Als ich noch jung und Single war, war das Leben einfach. Jedenfalls am 24. Dezember. Denn egal ob ein Single 22 oder 33
Jahre alt ist, gefeiert wird „daheim“. Auflehnung zwecklos, die Argumente sind leider aufseiten der ehemaligen Erziehungsberechtigten. O-Ton Mutti: „Wo willst du denn sonst hin?“
Seit ich Nachwuchs habe, ist die Sache komplizierter geworden. Die ersten Jahre ging es noch. Da gab es nur ein Kind und außerdem keinen Erzeuger, der sich näher interessiert hätte. Also lautete die Devise: an den Feiertagen weiterhin „ab nach Hause“. Immerhin kann eine gestresste Alleinerziehende dort drei Tage lang die Beine hochlegen. Und Mutti-und-Vati, die jetzt Omi-und-Opi heißen, geben sich alle Mühe, den Besuch mit Stollen und Weihnachtsgans bei Laune zu halten.
Ab dem zweiten Kind wurde alles anders. Jetzt ging es mir genauso wie den anderen jungen Familien in diesem Land. Man redet zwar nicht darüber – aber Weihnachten ist für Paare mit Kleinkindern ein gefährlicher Drahtseilakt. Jahr um Jahr muss die knappe Zeit salomonisch verteilt werden. Jeder will die süßen Enkel sehen, familiäre Treue wird in gemeinsamen Mahlzeiten gemessen. Überall lauern enttäuschte Gesichter. „Was, ihr fahrt nach dem Frühstück wieder? Ich hatte euch doch fest fürs Mittagessen eingeplant!“
Von gelungenen Feiertagen darf man erst dann sprechen, wenn beide Großelternpaare sich mindestens 36 Stunden lang am sabbernden Nachwuchs erfreuen konnten. Schwieriger wird’s, wenn die Großeltern getrennt sind. Oder wenn Ex-Partner, Stiefkinder, Halbgeschwister und große geografische Entfernungen dazukommen. Dann haben sich alle beteiligten Erwachsenen wegen der Weihnachtsplanung seit Oktober mindestens drei beleidigte SMS geschrieben, zweimal am Telefon angemotzt und einen
heimlichen Nervenzusammenbruch gehabt. Am liebsten würde man die ganze Sache ausfallen lassen.
Geht natürlich nicht. Und so haust die junge Familie an den Feiertagen auf dem Rücksitz ihres Kombis, den Kofferraum
bis unters Dach vollgestopft mit Reisebett, Kinderwagen, Babynahrung, Taschen und Geschenken. Zwischen dem 23. und dem 26. Dezember werden ungefähr 14 Stunden auf der Autobahn verbracht, eine Tatsache, die die Kinder in ihren engen Sitzen mit stundenlangen Schreiarien kommentieren.
Was hilft? Leider nur Geduld und Spucke. Und, ja, noch mehr Nachwuchs! Denn: Familien ab drei Kindern dürfen an Weihnachten zu Hause bleiben. Jetzt müssen die Großeltern und andere Anverwandte ihren (pardon!) Hintern bewegen. Die Großfamilie hat nämlich nun offiziell das Recht erworben, sich an den Feiertagen im eigenen Wohnzimmer auf den Keks gehen zu dürfen.
Die Sache hat einen winzigen Haken. Ich sage nur: Einladungsmanagement. Wer nach August damit anfängt, hat schon verloren. Um Unmut zu vermeiden, müssen alle Mitglieder der weit verstreuten Sippe rechtzeitig angesprochen und aufs Herzlichste ins traute Heim eingeladen werden. Und lasset auch die gebrechlichen Urgroßeltern und die ledigen Brüder, die verwitweten Großtanten und die schusseligen Au-pair-Mädchen kommen!
Übrigens: Heimlich Urlaub buchen gilt nicht. Da müssen wir jetzt durch. Es ist schließlich Weihnachten.