Endlich Urlaub! Seit Familie Hoffmann ihre Ferienreise an die Nordsee gebucht hat, freuen sich alle auf die gemeinsame Zeit. Vater Bernd ist froh, nach all dem Stress im Büro endlich ausspannen zu können und freut sich auf das Buch, das er schon vor vier Wochen gekauft hat. Mutter Martina möchte sich vom Trott des Alltags erholen und Neues erleben: Wattwanderungen und andere Erkundungstouren hat sie sich vorgenommen. Und der vierjährige Jan kann es kaum noch erwarten, den ganzen Tag mit seinen Eltern zu verbringen - auf Spielplätzen, am Strand oder einfach in der Ferienwohnung. Herrlich!
Doch schon bei der Fahrt an den Urlaubsort gibt es Streit im Auto. Jan nörgelt, weil ihm heiß und langweilig ist. Außerdem fällt ihm ein, dass er etwas ganz Wichtiges vergessen hat und man deshalb unbedingt noch einmal zurück müsse. Dem gestressten Bernd reißt der Geduldsfaden. "Nun sei doch endlich mal still!", schreit er. Jan weint. "Musst du den Jungen denn immer so anbrüllen?", schimpft Martina. "Erholung ade", grummelt Bernd noch. Den Rest der Fahrt verbringt Familie Hoffmann schweigend...
Kommt Ihnen das bekannt vor? Trösten Sie sich: Sie sind nicht allein. Bei vielen Familien beginnt die schönste Zeit des Jahres mit Stress und Streit. Das ist kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, wie viel Konfliktpotential die gemeinsame Ferienreise bietet.
Zündstoff für Urlaubs-Zoff
Urlaub ist ein Ausnahmezustand. Das betrifft vor allem die ungewohnte Nähe der Familienmitglieder zueinander. Im Alltag gibt es verschiedene "Abstandhalter", die sie regelmäßig trennen: Kinder gehen in den Kindergarten, besuchen Freunde, ziehen sich auch mal für zwei Stunden in ihr Zimmer zurück. Eltern müssen zur Arbeit, gehen zum Einkaufen und am Abend zum Sportverein. Urlaub ist das Kontrastprogramm dazu. Zwei oder drei Wochen im Jahr sind alle Familienmitglieder rund um die Uhr zusammen. Das ist im Prinzip eine schöne Sache, doch müssen sich Eltern und Kinder an diesen Zustand erst gewöhnen. Nicht nur an die Nähe der anderen muss man sich akklimatisieren, auch an die plötzliche Ruhe nach dem Sturm. Die Tage vor Reiseantritt sind meist extrem hektisch - auf Knopfdruck kann man den Stress nicht abstellen. Zu Reibereien kommt es deshalb besonders zu Beginn der Ferienreise.
Weiteren Zündstoff bergen die hohen Erwartungen, die die einzelnen Familienmitglieder an den Urlaub haben. Schließlich handelt es sich um "die schönste Zeit des Jahres". Vor diesem Hintergrund kann schon ein verregneter Tag Anlass zu einem Streit sein.
Unterschiedliche Bedürfnisse spielen ebenfalls oft eine Rolle beim Urlaubs-Zank: Gerade in den ersten Tagen wollen die meisten Kinder toben, die neue Umgebung erkunden - und dabei sollen natürlich unbedingt die Eltern mitmachen. Die hingegen wünschen sich oft erst mal ein paar Tage Ruhe, um von der Hektik der Arbeit und der Anreise abzuschalten.
Harmonie-Tipps
Sollte man bei dem hohen Streit-Risiko nicht lieber gleich zu Hause bleiben? Natürlich nicht. Denn die positiven Aspekte des Urlaubs überwiegen selbstverständlich. Damit die Urlaubs-Startschwierigkeiten nicht den Rahmen sprengen, im Folgenden ein paar Tipps:
Familie neu erleben
Es reicht oft schon, die Sichtweise ein wenig zu ändern. Natürlich ist die ungewohnte Nähe im Urlaub geeignet, um sich richtig in die Wolle zu kriegen. Doch sie bietet auch die Chance auf eine intensive Zeit, in der Sie Ihren Partner neu kennen lernen und die Entwicklungen Ihrer Kinder erleben können.
Zufriedene Kinder, zufriedene Eltern
Erwarten Sie nicht zu viel, besonders nicht von Ihren Kindern. Urlaub mit Kindern sollte Urlaub für Kinder sein. Reduzieren Sie Ihre Ansprüche ein wenig. Auf den ersten Blick sieht das vielleicht nach Verzicht aus, doch so uneigennützig ist das gar nicht. Wenn die Kleinen nämlich zufrieden sind, können auch Sie durchatmen. Vielleicht sehen Sie es auch mal so: Sie hatten bereits Gelegenheiten und Sie werden noch viele bekommen, Ihren ganz persönlichen Traumurlaub zu verbringen. Eine Fahrradtour durch Usbekistan können Sie noch machen, wenn Ihr Kind größer ist und mit einer Jugendgruppe verreist.
In der Ruhe liegt die Kraft
Vermeiden Sie Stress und haushalten Sie mit Ihren Energien. Deshalb sollten Sie sich und den anderen Familienmitgliedern viel Zeit lassen. Das beginnt schon bei der Anreise: Packen Sie in Ruhe, fahren Sie nicht auf den letzten Drücker zum Flughafen. Am Urlaubsort angekommen, sollten Sie keinen Aktionsplan aufstellen, sondern sich erst mal akklimatisieren. Auf die Uhr sollten Sie nur in Ausnahmefällen schauen, einen Wecker gar nicht erst mitnehmen. Schließlich haben Sie Urlaub.
Jeder Tag ist neu
Akzeptieren Sie, dass nicht alle Familienmitglieder zur selben Zeit dasselbe tun wollen. Daher empfiehlt es sich, nicht allzu weit im Voraus zu planen. Besprechen Sie die Wünsche für den nächsten Tag und versuchen Sie, einen gemeinsamen Nenner zu erreichen. Bleiben Sie flexibel, seien Sie offen für die Argumente der anderen.
Unterschiedliche Bedürfnisse
Falls die Interessen stark auseinander gehen, unternehmen Sie ruhig mal etwas getrennt. Familie Hoffmann kam am dritten Urlaubstag an einen solchen Punkt. Vater Bernd berichtet: "Ich freute mich darauf, endlich mein Buch lesen zu können, Martina und Jan wollten unbedingt eine Schiffstour machen." Die Lösung: Bernd Hoffmann blieb in der Ferienwohnung und las, während seine Frau und sein Sohn in See stachen. "Als wir uns am Abend wieder trafen, erzählten Martina und Jan von ihren Erlebnissen und ich war ausgeruht. So kam jeder auf seine Kosten."