Die Besprechung dauert mal wieder länger als geplant. Für berufstätige Eltern eine Herausforderung. Besonders dann, wenn der Nachwuchs aus der Kita abgeholt werden muss. Bedarfsgerechte Öffnungszeiten, kurze Wege, im Notfall gleich um die Ecke, sowie in der Regel ein sehr guter Betreuungsschlüssel – die Vorzüge der betrieblichen Kinderbetreuung sind vielfältig. Für viele berufstätige Mütter und Väter ist sie daher die Königsklasse familienbewusster Maßnahmen. Die Unterstützung bei der Kinderbetreuung erhöht die Zufriedenheit insbesondere bei den Müttern in fast allen Bereichen signifi kant, zeigte unlängst eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e. V. (DIW).
Immer mehr Unternehmen haben das erkannt und bieten ihren Mitarbeitern eine betrieblich unterstützte Kinderbetreuung. Laut einer Online-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (DIHK) vom Juli 2014 hält jedes dritte Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten für deren Kinder ein konkretes Betreuungsangebot bereit oder plant dies. Dabei geht es nicht immer um eine Kita auf dem Firmengelände, sondern auch um viele andere Modelle, mit denen die Betriebe ihre Angestellten unterstützen. Eine Möglichkeit ist es, die Kita auszugliedern und die Trägerschaft und damit die gesamte Organisation und Verwaltung einem Verein oder einem professionellen Träger zu überlassen.
Pioniere der betrieblichen Betreuung
Eine der ältesten und größten betriebsnahen Kindertagesstätten ist die Kita des Darmstädter Pharmaunternehmens Merck. Bis zu 150 Kinder ab einem Jahr werden in der Einrichtung betreut, die Mitglieder der Familie Merck 1968 als Verein gründeten. Trotz der Größe ist die Warteliste lang. Ein großes Plus sind die bedarfsgerechten Öffnungszeiten. „Immer mal wieder kommt es vor, dass eines der Kinder länger als geplant bleibt, weil der Papa oder die Mama länger arbeiten muss. Mit einem möglichen Betreuungsvolumen von bis zu 50 Stunden pro Woche ist das für uns aber kein Problem“, sagt die Leiterin Heike Eckelhöfer.
Für die Trägerschaft und Finanzierung der Einrichtung zeichnet seit der Gründung der Merck’sche Kindertagesstätten-Verein e.V. verantwortlich. Die Kita ist somit unabhängig vom Unternehmen und kann eigenständig ihre Entscheidungen treffen. So liegt es beispielsweise ganz im Ermessen der Trägerschaft, wer einen der begehrten Plätze bekommt. „Da kann es dann schon mal vorkommen, dass wir eher nach sozialen Aspekten als nach betrieblichem Nutzen entscheiden. Wenn es zum Beispiel der Stabilisierung der Familie dient. Aber selbstverständlich immer unter Berücksichtigung des Aufnahmekriteriums Berufstätigkeit der
Eltern“, erklärt Eckelhöfer.
