Es geschieht noch vor dem ersten Schritt. Kleinkinder ziehen sich an Möbeln hoch und freuen sich über die neue Perspektive. Bald folgt der Versuch, sich auf das Sofa oder den Sessel zu hieven. Später erobern sie auf diese Weise Spielgeräte und Bäume – und lösen damit bei ihren Eltern gelegentlich Herzflattern aus. Dabei handelt es sich beim Klettern um eine natürliche Bewegungsform, die Kinder intuitiv ausüben. „Im Prinzip ist Klettern eine logische Fortführung des Krabbelns und Laufens“, sagt Dr. Nina Rebele, Klettertrainerin und Autorin (siehe Buchtipp). Kindern falle das Klettern
daher meist sogar leichter als Erwachsenen, weil diese die entsprechenden Bewegungsabläufe wieder verlernt haben. „Oft muss man einem Erwachsenen Klettersequenzen erklären, die ein Kind einfach ohne Anleitung ausführt.“ Zudem seien Kinder durch das viele Klettern beim Spiel an die Vertikale gewöhnt und daher eher angstfrei.
An bunten Griffen nach oben
In den vergangenen zwanzig Jahren hat das Hallenklettern enorm an Beliebtheit gewonnen, parallel entwickelte sich vielerorts das Angebot. In Kletterhallen finden sich künstliche Kletterwände mit einer Höhe von bis zu 20 Metern. In die Wände sind verschiedenartige Griffe geschraubt, deren Farben die einzelnen Kletterrouten mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden markieren. Über 400 Hallen gibt es derzeit in Deutschland, mehr als die Hälfte davon unterhält der Deutsche Alpenverein (DAV). Zu unterscheiden sind Kletterhallen mit oder ohne Boulderbereich von reinen Boulderhallen. Unter Bouldern versteht man das Klettern ohne Sicherung in Absprunghöhe, weiche Matten federn die Landung ab. Für Kinder unter sechs Jahren eignet sich diese Disziplin besser als das Klettern am Seil. „Die Anfänge sind etwas schneller zu
erlernen, da man sofort loslegen kann und sich nicht erst mit Techniken wie dem Sichern oder Abseilen befassen muss“, erklärt Nina Rebele. Aufgrund der Verletzungsgefahr empfiehlt es sich trotzdem, gemeinsam einen Kurs zu besuchen; besonders, wenn die Eltern selbst unerfahren sind. „Bouldern birgt einige Gefahren, die Eltern und Kinder verstehen müssen, um den Sport verletzungsfrei ausüben zu können. Es ereignen sich mehr Unfälle als beim Seilklettern“, sagt Rebele, deren drei Kinder selbst klettern.
Eigenes Interesse und eine gewisse Angstfreiheit sind die besten Voraussetzungen dafür, dass ein Kind in der
Kletterhalle Freude hat. Wichtig sind außerdem eine entsprechend entwickelte Hand-Augen-Koordination, eine gewisse Selbstkontrolle und Aufmerksamkeitsspanne des Kindes. Verliert es zwischendurch die Lust, kann man es mit Spielen motivieren, etwa kleine Gegenstände auf den Klettergriffen platzieren – oder einfach eine Pause einlegen. Wie bei allen Sportarten gilt: Der Spaß sollte für die Kinder an erster Stelle stehen.
Ganzkörpertraining
Nicht nur auf die Laune, auch auf die Motorik wirkt sich Klettern äußerst positiv aus, denn es beansprucht alle Muskelgruppen. Die Griffe unterscheiden sich in Form und Größe und erfordern verschiedene Greif- und Trittbewegungen. „Die Kinder erweitern ihr Bewegungsrepertoire, ihre Balancefähigkeit, ihren Sinn für Gefahr und ihre Körperkraft“, sagt Nina Rebele. Neben der Kondition werden außerdem Konzentrationsfähigkeit, Koordination und Wahrnehmung geschult. Besonders
kräftig sein muss man aber nicht, um mit dem Klettern anzufangen. „Man wird stärker, je häufiger man klettert. Für Anfänger und Kinder gibt es daher entsprechende Routen; hier kann jeder seinem Leistungsstand entsprechend mit dem Klettern beginnen“, erklärt die Trainerin. „Dass man dann quasi nebenbei stärker wird, ist ein weiterer schöner Effekt dieser wunderbaren Sportart.“
Hallenklettern
Unterschieden wird zwischen Toprope und Klettern im Vorstieg. Beim Toprope-Klettern hängt das Seil vom oberen Ende der Kletterroute herab. Beim Klettern im Vorstieg muss der Kletternde das Seil auf dem Weg nach oben selbst in die Zwischensicherungen einhängen. Da er bei einem Sturz bis zur letzten Zwischensicherung fällt, sollte das Klettern im Vorstieg unbedingt in einem Kurs erlernt werden. Für Anfänger empfiehlt sich daher das Toprope-Klettern, auch hier sollte man das Sichern in einem Kurs erlernen. Eine Tageskarte kostet je nach Halle im Schnitt zwischen 6 und 10 Euro.
Ausrüstung: Bis zum Grundschulalter sollte ein Komplettgurt verwendet werden, später können Kinder einen Hüftgurt tragen. Gurte, Kletterschuhe und gegebenenfalls Magnesia kann man meist gegen eine geringe Gebühr vor Ort leihen. Beim Kauf: beraten lassen, auf Prüfzeichen achten und anprobieren. Fachgeschäfte besitzen in der Regel eine kleine Kletterwand zum Testen.
Bouldern
Beim Bouldern klettert man ohne Seil in Absprunghöhe. Ein Gurt ist nicht erforderlich, Kletterschuhe sind auch hier sinnvoll. Erwachsene können Kinder bei Bedarf „spotten“, also hinter ihnen stehen und sie im Falle eines Sturzes stabilisieren oder umlenken. Fallen und Abspringen von der Wand auf die Matte sollten geübt werden. Manche Hallen
besitzen eigene Boulderbereiche für Kinder.
Felsenklettern
Draußen am Fels sollten Eltern mit ihren Kindern nur dann bouldern oder klettern, wenn sie selbst erfahrene Kletterer sind und die nötige Ausrüstung besitzen.