Wie definieren Väter heute ihre Rolle innerhalb der Familie?
Nach den neuesten Umfragen betrachten sich zwei Drittel aller Väter vorrangig als Erzieher und nur ein Drittel vorrangig als Ernährer der Familie. Natürlich ist auch der Erzieher in den meisten Fällen gleichzeitig der Haupternährer. Diese Doppelrolle ist neu - und sie stellt Väter vor ganz neue Herausforderungen.
Bedeutet das konkret, dass sich Väter heute mehr an der Kinderbetreuung beteiligen?
Heute ist die Frage nicht mehr wie früher, ob Väter Erziehungspflichten wahrnehmen, sondern wie sie es tun. Zum einen sind Väter viel interessierter an ihren Kindern, deren Freunden, Problemen und Bedürfnissen. Allerdings ist dieses Interesse für Außenstehende nicht immer so sichtbar, weil der Vater zum Beispiel im Kindergarten weniger präsent ist als die Mutter. Zwangsläufig läuft ein Großteil der Kommunikation über sie. Zum anderen verbringen Väter heute immerhin achtmal mehr Zeit mit ihren Kindern als vor dreißig Jahren. Besonders positiv tun sich hier Beamte und Arbeiter sowie Männer, die im Non-Profitbereich arbeiten, hervor.
Traditionellerweise engagieren sich Väter im sportlichen Bereich, während Mütter eher den emotionalen Part in der Erziehung übernehmen. Ist das heute immer noch so?
Outdoor, Sport und Technik sind weiterhin die Väter-Domänen. Um musische Förderung hingegen kümmern sich in der Regel die Mütter. Diese Aufteilung hängt nicht nur mit den unterschiedlichen Interessen von Vätern und Müttern zusammen, sondern auch damit, dass es beispielsweise Musikunterricht für Kinder so gut wie ausschließlich an Wochentagen gibt. Und schließlich: Heute sind neun von zehn Vätern im Kreißsaal anwesend, sieben von zehn halten Füttern und Wickeln für selbstverständlich, viele Rituale wie das Zubettbringen am Wochenende werden von Vätern übernommen.
Welche Auswirkungen hat das neue Rollenverständnis von Vätern auf die Aufgabenteilung im Haushalt?
Prozentual engagieren sich Männer heute mehr im Haushalt als früher. Dieses Engagement steigt sprunghaft an, wenn sie Väter werden und wenn die Kinder unter drei Jahren sind. Die klassische Aufteilung - der Mann ist zuständig für Auto, Garten, Müll, Steuern, und die Frau für Kochen, Saubermachen und Nähen - gibt es zwar noch, doch sie ist nicht mehr so eindeutig festgelegt wie vor zwanzig Jahren. Heute wird nach partnerschaftlichen Lösungen gesucht: Die Aufteilung erfolgt nach den Kompetenzen und nach der verfügbaren Zeit.
Wie kommen Väter, die ihre Vaterrolle bewusst wahrnehmen wollen, im Berufsleben zurecht?
Viele Väter wollen zwar ihr Selbstverständnis als Erzieher leben, doch sie können dies kaum: Sie sind beruflich so stark eingespannt, dass ihnen die Zeit fehlt, emotionale Kontakte zu den Kindern ausreichend zu pflegen. Männer - vor allem solche in Führungspositionen - haben das Problem, dass sie von ihrem beruflichen Umfeld nicht als Väter wahrgenommen werden. Das ist ein Manko: Damit wird fünfzig Prozent der Persönlichkeit ausgeblendet. Entsprechend wenig wird auf die Vaterschaft Rücksicht genommen. Väter in Elternzeit oder Teilzeit sind immer noch Exoten und allzu oft Außenseiter. Doch auch Kleinigkeiten würden schon viel bewirken: So könnte es Vätern zum Beispiel vorrangig ermöglicht werden, zur Zeit der Schulferien Urlaub zu nehmen.
Würden Sie also sagen, dass Beruf und Familie für Väter mit einem modernen Selbstverständnis schwerer zu vereinbaren sind als für Mütter?
Väter erleben zurzeit in gewisser Weise eine Entwicklung, welcher derjenigen der Mütter genau entgegenläuft: Mütter waren traditionell auf Haushalt und Kinder festgelegt und haben sich mühsam die zweite Rolle der erwerbstätigen Frau erkämpft. Männer wurden bis vor kurzem ausschließlich über ihren Beruf definiert. Sie müssen sich nun ebenfalls mühsam die Vaterrolle erkämpfen. Ich will nicht sagen, dass für Männer diese Doppelrolle per se schwieriger zu bewältigen ist als für Frauen, aber sie ist neuer. Gleichzeitig zeigt diese Entwicklung: Wir brauchen in Zukunft auf allen Ebenen, auch in der Arbeitswelt, partnerschaftliche Konzepte.
Die Fragen stellte Eva Neumann.