"Hurra! Wir sind komplett!" prangt quer über dem Foto, auf dem ein winziges Baby zwischen seinen strahlenden Eltern zu sehen ist. Das hat sich die frischgebackene Mutter partout nicht nehmen lassen wollen: Über eine liebevoll gestaltete Karte sollen alle Bekannten, Verwandten und Freunde vom neuen Familienglück erfahren und sich mitfreuen. Genau das ist Beate nie ganz leicht gefallen. "Jahrelang war es jedes Mal wie ein Stich ins Herz", erinnert sie sich, "wenn ich diese Karten von anderen bekommen habe". Mit dem Hoffen und Sehnen nach einem Kind ist es bei den Schmidts jetzt vorbei: Ab heute sind sie, dank Tim, zu dritt.
Die Entscheidung
Hinter dem Paar liegt eine Schwangerschaft ganz eigener Art: Nicht durch eine Entbindung, sondern durch eine Entscheidung sind sie Eltern geworden. Und das begann genau genommen schon vor Jahren. Als fest stand, dass die beiden keine eigenen Kinder bekommen können, reifte in vielen Gesprächen die Idee heran, ein Kind zu adoptieren. Beate beschaffte sich Broschüren, las Bücher, in denen Adoptiveltern über ihre Erfahrungen berichten. Matthias war skeptisch, dann begann er doch im Internet zu stöbern, fand Ansprechpartner und Selbsthilfegruppen, chattete in Foren mit anderen Adoptiveltern. Als sie zufällig Maja und Bernd im Urlaub auf dem Campingplatz kennen lernten, die den vierjährigen Rubens aus Brasilien adoptiert haben und schon seit zwei Jahren als funktionierende Adoptivfamilie zusammenleben, bekamen Beate und Matthias die meisten Antworten auf ihre Fragen.
Der Weg zum Adoptivkind
Dann wurde ihr Wunsch eines Tages Ernst, oder besser, offiziell: Denn Adoptionen kommen in Deutschland nur über die anerkannten Adoptionsvermitttlungsstellen freier Träger oder des Jugendamtes zustande. Erst dieser Behördengang macht aus dem interessierten Paar einen Bewerber für die Vermittlung eines Adoptivkindes. Manche Paare können keine eigenen Kinder bekommen, andere haben schon welche und noch Platz in Herz und Haus. Einige entscheiden sich aus religiösen, ethischen oder weltanschaulichen Gründen, einem verlassenen Kind Familie sein zu wollen. Rund 6000 Adoptionen im Jahr stiften in Deutschland neue rechtliche Familienbande. Über die Hälfte davon entfällt auf die sogenannten Stiefverhältnisse: Neue Lebenspartner eines alleinerziehenden Elternteils wollen die Verpflichtungen gegenüber dessen Kindern auch vor dem Gesetz teilen.
Die meisten adoptionswilligen kinderlosen Erwachsenen hingegen wünschen sich ein möglichst junges, gesundes Baby. Doch die Chance, eines Tages wirklich einen wenige Wochen alten Winzling in den Armen zu halten, ist nicht groß. Rund zehn Bewerberpaaren, aber auch Einzelpersonen, steht ein einziges Kind gegenüber, für das die Experten im Amt geeignete Eltern suchen. Die Wünsche der werdenden Eltern nach Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft oder Alter werden von Amts wegen nicht berücksichtigt. Man sucht schließlich nicht ein passendes Kind für die Eltern, sondern das Gegenteil: passende Eltern für ein Kind.
Die Adoptionsvermittler verschaffen sich einen ersten Eindruck im Gespräch, dann fordern sie die notwendigen Unterlagen an. "Bank- und Steuerbescheinigungen, polizeiliches Führungszeugnis, ärztliche Atteste, Heiratsurkunde ...", zählt Beate auf. "Alles mussten wir offen legen", nickt ihr Mann, "manche Auskünfte wurden sogar mehrmals eingeholt". Für Adoptionen gelten feste Regeln: Ein chronisches Leiden, Vorstrafen oder die Arbeitslosigkeit (meist des Mannes) sind Gründe, aus denen heraus das Amt die Adoption ablehnen kann.
In der Regel müssen Ehepaare schon seit drei Jahren zusammenleben, wenigstens einer der Partner soll mindestens 25 Jahre alt sein, der Altersunterschied zwischen dem Wunschkind und dem älteren Ehepartner soll nicht mehr als 40 Jahre betragen. Ein Grund mehr für Beate und Matthias Schmidt auf die Tube zu drücken. Denn im nächsten Jahr wird Matthias 40. "Wer in den nächsten ein, zwei Jahren vierzig wird", formuliert Beate einen Tipp für künftige Adoptiveltern, "hat also größere Chancen, wenn er über ein dreijähriges Kind nachdenkt".
Eine lange Wartezeit
Die Hürden, die Adoptiveltern auf dem Weg zu einem Kind überwinden müssen, sind hoch - und es sind viele: Erfüllt ein Paar die allgemeinen Voraussetzungen für eine Adoption, wird zunächst seine Eignung geprüft. Einzeln oder in Gruppen werden Gespräche geführt, auch Hausbesuche gehören dazu. Wenn alle Formalitäten erledigt sind, fehlt eigentlich nur noch das Kind. Zwischen dem ersten Besuch bei der Vermittlungsstelle und der Adoption vergehen etwa anderthalb bis zwei Jahre. "Die Wartezeit war schon schlimm für uns", sagt Beate, "aber es hatte auch etwas Gutes, denn wir konnten unsere Entscheidung immer wieder gründlich überdenken".
Dann ging alles ganz schnell. In einem Brief fragte die Adoptionsvermittlungsstelle, ob sie einen drei Wochen alten Säugling adoptieren wollen, dessen Mutter nicht für ihn sorgen kann. Als Beate das Baby dann zum ersten Mal im Arm hielt, spürte sie sofort eine Verbindung. Auch für Matthias war klar: "Das ist es. Unser Kind." Am liebsten hätten sie den Kleinen sofort mitgenommen, doch ein paar Tage mussten sie sich noch gedulden. Dann erteilte das Amt die Pflegeerlaubnis und Tim zog zu den Schmidts, die der Welt dann voller Freude mitteilten: "Hurra, wir sind komplett!" In drei Monaten werden sie über einen Notar den Adoptionsantrag beim Vormundschaftsgericht stellen: Dann wird das Ende der Adoptivpflege und die Aufnahme des Kindes durch die Adoptiveltern beschlossen - von Rechts wegen.