Mittagszeit in der Kita Sternenhimmel. Fünf Kinder sitzen auf Stühlchen um einen kleinen Tisch, haben Lätzchen um die Brust und Gabeln in der Hand. Heute gibt es Fischragout mit Gemüse und Reis, dazu Gurkensalat, Wasser und Saftschorle. „Mehr“, sagt die zweijährige Nesrin und hält der Erzieherin den leeren Teller hin. Lecker und gesund, das scheint hier zu funktionieren.
Leider ist das nur in wenigen deutschen Kindertagesstätten der Fall. Wie eine repräsentative Studie der Bertelsmann Stiftung ergab, ist es um das Mittagessen unserer Kinder schlecht bestellt. Grundlage war die Befragung in 1.082 Kitas aus allen Bundesländern zum Verpflegungsangebot. Die Ergebnisse von „Is(s)t KiTa gut?“ sind alarmierend: Nur in jeder dritten Einrichtung
entspricht die Verpflegung den wissenschaftlich anerkannten Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Viel zu oft stehen Fleisch und Wurstwaren auf der Karte, viel zu selten Obst und Gemüse. „Die Verpflegung wird bei der Finanzausstattung der Kitas selten berücksichtigt. Außerdem fehlt es an hauswirtschaftlicher Fachkompetenz sowie an adäquater Küchenausstattung und Speiseräumen“, benennt Katharina Keinert von der Bertelsmann Stiftung die drängendsten Probleme.
Die eigene Küche in der Kita
Dass es auch anders geht, beweist die Berliner Kindertagesstätte Sternenhimmel. 118 Mittagessen werden hier täglich zubereitet. Und zwar in der hauseigenen Küche. Schon frühmorgens wirbelt Köchin Manuela Schäfer hier herum, prüft die angelieferte Ware, bereitet Saucen vor, schneidet Gemüse klein. Das gibt es hier täglich zum Mittagessen, Fleisch hingegen höchstens zweimal die Woche – wenn möglich in Bioqualität.
Natürlich sei es „finanziell und organisatorisch“ eine Herausforderung, eine eigene Küche zu betreiben, sagt die Leiterin der Einrichtung, Andrea Buchweitz. Die Köchin muss sich nicht nur mit der Kippbratpfanne und dem 80-Liter-Dampftopf auskennen, sondern auch mit betriebshygienischen Kontrollstandards. Aber der Aufwand lohnt sich. „Die Kinder erleben bei uns, wie frisches
Essen zubereitet wird“, sagt Buchweitz. Sie lernen, wie Lebensmittel aussehen und dürfen mitentscheiden, was auf der Speisekarte steht. Auch den Eltern gefällt es, dass im Sternenhimmel selbst gekocht wird. „Das war ein wichtiges Kriterium, mich für diese Einrichtung zu entscheiden“, erklärt Vanessa Tatum, deren Sohn Matteo seit einem Jahr die Kita besucht.
Je mehr Kinder, desto günstiger
Größeren Einrichtungen fällt es leichter, das Mittagessen selbst zuzubereiten, weil die Kosten für Personal und Wareneinsatz
pro Essen sinken, je mehr Mahlzeiten zubereitet werden. Köchin Manuela kalkuliert beim Einkauf mit 1,18 Euro pro Mittagessen – ein angemessener Betrag, wie sie findet. Wunschlos glücklich ist sie trotzdem nicht: „Wir würden gerne mehr frische Rohkost anbieten. Aber das ist sehr arbeitsaufwendig. Mit nur einer Halbtagskraft als Küchenhilfe schaffe ich das nicht.“ Für mehr Personalstunden sei aber kein Geld da. In Berliner Kitas hat Ganztagsverpflegung eine lange Tradition, viele Einrichtungen sind von Haus aus mit einer Vollverpflegungsküche ausgestattet. Zudem bemüht sich der Senat seit einiger Zeit, die Qualität des Kita-Essens zu verbessern, etwa mit einem Leitfaden, der zusammen mit verschiedenen Akteuren, unter anderem Krankenkassen, entwickelt wurde. Darin wird nicht nur formuliert, was im Essen drin sein sollte, sondern auch, wie es gestaltet wird. So
sollen die Kinder ermutigt werden, sich noch mehr bei der Essenszubereitung zu beteiligen, und verschiedene Obstund Gemüsesorten kennenlernen. Das erfordert allerdings auch eine Professionalisierung der ErzieherInnen auf dem Gebiet der Ernährungsbildung.
