Einschulung: auch für die Eltern ein großer Schritt!Bald komm ich in die Schule

Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule ist ein Umbruch für alle Beteiligten. Wie Familien ihn gut meistern können

Bald komm ich in die Schule
Geschickt und konzentriert bei der Sache: gute Voraussetzungen für den Schulstart © MNStudio Adobe Stock

Schulanfang! Der Begriff löst bei Eltern oft widersprüchliche Emotionen aus. Auf der einen Seite sind da Stolz und Freude: Die kleine Tochter, der kleine Sohn wird ein großes Schulkind, alleine aus dem Haus gehen und bald erste Bücher lesen können. Auf der anderen Seite machen sich viele Väter und Mütter Sorgen: Was, wenn das Kind in der Klasse keinen Anschluss findet, sich beim Sport nicht schnell genug die Schuhe bindet, morgens nicht rechtzeitig aus den Federn kommt? Im Kindergarten war alles locker. In der Schule gelten andere, verbindliche Regeln.

Der Übertritt vom Kindergarten in die Grundschule ist ein Umbruch für die ganze Familie. Die Kinder müssen von vertrauten ErzieherInnen Abschied nehmen, sich auf neue Bezugspersonen einstellen und ihre Rolle im sozialen Gefüge der Klasse finden. Sie wechseln von einer spielzentrierten Umgebung in eine, die auf systematisches Lernen ausgerichtet ist. Anstatt toben und spielen heißt es jetzt stundenlang stillsitzen. Und sie müssen einen Statuswechsel verarbeiten, denn den Kindergarten verlassen sie als erfahrenes Kind, das alle Abläufe kennt. In der Schule sind sie wieder die Kleinen und müssen sich neu orientieren.

Transition nennt man in der pädagogischen Fachsprache solch einen prozesshaften Übergang in einem gedrängten Zeitraum. Er ist mit komplexen Herausforderungen und Anpassungsleistungen verbunden, die bewältigt werden müssen – nicht nur von den Kindern, auch von den Eltern. Eltern müssen den persönlichen und beruflichen Zeitplan mit dem der Schule in Einklang bringen; nicht wenige erleben den Schuleintritt ihrer Kinder als Machtverlust: Bis jetzt hatten sie es in der Hand, wo, wie lange und ob sie ihr Kind in eine Kindertagesstätte schicken. Jetzt ist der Staat zuständig.

Auf die Zusammenarbeit kommt es an

„Vätern und Müttern von Schulkindern wird oft erst im Nachhinein bewusst, welche Unsicherheiten sie überwinden mussten, um in ihre neue Identität hineinzufinden“, sagt der Diplom-Psychologe Wilfried Griebel vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München (IFP). Schon länger beschäftigen sich Wissenschaftler wie Griebel mit Übergängen in der Bildungslaufbahn und wie man sie gut meistert. Griebel hat dazu mit Kollegen vom IFP ein Modell entwickelt, das alle am Prozess Beteiligten in den Blick nimmt. Denn Transition ist keine Entwicklungsaufgabe des Kindes allein, wie man lange annahm, „sondern ein Prozess, der alle Beteiligten fordert“, sagt er. Die pädagogischen Fachkräfte aus Kita, Grundschule und Hort spielen dabei eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist es, den Übergang gut zu begleiten und Eltern und Kinder zu unterstützen. Das gelingt umso besser, je intensiver und länger alle beteiligten Bildungseinrichtungen – also Kindergarten, Grundschule und gegebenenfalls Hort – zusammenarbeiten und sich austauschen. Das haben fi nnische ForscherInnen in einer Längsschnittstudie herausgefunden.

Die Roller der Eltern

Ebenso wichtig ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern. Ihren Fragen, Erwartungen und Befürchtungen sollte immer genügend Raum gegeben werden, raten Wissenschaftler. Eine immer wiederkehrende Sorge vieler Eltern ist die Frage: Was muss mein Kind alles können, um auf die Schule vorbereitet zu sein? Wann ist es schulfähig?