Hohe Kosten als Hürde
Aber nicht jedes Unternehmen kann sich eine eigene Kindertagesstätte leisten. „Gründe dafür gibt es einige“, erklärt Dr. Markus Solf, Gründer und
Geschäftsführer von famPLUS, einem Unternehmen, das private Kinderbetreuung für die Mitarbeiter ihrer Auftraggeber vermittelt. „Da sind zum einen die Kosten. Pro Kind liegen diese für Null- bis Dreijährige bei 1500 Euro und für über Dreijährige bei 900 Euro pro Monat. Trotz fi nanzieller Unterstützung durch die Kommune, das Land oder den Bund, können sich das nur wenige Unternehmen leisten. Zum anderen sind die gesetzlichen Auflagen für das Betreiben einer Kita sehr umfangreich. Abgesehen davon, dass der Bedarf in manchen Betrieben einfach nicht groß genug ist, um eine eigene Kita zu rechtfertigen.“
Zusammenschlüsse bringen weiter
Eine Möglichkeit für kleine und mittelständische Unternehmen ist es, im Verbund eine Tageseinrichtung von einem professionellen Träger betreiben zu lassen. Die Firma sira munich, ein Dienstleister für betriebliche Kinderbetreuung, hat bereits diverse Kitas gegründet. „Darunter die Minikita Glückskinder in Freising“, berichtet Geschäftsführer David Siekaczek. „Initiator war die Geschäftsleitung des IT-Unternehmens petaFuel. Sie benötigten Betreuungsplätze für die Kinder zweier Programmierer.“ In Kooperation mit anderen kleinen Betrieben aus der Region sollte eine Minikita aufgebaut werden. „Die monatlichen Kosten für einen Betreuungsplatz in einer Minikita liegen mit ungefähr 330 Euro weit unter den sonst üblichen. Das macht dieses Modell so interessant. Einige Unternehmen übernehmen die Kosten dann auch schon mal gerne für ihre Angestellten“, sagt Siekaczek.
Mittlerweile werden bei den Glückskindern zehn Kinder betreut. Noch nicht alle Plätze sind von Mitarbeiterkindern belegt. Um die Kosten zu decken, werden
deshalb auch externe Kinder aufgenommen. Sobald ein Platz frei wird und ein Mitarbeiter Bedarf anmeldet, wird der Platz jedoch intern besetzt.
Eltern ergreifen die Initiative
Aus einer Elterninitiative sind 2005 Die Kleinen Stromer in Mannheim entstanden. Eine Umfrage innerhalb des Mannheimer Energieversorgers MVV Energie AG hatte ergeben, dass es einen hohen Betreuungsbedarf für Kinder unter drei Jahren gab. Zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlossen sich daraufhin zusammen und gründeten mit großem persönlichem Einsatz und finanzieller Unterstützung der MVV sowie der Stadt Mannheim die Elterninitiative. „Die größte Herausforderung war es, in die Bedarfsplanung der Stadt Mannheim aufgenommen zu werden und einen geeigneten Standort zu finden. Wie groß der Bedarf war, zeigte sich daran, dass sich die Anzahl der betreuten Kinder innerhalb nur eines Jahres verdoppelte, von ursprünglich zehn auf 20“, berichtet Mariola Morlock, ehemalige Vorsitzende des Vereins. Heute werden in drei Gruppen 30 Kinder von zehn Fachkräften betreut. Ungefähr ein Drittel davon sind Kinder von MVV-Mitarbeitern. Auch heute noch unterstützt die MVV als Sponsor den gemeinnützigen Verein. Die Hauptlast der Kosten trägt aber die Stadt Mannheim. „Auch
wenn die Stadt in den letzten Jahren viel getan hat, um das Angebot an Krippenplätzen auszubauen, bleiben Die Kleinen Stromer aufgrund ihres individuellen
Konzeptes und der fast familiären Atmosphäre eine besonders gefragte Einrichtung. In Mannheim steigt allerdings der Bedarf an Ganztagsbetreuung in den Kindergärten und Schulen überproportional gegenüber der Betreuung von Kindern unter drei“, sagt Stephan Volz, derzeitiger Vereinsvorstand.
Schulkindbetreuung wird dringender
Karin Frohnert, Leiterin des Unternehmensprogramms Erfolgsfaktor Familie, einer Initiative des Bundesfamilienministerium und des DIHK, beobachtet die
Entwicklung der betrieblichen Kinderbetreuung schon seit längerer Zeit. Auch sie stellt fest: „Während es in den letzten Jahren etwas stiller geworden ist, nimmt die Tendenz jetzt wieder zu. Allerdings liegt der Fokus immer mehr auch auf älteren Kindern. So wird mittlerweile vermehrt auf Hortbetreuung und Betreuung durch Nachhilfelehrer gesetzt.“