Ich habe mir die Nägel machen lassen. Unterlack, Oberlack, Zwischenschliff, das ganze Programm. Es war nicht billig. Und es sah verdammt gut aus. Hält vier Wochen, versprach die Naildesignerin. Yeah, dachte ich.
Nach drei Stunden blieb ich mit dem Daumen im Schlüsselbund hängen. Nach zwei Tagen raspelte ich Teile des Mittelfingers in einen Nudelauflauf. Nach vier Tagen splitterte ein Nagel ab, während ich im Ausguss pulte. Nach einer Woche sahen meine Hände aus, als hätte sie ein Dreijähriger mit der Zahnbürste lackiert. Und wäre dabei Seilchen gesprungen.
Es gibt Dinge, die passen nicht zusammen. Aktiv-turbulentes Familienleben und passiv-grazile Fingernägel. Oder Urlaub und Erholung. Bald ist es ja wieder soweit. Dann werden wir uns auf der Suche nach ein wenig Entspannung in Autos und Flugzeuge quetschen. Wir werden gut gelaunt Brötchen schmieren und Trinkflaschen befüllen, Sonnenhüte aufsetzen und mit vierzig Taschen am Arm gen Norden, Süden, Osten oder Westen aufbrechen. In Hotels und Ferienhäuser, die komischerweise im Internet viel besser aussehen als in der Realität. Wir tun das alles, obwohl wir doch genau wissen, was dann kommt. Welche Hölle dann losbricht.
Denn wie jedes Jahr werden unsere Kinder uns deutlich zu verstehen geben, was sie von Ortsveränderungen halten. Sie werden zehn Stunden am Stück quengeln, brüllen, nörgeln, heulen, um dann drei Minuten vor Ankunft in seligen Schlaf zu sinken. Wir dagegen werden mit Augenringen und falschen Hoffnungen losfahren. Und mit Augenringen und latenten Depressionen zurückkommen.
Meine Kinder zum Beispiel schlafen gerne. Bis sechs Uhr morgens. Dann sind sie hellwach und machen Krach. Frühstücksbufetts in Hotels öffnen selten vor acht Uhr. Schon diese zwei Stunden, das ständige „Pst-pst, nicht so laut, hier sind auch noch andere Gäste“ – was für ein Horror. Auch sonst fällt natürlich so ziemlich alles flach, was uns Erwachsenen Spaß macht: lange Spaziergänge. Ungestört lesen. Einfach mal zwei Stunden in einem schönen Restaurant am Tisch sitzen bleiben. Gediegen betrinken. Still in der Sonne wegdösen.
Was soll‘s. Es wird Sommer. Auf ein Neues also. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich werde auch dieses Jahr wieder Urlaub buchen, ich werde mir auch dieses Jahr einreden, dass alles sicher ganz toll wird. Wir werden diesmal bestimmt keinen Stau haben. Die Kinder werden bestimmt ein bisschen länger schlafen. Ich werde bestimmt dazu kommen, einen 500-Seiten-Roman zu lesen. Und vor der Abfahrt lass’ ich mir auch nochmal so richtig schön die Nägel machen.