-Verhalten unterstützt sowohl die Lernprozesse eines Kindes als auch sein persönliches Wachstum.
I. Feinfühligkeit - ein neuer Begriff?
- Feinfühligkeit und Bindungstheorie
- Erzieherinnen als Bindungspersonen
- Studien zum Erzieherverhalten
- Definition von Feinfühligkeit
- Ein Beispiel aus der Alltagspraxis
II. Nach Neuseeland und zurück
- Feinfühligkeit im neuseeländischen Curriculum
- "Learning stories"
- "Teaching stories"
- Feinfühligkeit in deutschen Bildungsplänen
III. Feinfühliger Austausch mit Kindern
- Von der Theorie zur Praxis
- Die Signale der Kinder
- Was Kinder uns mitteilen
- Feinfühligkeit in der Erzieherinnen-Kind-Interaktion
- Prompt auf Kinder reagieren und auf sie eingehen
- Sich interessiert und engagiert auf Kinder einlassen
- Die Haltung der Erzieherinnen
- Das emotionale Klima
- Die Stimulation der Kinder
- Erkenntnisse und Schlussfolgerungen
IV. Reflexion des eigenen Interaktionsverhalten
- Die Arbeit an sich selbst
- Selbstreflexion mithilfe der "Fragen der Kinder"
- Kennst du mich und meine Interessen?
- Hörst du mir zu und reagierst du auf mich?
- Kann ich dir vertrauen?
- Ermunterst du mich, über Neues nachzudenken und Unbekanntes auszuprobieren?
- Unterstützt du mich dabei, ein Teil der Gruppe zu sein?
- Ausblick