Auch wenn man in Berlin weiter sein mag als anderswo: Vor einer gesetzlichen Verankerung bestimmter Qualitätsstandards, wie sie die Bertelsmann-Studie auf Bundesebene fordert, scheut auch der Berliner Senat zurück. Man fürchtet die Kosten, die dabei entstehen könnten. Mindestens vier Euro veranschlagt die Bertelsmann-Studie für eine gesunde und ausgewogene Mittagsverpflegung pro Kind.
Ob dieser Betrag auch für eine Region zutrifft, in der eine Arbeitsstunde weit weniger kostet als etwa in München oder Stuttgart, darüber lässt sich streiten. 3,50 Euro müsse man aber für eine vollwertige Mahlzeit mit Bio-Anteil auch in Berlin kalkulieren, sagt Wibke Reintsch-Neumann. Sie ist verantwortlich für den Bereich Kindertagesstätten beim gemeinnützigen Träger Pfefferberg Stadtkultur, zu dem auch die Kita Sternenhimmel gehört.
Allein an der Kostenschraube zu drehen, ist manchmal nicht genug. Leiterin Andrea Buchweitz spricht noch einen anderen wichtigen Aspekt an: Die Zusammenarbeit mit den Eltern. „Was gesunde Ernährung anbelangt, haben manche Eltern andere Vorstellungen als wir“, so Buchweitz. Kuchen, Kekse oder eine Scheibe Toast mit Wurst in der Brotbox seien keine Seltenheit.
„Mit den Eltern darüber ins Gespräch zu kommen, sie zu sensibilisieren, ohne sie zu bevormunden, ist und bleibt eine Herausforderung.“
So (schlecht) essen unsere Kita-Kinder:
- In nur zwölf Prozent aller Kitas in Deutschland bekommen die Kinder die empfohlene Tagesmenge Obst.
- Fleisch bieten drei Viertel der Kitas zu häufig an.
- Zwei von drei Kitas kochen nicht selbst, sondern lassen ihr Mittagessen anliefern, nicht selten von Metzgereien oder Caterern.
- Nur jeder zehnte der beauftragten Caterer ist auf die Gemeinschaftsverpflegung von Kindern eingestellt.
kizz sprach mit Sandra Tobehn, Ökotrophologin und Mitarbeiterin der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Berlin
Was treibt ErzieherInnen beim Thema Ernährung besonders um?
Die Zwischenmahlzeiten, welche die Kinder mitbringen. Hier wissen Fachkräfte oft nicht, wie sie die Eltern ansprechen sollen. Wir raten, vom Erstgespräch an verbindlich festzulegen, was in die Brotbox gehört und was nicht, gerade wenn es um den
Umgang mit Süßigkeiten geht.
Bringt es denn etwas, die zu verbieten?
Generell halte ich wenig von Verboten. Aber bei Süßigkeiten sollte die Kita nichts befördern. Die Kinder essen ja in der Regel außerhalb der Einrichtung noch genug davon. Außerdem kann man sich über Ausnahmen verständigen, etwa bei besonderen Anlässen wie Geburtstagen oder Festen.
Wie viel Süßigkeiten sind in Ordnung?
So viel wie in den Handteller des Kindes passt. Also pro Tag etwa ein Riegel Schokolade. Die Menge ist schnell überschritten.
Gemüse ist bei Kindern oft nicht beliebt, wie macht man es ihnen schmackhaft?
Kinder lernen vom Vorbild. Wenn Eltern und ErzieherInnen mit gutem Beispiel vorangehen und mitessen, nehmen sie das Angebot leichter an. Manchmal hilft es auch, Lebensmittel in anderer Verarbeitung anzubieten. Wenn ein Kind sagt, dass es keine Paprika mag, kennt es das Gemüse vielleicht nur in geschmorter Form. Und stellt dann plötzlich fest, dass es Spaß macht, an einer rohen Schote zu knabbern.
Sollte man notorische Mäkler zwingen, den Teller leer zu essen?
Nein. Aber immer ermuntern, auch Unbekanntes zu probieren.
Und wie geht das?
Vor allem sollte kein Druck ausgeübt werden. Wenn man unbekannte Lebensmittel immer wieder anbietet und die Kinder beobachten, dass es anderen schmeckt, werden sie irgendwann neugierig und probieren. Hier ist Geduld gefragt. Ich rate sehr, nicht zu schnell aufzugeben!