Mama und Papa gehen arbeiten, die Große hat nachmittags Fußballtraining, der Kleine ist mit Freunden zum Spielen
verabredet. Kein Wunder, dass in vielen Familien die gemeinsame tägliche Mahlzeit keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Tatsächlich geht der Trend in Zeiten von Convenience-Food und Mikrowelle so weit, dass jeder dann isst, wann es gerade passt. Dabei ist der Familientisch so etwas wie ein Ankerplatz, an dem das quirlige Alltagsleben von Eltern und Kindern zur Ruhe kommt. „Wenigstens ein Mal am Tag sollte die ganze Familie am Tisch sitzen und zusammen essen“, rät auch Silke
Restemeyer, Ernährungsberaterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Denn hier geht es nicht nur ums Essen, sondern auch um Gespräch und Austausch.“ Diese ganz besondere Art der Quality Time lässt sich in den meisten Familien am besten beim gemeinsamen Abendessen verwirklichen, wenn alle zu Hause eingetrudelt sind und keine Termine mehr anstehen.
Die damit verbundenen positiven Gefühle wirken auf jeden Fall weit über Kindheit und Jugend hinaus: So hat 2016 eine US-amerikanische Langzeitstudie der Universität Minnesota ergeben, dass Familienmahlzeiten das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken und zudem Übergewicht und Essstörungen vorbeugen. Zehn Jahre lang hatten die Forscher dazu den Alltag von 2300 Kindern beleuchtet und deren Essgewohnheiten untersucht.
Gemeinsam an Herd und Tisch
Eltern können ihre Kinder von Anfang an einbinden und sie an der Auswahl von Gerichten, beim Einkaufen, Kochen und Tischdecken beteiligen. So lernen die Kleinen, Verantwortung zu übernehmen und trainieren die Selbstständigkeit – beste Voraussetzungen dafür, dass sie sich später Gedanken über ihre Ernährung machen und selbst den Kochlöffel schwingen.
Die Familienmahlzeit bietet auch eine gute Gelegenheit, über den vergangenen Tag zu plaudern. Das gilt für Eltern und Kinder gleichermaßen, denn der Esstisch ist nicht nur für Erwachsenenthemen reserviert. Die Kinder langweilen sich sonst, weil sie sich unbeachtet fühlen, und werden unruhig. Eine Familie kann beispielsweise vereinbaren, dass jeder reihum vom Tag erzählt. Entweder hören Mama und Papa zu, wenn ihr Kind von sich aus etwas erzählt und fragen dann aufmerksam nach. Oder sie erkundigen sich nach Dingen, die das Kind am Tag erlebt hat. Die Runde kann auch dazu genutzt werden, um wichtige Familienangelegenheiten zu besprechen. Schön ist es, wenn bei Entscheidungen auch die Stimme der Jüngsten gehört wird.
Sinnvolle Tischregeln finden
Tischregeln sind kein Überbleibsel längst vergangener Zeiten, sondern gehören zum gemeinsamen Essen dazu – schließlich
haben sie etwas mit gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt zu tun. Auch hier sind Eltern, die sich selbst an die Absprachen halten, als Vorbilder gefragt. Zu den Basics gehören das Händewaschen vor dem Essen; mit dem Essen zu warten, bis alle da sind; nicht mit den Händen zu essen oder erst dann aufzustehen, wenn jeder fertig ist. Aber natürlich kann jede Familie für sich noch andere Regeln festlegen und bestimmen, wann Ausnahmen erlaubt sind. Oft dürfen Kinder den Tisch verlassen, wenn sie mit dem Essen fertig sind, um in der Nähe etwas zu spielen. Andere Familien frühstücken sonntags auch mal im Bett oder picknicken auf dem Boden. Übrigens: Es ist schön und macht Spaß, Gäste zum Familientisch dazuzubitten.
Mal dürfen die Eltern Freunde einladen, mal die Kinder. Ein offenes Haus stärkt nicht zuletzt auch die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten.
kizz Elterntipp
Mehr Gelassenheit
Verschüttete Apfelschorle, Inseln aus Kartoffelpüree und die Ablehnung von allem, was Vitamine enthalten könnte. Auf den ersten Blick ist das der tägliche Konfliktstoff beim gemeinsamen Essen – auf den zweiten Blick aber auch eine gute Gelegenheit, mehr Gelassenheit zu üben. Indem Eltern bei kleinen Pannen nicht mit dem hadern, was sowieso schon passiert ist, sondern ein Küchentuch zücken und das Ganze zusammen mit dem Kind aufwischen, um danach einfach weiterzuessen. Kinder lernen das Essen nur dann als angenehme und genussvolle Beschäftigung kennen, wenn sie dabei nicht unter Druck stehen. Gelassenheit heißt somit auch, darauf zu vertrauen, dass sich ein gesundes Kind schon das nimmt, was es braucht.
kizz Interview
Eine eigene Tradition begründen
kizz sprach mit Dagmar von Cramm, Ernährungswissenschaftlerin, Fachjournalistin und Autorin aus Freiburg
Wie stark prägen uns die Erfahrungen rund ums Essen, die wir als Kinder machen?
Kaum etwas sitzt so tief wie unsere Essgewohnheiten. Da spielt es eine gewaltige Rolle, wie und was zu Hause gegessen wurde. Wenn es nur Spaghetti, Pommes und Pizza gibt, ist es wenig wahrscheinlich, dass später Gemüse und Fisch auf der Beliebtheitsskala oben stehen. Wenn es zwischendurch ständig Süßigkeiten gab – oder sogar damit belohnt wurde – dann wird es schwer sein, als Erwachsener darauf zu verzichten. Wiederum lassen sich in der Kindheit gesunde Gewohnheiten verankern.
Lassen sich Essgewohnheiten, die man sich als Kind angeeignet hat, später noch ändern?
Natürlich, aber das erfordert Disziplin und eine bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Gewohnheiten. Hält man Veränderungen länger durch, dann verfestigen sie sich. Wenn zwei Menschen eine Familie gründen, treffen zwei Familientraditionen aufeinander. Es ist eine große Chance, dann zu zweit ganz bewusst eine eigene Tradition zu begründen.
Nicht alle Eltern sind Hobbyköche. Was tun, wenn ich das tägliche Kochen als lästige Pflicht empfinde?
Da hilft Planung: Wer am Wochenende einen Speiseplan mit Einkaufszettel für die ganze Woche macht, der braucht sich nicht so viele Gedanken zu machen und kann sich die Aufgaben mit dem Partner teilen. Da kann man dann auch mal für zwei Tage kochen. Es gibt genug einfache Rezepte, die toll schmecken und nicht aufwendig sind. Bei Gemüse kann man sich mit Tiefkühlware behelfen und ein Instant-Getreidemix ist eine vollwertige „Sättigungsbeilage“, die in 15 Minuten fertig ist.
Familienmahlzeiten sollen in entspannter Atmosphäre stattfinden, oft gibt es jedoch Streit, weil Kinder nicht das essen, was die Eltern wollen.
Wenn Kinder sich an der Speiseplanung beteiligen, wird der Protest kleiner. Dann weiß jeder: Es gibt auch mal mein Lieblingsgericht. Entscheidend ist Ihr Vorbild, ziehen Sie an einem Strang und haben Sie keine Angst vor Konflikten! Konsequenz hilft, ein Mal muss probiert werden. Wenn es nicht schmeckt, gibt es eben nackte Nudeln. Kinder müssen ein Gericht bis zu 15 Mal probieren, bevor sie es mögen.