Dahinter steckt die Vorstellung, alle Kinder müssten bei Schuleintritt auf demselben Stand sein. Das sei aber eine Illusion, so Griebel. „Es gibt große Unterschiede zwischen den Lernenden. Manche sind schon sehr selbstständig, andere brauchen Unterstützung beim sich Organisieren. Einige Kinder können vielleicht schon lesen und schreiben, manche fangen erst an, Deutsch zu lernen.“ Väter und Mütter, die dazu neigen, die Fähigkeiten ihrer Kinder miteinander zu vergleichen, tun sich damit keinen Gefallen. Griebel rät vielmehr zu Gelassenheit. „Sie können Ihre Kinder nicht schulfertig abliefern. Ein Schulkind wird ein Kind erst, wenn es in die Schule geht.“

Was Eltern hingegen tun können: Die Kompetenzen fördern, die langfristig für eine erfolgreiche Bildungsbiografie wichtig sind (siehe auch Interview). Dazu gehören die Lust am selbstständigen Lernen, die Motivation, auch nach Rückschlägen weiterzumachen, und die Fähigkeit, gemeinsam mit anderen Aufgaben zu lösen. Oder anders formuliert: Damit Kinder den Übergang in die Schule gut bewältigen, ist es wichtig, dass sie wissen, wie man Freundschaften schließt und Konflikte austrägt, dass sie Fragen stellen, wenn sie etwas nicht verstanden haben, und sich nicht frustrieren lassen, wenn andere etwas schneller begreifen. Den Stift richtig halten und eine Schleife binden lernen sie dann ganz von selbst.

Fit für die Schule

kizz sprach mit Kirstin Dressler, Kooperationslehrerin an der Leonhard-Sachs-Gemeinschaftsschule in Crailsheim

Als Kooperationslehrerin beraten Sie Eltern beim Übergang ihrer Kinder vom Kindergarten in die Grundschule. Welche Kompetenzen sollte ein Kind für die Schule mitbringen?

Ganz allgemein sollte es den Anforderungen im Schulalltag gewachsen sein. Schulkinder müssen längere Zeit stillsitzen, aufmerksam zuhören und Aufforderungen befolgen können, auch wenn sie an die ganze Gruppe gerichtet sind: „Jetzt holt mal bitte alle den roten Stift raus“. Dazu gehören aber auch gewisse fein- und grobmotorische Fähigkeiten zum Beispiel etwas auszuschneiden, freihändig Treppen zu steigen und ähnliches. Und natürlich soziale und emotionale Kompetenzen: Kinder sollten gelernt haben, ihre Bedürfnisse eine Weile zurückzustellen. Nicht immer sind sie als Erste dran, andere Kinder in der Klasse sind genauso wichtig.

Manche Eltern machen sich viele Sorgen: Lebt sich das Kind gut ein, findet es Freunde?

Das geht meistens ziemlich schnell. Im Kindergarten haben die Jungen und Mädchen gelernt, wie man Beziehungen aufbaut und sich sozial verhält. Das erleichtert den Start in der Schule. Eltern sollten ihren Kindern ruhig zutrauen, dass sie den Übergang gut schaffen und ihnen das auch vermitteln.

Andere Schulanfänger können vielleicht schon alle Buchstaben lesen und schreiben, das eigene Kind noch nicht. Ist das ein Problem?

Nein. Viel wichtiger sind Selbstständigkeit und Selbstorganisation. Kinder, die Ordnung im Schulranzen halten und sich selbst an- und ausziehen können, sind besser auf die Schule vorbereitet als diejenigen, die vielleicht schon Zahlen malen können. Diese Kompetenzen können Eltern durchaus bereits zu Hause fördern. Zum Beispiel, indem sie ihren Kindern kleine Aufgaben im Haushalt übertragen. Das heißt aber nicht, dass man Vorschulkinder am Lesenoder Rechnenlernen hindern sollte, wenn sie das gerne tun wollen.

Wie können Eltern sie sonst noch auf die Schule vorbereiten?

