Montags Kinderchor, dienstags Turnen, donnerstags Schwimmen und sonntags Familienausflug. Der Wochenplan von Anna (5) ist gut gefüllt. Fällt ein Termin aus, weiß sie oft nichts mit sich anzufangen. Dann soll ihre Mutter sie bei Laune halten. „Manchmal bin ich so genervt, dass ich sie einen Kinderfilm sehen lasse, damit Ruhe ist“, seufzt diese. Mit wortwörtlicher „Frei-Zeit“ hat Annas Alltag nicht mehr viel zu tun. Damit fehlen ihr wie vielen anderen Kindern Zeiten des Leerlaufs und der Langeweile. Doch die sind wichtig, um überhaupt eigene Vorlieben und Spielideen zu entwickeln. Experten wie der Erziehungswissenschaftler Peter Struck raten deshalb pro Woche zu höchstens zwei Terminen für Kindergartenkinder – Verabredungen mit anderen Kindern exklusive.
„Langeweile ist die Voraussetzung dafür, dass Kinder selbstständig und kreativ werden. Nur so lernen sie, mit sich alleine etwas anzufangen“, schreibt Professor Struck in seinem Klassiker Das Erziehungsbuch. Deshalb empfiehlt er Eltern auch, auf den Satz „Was kann ich denn machen?“ gar nicht groß zu reagieren. Denn die Langeweile ist nicht das Problem der Eltern, sondern das des Kindes. Wenn Eltern dauernd der kindlichen Forderung nach Beschäftigung und Unterhaltung nachgeben, wird das Kind auch in Zukunft so lange nerven, bis jemand es bespaßt. Meist fällt Kindern ja doch noch eine Beschäftigung ein.
Das bedeutet aber nicht, dass Eltern ihre Kinder in quälenden Stunden der Langeweile ganz alleine lassen. Sie können gemeinsam überlegen, was Sohn oder Tochter machen möchte. Oft haben Eltern zwei, drei Ideen und das Kind sagt plötzlich: „Das will ich aber nicht, ich mache lieber was anderes!“, weil ihm doch noch etwas eingefallen ist.
Weniger ist oft mehr
Warum Kinder sich überhaupt langweilen, ist für Eltern schwer zu verstehen. Doch für die Kleinen ist es ganz schön unangenehm und lästig, alleine herauszufinden, was sie eigentlich wollen. Oft steckt hinter Langeweile aber auch Übersättigung: Im Kinderzimmer stapeln sich Bücher, Playmobil, Puppen und Plüschtiere. Der Überfluss an vorgefertigtem Spielzeug lähmt jedoch die Kreativität. Deshalb besser nur ein paar Spielzeugkisten im Kinderzimmer lassen und den Rest im Keller bunkern, bis er an der Reihe ist. Außerdem gibt es viele kostenlose Dinge zum Spielen, die die Fantasie deutlich mehr anregen: Alte Kartons, Stoffreste, ausrangierte Kleidung der Eltern, Steine oder Muscheln – in Boxen und gut erreichbar im Kinderzimmer deponiert – eignen sich sehr gut für Rollenspiele und Bastelaktionen.
Manchmal steckt hinter der ständigen Quengelei auch das Bedürfnis nach mehr Beachtung. Deshalb sollten Eltern einem Kind lieber jeden Tag eine Zeit lang ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, als nur an freien Tagen und Wochenenden gemeinsame Spielzeiten einzuplanen. Außerdem lohnt es sich, abseits formatierter Angebote für Frühförderung das Abenteuer im Alltag zu entdecken: Kinder, die sich viel bewegen und draußen herumtollen, lernen nicht nur ihre Umwelt, sondern auch ihre Stärken und Schwächen besser kennen.