Spielsachen überfüllen die KinderzimmerVon allem zu viel

Kein Anlass mehr ohne Geschenke. Dabei quellen die Kinderzimmer ohnehin über vor lauter Konsumschrott, meint unsere Kolumnistin Astrid Herbold

Von allem zu viel
Wenn der Konsum überhand nimmt © Astrid Herbold

Kann ich mal sein Zimmer sehen, fragt der kleine Gast, der zum ersten Mal bei uns zu Besuch ist. Klar, sage ich. Ein kurzer Blick ins Kinderzimmer reicht dem Fünfjährigen, dann der trockene Kommentar: „Ich hab mehr.“ Seine Mutter ist peinlich berührt, bemüht sich um rhetorische Schadensbegrenzung. Es kommt doch nicht darauf an … Guck mal, der Junge hat aber auch schöne Sachen Blabla. Niemand hört zu.

Ich würde jetzt gerne behaupten, dass die Zimmer meiner Kinder tatsächlich leer und überschaubar sind, nur hier und da ein wertvolles Holzspielzeug, eine Kiste mit schönen Steinen oder Muscheln, ein paar Kinderbuchklassiker. Das Gegenteil ist wahr. Trotzdem gibt es erstaunlicherweise jede Menge Kinder im Bekanntenkreis, die noch zehnmal mehr Autos und Bauklötze und Holzeisenbahnen und Stofftiere und und und haben. Die Fülle setzt sich (auch bei uns) in jedem anderen Bereich des Lebens fort. Der Kühlschrank: immer voll. Der Obstkorb in der Kita: quillt über, die Hälfte vergammelt regelmäßig. Die Kleiderschränke: kurz vorm Zerbersten. Und jeder Kindergeburtstag, Feiertag, jedes Osterfest, Halloween, Nikolaus, Weihnachten, spült mehr Zeug und Süßigkeiten in die Wohnungen.

Ich bin auf so vielen Ebenen davon angeekelt, in welchen Fluten von Essen, Kleidung und Spielsachen meine Kinder ertrinken. Ich halte es für ökologisch falsch, ethisch und pädagogisch sowieso. Ich glaube, es geht vielen Eltern so. Trotzdem ist irgendwo da draußen ein Strom, der stärker ist als wir. Manche ihrer Freunde, erzählen meine Kinder, kriegen Ostern schon fast so viele Geschenke wie Weihnachten. Zur Einschulung schenkt man mittlerweile auch, und nicht zu knapp. Und offenbar führen bereits Kindergartenkinder Gespräche über Preise. 144 Euro, erklärte mein Sohn mir neulich, hat irgendein Star-Wars-Lego-Raumschiff gekostet. Sein Freund, Einzelkind, einziger Enkel, hat es schon. Er hätte es natürlich auch gerne.

Ich würde meinen Kindern gerne etwas anderes mit auf den Weg geben. Leichtigkeit im Leben, das schon, aber nicht die Leichtigkeit des Konsums. Denn das ist der Rhythmus: Kriegen, aufreißen, dreimal angucken, wegschieben, vergessen. Der Kick hält nur wenige Tage. Die Intervalle, in denen neue Begehrlichkeiten entstehen, werden kürzer. Die Wünsche immer größer und absurder.

Wir haben kürzlich, an einem ruhigen Sonntag, ein Alternativprogramm gestartet. Aussortieren, um weiterzuverschenken. An die, die ärmer oder von irgendwo geflohen sind und ihre Spielsachen nicht mitnehmen konnten. Auch solche Kinder gibt es nämlich, habe ich erklärt. Der großartige Nebeneffekt unserer Aktion: Die Kinder haben in den Tiefen ihrer Kisten und Schränke Spielsachen wiederentdeckt, die sie längst vergessen hatten.

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