Ganz allgemein: Das Selbstwertgefühl und die Frustrationstoleranz stärken. Manche Eltern neigen dazu, ihren Kindern zu viel abzunehmen. Aber Kinder sollten in Ruhe ausprobieren und eine Lösung finden können, ohne dass die Eltern sofort einspringen. Egal ob sie die steile Rutsche hochklettern oder Mühe haben, den Reißverschluss zu schließen. In der Schule müssen sie auch damit umgehen können, dass etwas nicht gleich klappt.

Was sollten Eltern auf jeden Fall vermeiden?

Ich kenne Mütter und Väter, die ihren Kindern die Schultasche bis ins Klassenzimmer hinterhertragen oder sofort bei der Lehrerin anrufen, wenn das Kind beim Plus- und Minusrechnen durcheinanderkommt. Und dann gibt es das andere Extrem: Eltern, die sich gar nicht kümmern, nie zu den Elternabenden kommen und ihre Kinder mit der Materialliste allein lassen. Ideal ist irgendetwas dazwischen. Es ist wichtig, dass Eltern sich für die Schule interessieren. Aber die Welt geht nicht unter, wenn der Schreiblernfüller mal zu Hause vergessen wurde. Kinder, die das gelernt haben, kommen meistens gut zurecht.

Sollen Kinder möglichst viel selbst entscheiden?

Das sagt die Erzieherin

Definitiv ja. Wenn Kinder Entscheidungen treffen dürfen, lernen sie, ihren eigenen Geschmack zu entwickeln, sich eine Meinung zu bilden und für ihre persönlichen Belange einzustehen. Außerdem formen sie ihre Persönlichkeit und werden zu mündigen, denkenden und selbstständig handelnden Menschen. Sie erfahren, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu tragen. Das ist ein sehr wichtiger Schritt in ihrer Entwicklung. Aber: Die Erwachsenen sollten auch darauf achten, die Kinder nicht zu überfordern. Kinder entscheiden oft aus dem Moment heraus und müssen erst lernen, Situationen realistisch einzuschätzen. Ihr Entscheidungsspielraum sollte also unbedingt ihrem Alter und ihrer Fähigkeit, bewusst zu reflektieren, angepasst sein. Erst mit ungefähr zehn Jahren sind Kinder in der Lage, die Konsequenzen ihres Handelns abzuschätzen und Entscheidungen mit Blick auf die Zukunft zu treffen. Je jünger Kinder sind, umso überschaubarer und kleiner sollte ihr Entscheidungsspielraum sein. Das kann mit zwei Wahlmöglichkeiten in Bezug auf eine simple Frage beginnen und dann nach und nach in einem von den Erwachsenen gesteckten Rahmen erweitert werden.

Das sagt der Vater

Klare Antwort: ja. Kinder stärkt es, wenn ihre Eltern ihnen vertrauen und sie sich ausprobieren dürfen. Wenn sie selbst entscheiden dürfen, welche Schuhe sie heute anziehen wollen und ob und wie sie die Rutsche hochklettern. Zugegeben: Die Entscheidung der Tochter, bei 30 Grad Außentemperatur die Winterstiefel anzuziehen, ist schwer zu akzeptieren. Es ist meine Aufgabe als Vater zu schauen, in welchen Situationen meine Kinder mit ihrer Freiheit umgehen können, sie dann machen zu lassen – und mit den Folgen umzugehen. Wenn der Sohn tatsächlich von der untersten Leitersprosse fällt, hat er einen blauen Fleck und ich tröste ihn. Viele Entscheidungen nehmen wir unseren Kindern aus Bequemlichkeit ab, damit es schneller geht, kein Geschrei gibt, die anderen nicht komisch schauen. Aber letztlich ist doch wichtig, dass die Tochter selbstbewusst in der selbstgewählten Kombi aus gestreifter Leggins und kariertem Kleid in den Kindergarten geht, und nicht, ob deshalb jemand an meinem Modegeschmack zweifelt.

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