"Viele Männer finden ihre Partnerin während der Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes erotischer als davor", schreibt die Autorin Andrea Przyklenk. Die meisten Frauen hingegen fühlen sich nach einer Entbindung alles andere als anziehend. Der Bauch hat sich noch nicht zurückgebildet, ist womöglich durch Schwangerschaftsstreifen gezeichnet. Mit ihren Geschlechtsorganen verbinden die Frauen eher Schmerz als Lust. Oft sind sie zudem erschöpft. Die Geburt, die Umstellung auf ein Leben, das vom Baby bestimmt wird - all das trägt dazu bei, dass Sexualität für junge Mütter nicht gerade an erster Stelle steht. Was früher selbstverständlich war, wird jetzt zum Problem: gemeinsamen Sex genießen. Für die Männer, weil sie vielleicht monatelang auf ein Zusammensein mit ihrer Liebsten warten müssen. Und für die Frauen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen.
Hier hilft nur Geduld, meint der Leipziger Sexualwissenschaftler Professor Kurt Starke. Und zwar auf beiden Seiten. "Die oft einzige Möglichkeit und zwangsläufige Lösung ist die, mit der sexuellen Spannung zurechtzukommen, sich anderen Dingen zuzuwenden", sagt er. Schließlich sei keine Lebenssituation so, dass Mann oder Frau sich jederzeit dem Liebesspiel hingeben könne.
"Warte, bis die Kinder schlafen"
Dieser Rat klingt zwar vernünftig aber wenig tröstlich, denn junge Eltern können nur bedingt auf Besserung hoffen. Selbst wenn sie nach der Geburt aus dem Gröbsten raus sind, bleiben ihre Möglichkeiten, sich als Paar zu genießen, doch für lange Zeit beschränkt. Besonders wenn mehrere Kinder kommen, denn die bestimmen den Tagesablauf. Sie wachen früh auf und verlangen nach Nahrung, Pflege und Ansprache. Auch am Wochenende nehmen sie keine Rücksicht auf die Bedürfnisse der Eltern. Im Gegenteil: Nichts genießen Kinder mehr, als am Sonntagmorgen mit Mama und Papa im Elternbett zu kuscheln. Und dass das Sexualleben der Erwachsenen vor Kinderaugen und -ohren nichts zu suchen hat, darin sind sich alle Eltern einig. Und wenn man doch unverhofft einmal allein ist, weil die Kleinen bei den Nachbarn spielen? Dann hat man auch nichts davon. Welches Paar wird aus dem Stand übereinander herfallen? Die Liebe braucht schließlich Zeit. Bleibt also die Nacht, wenn die Kinder endlich schlafen. Aber jetzt siegt oft die Müdigkeit - "Gute Nacht, Liebling, schlaf schön..."
Wie die Lust lebendig bleibt
Das klingt ziemlich trostlos? Ganz so schlimm muss es nicht kommen, wenn Sie möglichst früh daran denken, dass Ihre Beziehung Pflege braucht. "Wie eine Pflanze gewässert und gedüngt werden muss, um am Leben zu bleiben", schreibt der Therapeut Hans Jellouschek, "muss auch eine Paarbeziehung, die auf Dauer angelegt ist, ständig genährt werden, um erhalten zu bleiben, zu wachsen und zu gedeihen". Dafür aber braucht es Zeit und Raum. Beides muss man sich gerade unter den turbulenten Bedingungen des Familienlebens bewusst nehmen. Das ist nicht immer einfach, aber es geht. Seien Sie nicht zu stolz fremde Hilfe anzunehmen. Andere Eltern aus dem Bekanntenkreis übernehmen gerne einmal ihre Kinder übers Wochenende, wenn Sie sich bei Gelegenheit mit einem ähnlichen Dienst revanchieren. Auch die meisten Großeltern sind bereit einzuspringen, um Mutter und Vater hin und wieder zu entlasten. Ein gemeinsamer freier Abend in der Woche oder im Monat sollte Ihnen notfalls sogar die Bezahlung eines Babysitters wert sein. Worauf es ankommt ist, dass Sie Platz gewinnen ihre Liebe zu pflegen. "Intimität stellt sich nicht von selber ein", erklärt Hans Jellouschek. "Intimität braucht Raum, und der eröffnet sich nicht von selbst."
Der Paartherapeut empfiehlt Rituale zu entwickeln, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Zum Beispiel "feste Zeiten in der Woche, in denen sie ungestört sind und sich der Zärtlichkeit, Körperlichkeit, Sexualität ausführlich und ohne Druck widmen". Belebend auf die Lust wirkt auch ein Wochenende zu zweit. Diesen Luxus sollten Sie sich mehrmals im Jahr gönnen. Er bietet unter anderem die Möglichkeit, einmal in aller Ausführlichkeit miteinander zu reden. Über das, was jede/r erlebt hat, über Eindrücke, Gefühle, das, was gut gelaufen ist, und das, was weniger gut gelaufen ist. Sich in gegenseitigem Respekt miteinander austauschen - das ist das wichtigste Mittel zur Beziehungspflege. Es hilft Störendes ausräumen und Nähe herstellen. Das Sprechen belebt und befördert die Erotik. Durch bewusste Beziehungspflege kann so Sex, wenn er schon seltener ist, doch umso genussvoller werden.