Zusammenwachsen als PatchworkfamiliePapa, ich und seine Neue

Patchworkfamilien brauchen Zeit und Geduld. Bis jeder seinen Platz gefunden hat, müssen nicht selten Konflikte ausgetragen und neue Regeln ausgehandelt werden

Papa, ich und seine neue
Mittels Spielfiguren lassen sich die Beziehungen vereinfacht darstellen. © Msta

Lelia steht im Treppenhaus und klammert sich an ihre Mutter. Es ist Mittwoch, einer der Tage, an denen sie ihr Zuhause wechselt. Zweimal pro Woche zieht die Fünfjährige um, verbringt eine Hälfte bei der Mutter, die andere beim Vater. Aber heute ist ihr Vater noch auf einer Dienstreise, und in der Wohnung wartet seine neue Partnerin. Lelia weint, möchte am liebsten mit ihrer Mutter zurückfahren.

Viele Eltern erleben ähnliche Szenen; in bis zu 13 Prozent der Lebensgemeinschaften in Deutschland kommt mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft, so eine Schätzung des Familienministeriums. Solche Patchworkfamilien erstrecken sich oft über mehrere Haushalte und sind im Schnitt kinderreicher. Da scheint das Chaos programmiert. Mit Geduld und Diplomatie kann der Alltag dennoch gelingen.

Du hast mir nichts zu sagen!

Anfangs läuft alles wie am Schnürchen. Lelia mag die Freundin ihres Vaters, pflegt einen lockeren Umgang mit ihr. Als diese jedoch nach ein paar Monaten zu den beiden in die Wohnung zieht, kippt die Stimmung. „Lelia ist sehr abneigend“, seufzt Josephine. „Wenn ich mit ihr rede, widerspricht sie oder antwortet: ,Ich frage lieber meinen Papa‘.“ Es ist das typische Du-hast-mir-nichts-zu-sagen-Problem, von dem wohl die meisten Stiefeltern ein Lied singen können.

Josephine führt die Abneigung darauf zurück, dass sie sich in die Erziehung eingemischt hat. Als sie Vater Markus unter vier Augen einige Regeländerungen nahelegt, fasst er ihre Ideen als Kritik auf. Er bittet sie, sich direkt an Lelia zu wenden, sollte sie mit dem Verhalten des Kindes unzufrieden sein. „Das habe ich getan. So bekam Lelia zu viel negativen Input von mir. Künftig sehe ich mich eher als Freundin für Lelia.“ Auch Markus merkt, dass sein Plan nicht aufgeht. „Lelia ging das zu schnell. Sie wirkte überfordert. Mittlerweile befinden wir uns auf dem Weg der Besserung“, sagt er.

Familie muss langsam wachsen

„Oft wird der neue Partner zu schnell eingeführt“, erklärt Familientherapeutin Maren Sturm. In ihrer Praxis in Dresden schiebt sie Playmobil-Figuren über den Tisch. „Der neue Partner macht dem Kind deutlich, dass der Platz des alten Elternteils besetzt ist.“ Eine Figur rückt zwischen zwei andere. „Die Chance, dass die Eltern zusammen kommen, schrumpft.“ Maren Sturm nutzt die Figuren, um spielerisch etwas über die Familien zu erfahren, die Rat bei ihr suchen. „Zum Beispiel stellt ein Kind die Figuren hin und sagt: Mama und ich sind ganz eng, Mamas Freund steht weit weg.“ Weit weg dürfe der Freund zunächst auch bleiben, findet die Therapeutin. „Studien haben belegt, dass es vier bis fünf Jahre dauert, bis eine Familie zusammenwächst.“

Dass sich der Faktor Zeit positiv auswirkt, zeigt sich in Lelias Samstag-bis-Dienstag-Zuhause. Tim, den neuen Partner ihrer Mutter, kennt Lelia seit ihrer Geburt. Ihr Verhältnis ist harmonisch. Als sie in eine gemeinsame Wohnung ziehen, fragt Lelia sogar: „Darf ich Tim jetzt Papa nennen?“ Streit gibt es trotzdem ab und zu. „Tim ist verunsichert“, meint Mutter Franziska. „Er fürchtet, Lelia zu verziehen. Manchmal ist er strenger, als er sein müsste.“

Wie sehr der Patchworkalltag einem Balanceakt gleicht, weiß Familientherapeutin Maren Sturm aus eigener Erfahrung; sie brachte zwei Kinder in eine Partnerschaft mit. „Wichtig ist, dass der neue Partner sich zurückhält. Er sollte keine Erziehungspflicht übernehmen, nur Spielpartner sein. Die Beziehung zum leiblichen Elternteil darf exklusiv fortbestehen.“ Wer es langsam angehen lasse, alle Familienmitglieder mit ihren Wünschen einbeziehe, könne Patchwork als Bereicherung erleben. „Jeder trägt Erfahrungen aus vorangegangenen Beziehungen in sich. Es ist eine Chance, neue Strategien für die Lösung von Konflikten zu erlernen.“

Kinder wollen einbezogen werden

Lelias Mutter bemüht sich, ihrer Tochter trotz aller Veränderungen genug Aufmerksamkeit zu widmen, besonders als Felina, Lelias Halbschwester zur Welt kommt. „Wir haben mit Lelia viel darüber geredet. Ich beziehe sie mit ein, wenn ich etwas mit Felina mache. Ich glaube, das ist besonders wichtig in Familien, in denen ein Kind immer da ist und das andere wechselt. Lelia soll nicht das Gefühl bekommen, ein Störfaktor zu sein.“

Als das Baby ein halbes Jahr alt ist, klammert Lelia sich nicht mehr an die Mutter und reagiert weniger empfindlich, wenn sie einmal nicht die volle Aufmerksamkeit erhält. „Sie hat ein großes Verständnis für Konfliktsituationen entwickelt. Sie denkt viel über soziale Strukturen in Familien nach“, berichtet Franziska. „Neid gibt es noch keinen zwischen den Geschwistern. Mal sehen, wie es wird, wenn Felina anfängt, Lelias Spielzeug zu nehmen.“ Sie lacht. „Lelia umschwärmt ihre kleine Schwester geradezu.“ Aber eins findet Lelia immer noch ungerecht: dass sie ihre Felina nicht mitnehmen darf am nächsten Mittwoch, wenn sie wieder in ihr anderes Zuhause zieht.

kizz Elterntipp

Scheuen Sie sich nicht, frühzeitig eine Familienberatung in Anspruch zu nehmen, etwa, bevor Sie mit dem neuen Partner oder der neuen Partnerin zusammenziehen. So können Sie im Vorfeld über mögliche Konfliktherde und Ihre Erwartungen sprechen und erhalten kompetente Unterstützung.

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