Ich bin eine tolle Frau. Wirklich. Ich bin warmherzig, großzügig, geduldig. Meinen Kindern bin ich zugleich ewiger Erklärbär, weiches Knuddelkissen, Fels in stürmischer Brandung und Kratzbaum für ihre Launen. Ich beschütze sie, ich umsorge sie – und mache dabei alles total richtig. Mit meinem Herrschaftswissen halte ich gnädig hinterm Berg, wenn andere in der Nähe sind. Denn natürlich weiß die Oma, der Papa, die Erzieherin nicht wirklich, wie das Kind in der einzelnen Lebenssituation korrekt zu behandeln ist. Wie auch? Wir M.ü.t.t.e.r. sind nun mal die Besten. Wir nehmen dafür auch große Entbehrungen auf uns (rausgewachsene Haarschnitte, brüchige Nägel, flache Treter, Allwetterjacken). Aber wir klagen nicht. Wir bücken uns nach den Socken, schleppen die Einkäufe hoch, rühren das Süppchen an. Wenn ihr nur habt.
Eigentlich könnte ich mich in meinem Hochmut suhlen bis ans Ende meiner Tage. Wenn da nur nicht mein verf*** PMS wäre. Denn einmal im Monat verwandle ich mich in eine grimmige, zynische Ausgabe meiner selbst. Ich hasse meine Mitmenschen. Ich hasse arbeiten, ich hasse den Haushalt, ich hasse es, zu Hause zu sein, ich hasse es rauszugehen. Die Falte auf meiner Stirn ist wie in Stein gemeißelt. Mühevoll unterdrücke ich Wutanfälle. Der Grimm, der in mir brodelt, hat kein konkretes Ziel. Er schwappt
einfach über. Wer in der Nähe ist, kriegt giftige Spritzer ab.
An diesen Tagen ist das Mutti-Immerlieb-Sein schwer. Ich fühle mich wie ein Psychomonster. Damit die Kinder nichts merken, tu ich so wie immer, höre aber eigentlich nicht zu, bin abwesend, genervt, gelangweilt. Und fühle mich dann aber sofort so wahnsinnig schuldig, dass ich noch pseudo-freundlicher bin. Wollt ihr ein Eis, ihr Süßen? Oh Gott, ich bin die schlechteste Mutter der Welt. Reflexionsschleifen bringen meinen Kopf zum Schwindeln. Das Problem ist auch, dass ich nicht weiß, wie ich die Auswirkungen des Östrogenabfalls deuten soll. Vernebelt das PMS nur kurzzeitig meinen schönen, wahren Charakter – oder bringt es umgekehrt meine eigentliche böse Persönlichkeit zum Vorschein?
Neulich habe ich ein grandioses Buch gelesen, den Roman Bodentiefe Fenster von Anke Stelling. Er handelt von Müttern in Prenzlauer Berg, außen perfekte Fassaden, innen düsterste Abgründe. Lässig werden Kuchen gebacken, Partys geschmissen, Kinder gezeugt. Erziehung erfolgt freundlich, friedlich, auf Augenhöhe. Ich entfalte mich, du entfaltest dich, dann sind wir zusammen
supercool. Aber wenn alles so prima ist, warum dann an manchen Tagen diese bohrenden Fragen im Kopf? Warum fühlt sich Mutterschaft manchmal an wie eine Rolle in einem Theaterstück, die man offenbar auch noch ziemlich schlecht spielt? Woher kommen die Selbstzweifel, die bodenlosen Ängste, die verkrampften Versuche, immer alles perfekt zu machen?
Das Buch hat mich einerseits fürchterlich deprimiert und andererseits wunderbar zum Lachen gebracht. Zwei Nächte lang konnte ich es nicht aus der Hand legen. Morgens war ich hundemüde. Die Kinder mussten alleine aufstehen, sich Müsli holen und Milch in die Schüsseln kippen. Offenbar, es wundert mich selbst ein wenig, haben sie es aber überlebt.