Für unsere Familie ist der Erholungsfaktor beim Zelten ausgesprochen hoch. Nicht zuletzt für uns Eltern. Denn unsere drei lauten, energiegeladenen und abenteuerlustigen Kinder sind am einfachsten zu bändigen, wenn sie den größten Teil des Tages draußen verbringen können. Und das sollte gerade auch in den Ferien möglich sein. Deshalb trifft man uns im Sommer oder Herbst des Öfteren auf mediterranen Campingplätzen an, wo das Leben im Freien stattfindet. Sogar von der Dusche aus ist ein Stück französischen Himmels zu sehen, denn zwischen Wand und Dach klafft eine beachtliche Lücke.
Das Konzept eines Campingplatzes schafft eine gewisse Nähe zu anderen Urlaubern: Morgens, auf dem Weg zu den Sanitäranlagen, begegnen wir wildfremden Menschen mit zerzausten Haaren im Pyjama und spätabends ist zwar niemand mehr zu sehen, aber doch
jeder zu hören – Schnarchen, Pupsen und sonstige Geräusche sind hier keine Privatangelegenheit. Privat ist sowieso fast nichts auf einem Campingplatz, was meinen Mann nicht zu stören scheint. Ganz entspannt wandert er morgens mit einem auffällig roten Töpfchen, bis obenhin gefüllt und nur notdürftig mit einem Klopapierfetzen bedeckt, in Richtung Toilette. Unterwegs hält er meist noch ein Schwätzchen, sogar wenn sein Gegenüber die Hände voller Baguettes hat, die, wegen der eher kleinen sozialen Distanz der Südländer, dem Töpfchen gefährlich nahekommen. Die zeltplatzeigenen Gerüche haben es generell in sich: Wenn ich gerade in ein frisches, mit salziger Butter bestrichenes Stück Weißbrot beißen will, grillt garantiert schon wieder ein Nachbar
einen fürchterlich stinkenden Fisch. (Wie lange bloß ist das arme Tier schon nicht mehr in seinem Element?)
Doch wen das alles nicht stört, für den ist der Campingplatz ein herrlicher Ort, um unterhaltsame Ferien zu verbringen.
Nirgendwo sonst auf der Welt ist es so einfach, mit vielen verschiedenen Kulturen in Kontakt zu kommen. Nirgendwo sonst bekommt man zudem kostenlos so viele verschiedene Erziehungsstile demonstriert. Das reicht von Laissez-faire bis zu autoritären
Drillmethoden. Manche Kinder kriegen nur bei der An- oder Abreise ein Eis, andere spielen schon morgens mit zuckerwasserverschmierten Mündern und klebrigen Fingern im Sand. Einige Eltern behalten stur ihren gewohnten Rhythmus bei und stecken ihren Nachwuchs Punkt acht Uhr in den immer noch taghellen und aufgeheizten Wigwam. Andere Eltern schleppen sogar ihre Säuglinge mit in die allabendlich dröhnende Zeltplatzdisco.
So unterschiedlich wie die Erziehungsstile sind auch die Zeltler und Camper selbst. Es gibt die Profis, die mit allem Komfort ausgestattet sind. Aber auch die Unerfahrenen, die weder einen Zeltteppich noch eine einzige Wäscheklammer – geschweige eine Wäscheleine – eingepackt haben. Wir gehören einer dritten Kategorie an: so wenige Utensilien wie möglich, so viele wie nötig. Für mich ist es gerade diese Einfachheit, die reizvoll ist. Die Kinder steigen vom Pyjama direkt in die Badehose, wir sitzen schon zum Frühstücken draußen und um die Brotkrümel kümmern sich die Ameisen. Beim Abwasch lernen wir die anderen Urlauber kennen und unsere Sprösslinge haben Horden von Spielkameraden um sich herum. Sie können vor der „Haustüre“ Pyramiden
aus Pinienzapfen bauen, neben dem Esstisch Boccia spielen und barfuß über den Zeltplatz streifen. Nach dem Abendessen springen sie nochmal ins dunkle Meer und löffeln danach im Schein der Gaslampe eine Crème Caramel, während die Zikaden singen. Was will man mehr?