Verkrampfte Gesichter bei der Übergabe an der Haustür, spitze Kommentare, Diskussionen über Besuchszeiten und immer wieder Streit ums Geld: Eltern, die sich getrennt haben, müssen ihren Kindern zuliebe einige Konfrontationen mit dem Ex-Partner auf sich nehmen. Gelingt es ihnen dabei, kooperativ miteinander umzugehen, in gutem Kontakt zu bleiben und sich regelmäßig auszutauschen, dann schaffen sie die wichtigste Voraussetzung dafür, dass ihr Kind die Trennung gut verkraftet. Denn man kann seinen Kindern ein verlässlicher Elternteil bleiben, obwohl die Paarbeziehung Schiffbruch erlitten hat – und ihnen das auch so vermitteln, sagt der Freiburger Familienberater Jochen Leucht. „Mama und Papa wohnen nicht mehr zusammen, aber du kannst mit uns beiden rechnen. Wir
beschützen dich. Wir sorgen für dich.“
Beide Eltern sollten dem Kind das Gefühl geben, dass es in Ordnung ist, beim jeweils anderen Elternteil zu sein, ihn lieb zu haben und sich dort wohlzufühlen. Im Idealfall freut sich die Mama darüber, dass ihr Sohn mit dem Papa und seiner neuen Freundin einen
schönen Ausflug gemacht hat. Im Idealfall gibt es im neuen Zuhause von Papa noch ein Bild von der Mama. Im Idealfall leben getrennte Eltern ihren Kindern vor, dass man auch in schwierigen Situationen in Kontakt bleiben kann – und geben ihnen damit wertvolles Rüstzeug fürs Leben mit.
Recht auf Kontakt zu beiden
Doch das gelingt leider viel zu selten. „Oft hängen Eltern, die sich trennen, in der Kränkung aus der enttäuschten Liebesbeziehung fest“, sagt Leucht. Kinderlose Paare können Abstand voneinander nehmen und ihre Wunden lecken. Bei Paaren mit Kindern geht das nicht. Vielen fällt es schwer, in einer Situation, in der sie „von Stress überflutet sind“, den Kontakt zum Ex aufrechtzuerhalten und gemeinsam Regelungen für das Kind treffen – insbesondere, wenn man im Streit auseinandergegangen ist. Leucht rät allen, die sich nicht gut an die neue Situation anpassen können, sich Hilfe zu suchen. Allerdings nicht nur bei Freunden oder Angehörigen, „die sich solidarisieren und das Lagerdenken eventuell noch verstärken. Sondern bei jemandem, der neutral auf den Konflikt schauen kann, einem Coach, einem Psychologen oder bei Verbänden wie Pro Familia.“ Denn wer voller Wut, voller Aggressionen auf den Ex-Partner ist, überträgt diese Gefühle womöglich auf das Kind.
Offene Streits vermeiden
Keinesfalls sollte ein Elternteil das Kind gegen den ehemaligen Partner ausspielen oder schlecht über den anderen reden. Dahinter steckt oft die Angst, das Kind zu verlieren oder die Sorge, dass der oder die Ex sich nicht gut genug um das Kind kümmert. Aber auch hier gilt: Der Ex-Partner mag die eigenen Gefühle verletzt haben. Das macht ihn noch nicht zum schlechten Vater oder zur schlechten Mutter. Auch offene Streits oder Beschimpfungen sind tabu, denn die stürzen Kinder in Loyalitätskonflikte. Aus demselben Grund sind
sie auch mit der Entscheidung überfordert, bei wem sie lieber bleiben oder wohnen wollen. Bis zum Alter von etwa zwölf Jahren müssen die Eltern hier für verlässliche Strukturen sorgen und sich absprechen.
Tipps für Scheidungseltern
- Haben Sie den Mut, Ihrem Kind die Trennung gemeinsam zu erklären.
- Sagen Sie ihm, dass es keine Schuld trägt und es nichts dafür tun kann, dass Sie wieder zusammenkommen. Versichern Sie ihm, dass es keinen von Ihnen verlieren wird.
- Akzeptieren Sie Trauer und Wut Ihres Kindes. Selbst wenn es Schuldgefühle bei Ihnen auslöst – speziell, wenn die Trennung von Ihnen ausging.
- Vermeiden Sie übertriebene Strenge. Ein Kind kann sich in der Trennungsphase nicht so verhalten wie sonst.
- Werten Sie den Ex-Partner nie im Beisein des Kindes ab. Ihr Kind gerät dadurch in einen Loyalitätskonflikt.
- Missbrauchen Sie Ihr Kind nicht als Botschafter. Kontaktieren Sie Ihre/n Ex-Partner/in immer selbst.
- Horchen Sie Ihr Kind nicht aus. Stellen Sie keine „Kontrollfragen“ über die Zeit, die es beim anderen Elternteil verbracht hat.
- Vermeiden Sie offenen Streit bei Übergaben. Versuchen Sie lieber, Konflikte per Brief oder E-Mail zu klären.
„Die Elternebene bleibt unkündbar“
kizz sprach mit Jens Christian Göke, Rechtsanwalt für Familienrecht in Berlin www.kanzlei-goeke.de
Was ist der Unterschied zwischen Sorge- und Umgangsrecht?
Bei einer gemeinsamen Sorge um ein Kind treffen die Eltern wesentliche Entscheidungen einvernehmlich. Dabei geht es unter anderen um das Aufenthaltsrecht des Kindes, die Wahl des Kindergartens, die Schullaufbahn. Das Umgangsrecht ist losgelöst vom Sorgerecht. Es dient dazu, den Kontakt des Kindes zu beiden Eltern aufrechtzuerhalten und zu fördern. Das heißt: Auch Eltern, die kein gemeinsames Sorgerecht haben, müssen sich über den Umgang einigen.
Was können Ex-Partner tun, wenn sie das nicht schaffen?
Der erste Gang wäre sicherlich zu einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle oder zum Jugendamt. Grundsätzlich gilt: Eltern können die Paarebene kündigen. Die Elternebene jedoch bleibt unkündbar. Auch wenn in einem Trennungskonflikt die Fetzen fliegen – sobald es um das Kind geht, müssen die Eltern einen Schritt zurückgehen und sich von ihrem persönlichen Konflikt distanzieren. Viele müssen das erst lernen.
Kann ein Elternteil dem anderen das Umgangsrecht verweigern?
Faktisch kann er das. Er verletzt dann allerdings die Rechte des Kindes und die des anderen Elternteils. Dann bleibt nur der Weg zum Gericht.
Als letztes aller möglichen Mittel?
Wenn zwei Ex-Partner so in ihrem Beziehungskonflikt stecken, dass sie auf der Elternebene nicht mehr kommunizieren oder kooperieren können, kann eine gerichtlich festgelegte Umgangsregelung Klarheit schaffen. Aber der Gang vor Gericht ist im Prinzip eine Bankrotterklärung: Wir Eltern sind nicht in der Lage, eine gemeinsame Entscheidung zum Wohl des Kindes zu treffen, daher muss es jemand anderes tun.