Dadada. Mama. Ball. Muh. Wenn Kleinkinder die ersten Silben formulieren, ist das für ihre Eltern ein großer, ja fast magischer Moment. Sprache bedeutet Weltentdeckung. Und nicht nur das. Man kann diese tollen Werkzeuge, die Worte, sogar kombinieren. „Wauwau weg?“ So entstehen Fragen. Und irgendwann Dialoge. Die kindliche Sprachentwicklung ist gut erforscht, Eltern unterstützen sie oft intuitiv, indem sie mit Babys langsam und melodisch sprechen. Nach den Bezeichnungen für Menschen, Tiere und Gegenstände kommen bald erste Verben hinzu. „Auch Wörter über Gefühle und innere Zustände“ seien bei
Ein- bis Zweijährigen bereits vorhanden, schreibt Entwicklungs psychologin Gisela Szagun in ihrem Buch Das Wunder des Spracherwerbs (Beltz).
Ab jetzt geht alles ganz schnell. Die Sätze werden länger, die Aussagen komplexer, der Wortschatz explodiert. Und bald kommt schon der Tag, an dem viele Eltern sich ungläubig die Augen reiben – angesichts der Vehemenz und Entschlossenheit, mit der ihre Kinder plötzlich verbal auftreten.
Nein! Will nicht!
Die Nein-Phase kennen alle Eltern. Die wenigsten mögen sie. „Wir reagieren sehr empfindlich, wenn ein Kind zu einem
Erwachsenen Nein sagt“, erklärt Barbara Leitner, die als Coach für Gewaltfreie Kommunikation in Berlin arbeitet. Sie rät den Eltern, sich in die kindliche Perspektive hineinzuversetzen. Wie oft hört ein Kleinkind ein mürrisches, entnervtes, manchmal sogar aggressives Nein von einem Erwachsenen? Sehr oft. „Das empfinden wir als ganz normal.“ Die meisten Kinder
machen früh die Erfahrung, dass Sprache als Machtinstrument gebraucht wird. Und dass die Erwachsenen am längeren Hebel sitzen und Befehle geben. „Das Nein ist dann das einzige Mittel, das ihnen in diesem Machtkampf zur Verfügung steht.“ Was
hilft? Weniger kämpfen, mehr aufeinander eingehen.
Nach einem langen Kindergartentag sind die Kleinen oft völlig erledigt. Kaum kommen Mama oder Papa um die Ecke, rollen die Tränen oder fliegen verbal die Fetzen. „Wir vergessen häufig, dass die Kinder den ganzen Tag nach unseren
Bedingungen erleben sollen“, sagt Leitner. Ein Kind, das täglich um vier Uhr die Sirenen anstellt und nur noch lamentiert, „das braucht vielleicht genau diese Entladung.“ In der Gewaltfreien Kommunikation geht es darum, sich in solchen Situationen weder wortlos abzuwenden noch zum lautstarken Angriff überzugehen. „Stattdessen sollte man versuchen, in Verbindung zu bleiben.“ Das Stimmungstief des Nachwuchses nicht ignorieren, aber auch nicht jedes Wort auf die Goldwaage
legen. Dass Kinder in diesem Alter auch Wörter aufschnappen und ausprobieren, die Eltern missfallen, ist ganz normal. Die Kacka-Pups-Phase geht zum Glück schnell wieder vorbei.
Blöde Mama, doofer Papa
Schwer auszuhalten und doch in fast jeder Familie schon vorgekommen: Das Kleinkind beschimpft seine Eltern. Bedient sich grober Ausdrücke, schreit, tobt, wütet. Für Leitner sind solche Ausbrüche Zeichen von großer Not: „Das Kind ist vermutlich in diesem Moment mit irgendetwas sehr unzufrieden, sonst würde es nicht zu solchen drastischen Mitteln greifen.“ Die schwierige Aufgabe der Eltern: Auf keinen Fall Gleiches mit Gleichem vergelten. Sondern durchatmen und auf die Botschaft
hinter den Worten lauschen. Statt mit Feststellungen lieber mit Fragen reagieren: Ist irgendwas schiefgelaufen? Bist du wütend? „Dann unbedingt eine Pause einlegen“, sagt Leitner. „Dem Kind Raum lassen.“ Das bedeute nicht, dass man die eigene Position gleich aufgeben muss. „Eventuell kann man sie ein wenig korrigieren.“
Hey Alter, laber nicht
In der Vorschulzeit machen Kinder eine Art frühe Pubertät durch. So jedenfalls kommt es vielen Eltern vor.Da werden coole Sprüche geklopft und vor allem Jungen lassen gerne den Halbstarken raushängen. Doch was, wenn sich mit zunehmendem Alter sexistische oder rassistische Bemerkungen in die Unterhaltungen einschleichen? Oder wenn die Kinder immer öfter
respektlos gegenüber anderen Kindern und Erwachsenen auftreten? Leitner warnt davor, gleich auszuflippen. „Trotzdem ist es absolut richtig, Haltung zu zeigen.“ Wer ruhig und authentisch bleibt, hat die größten Chancen, von seinem Nachwuchs gehört zu werden. „Man kann schon einem Fünfjährigen erklären, dass man bestimmte Wörter nicht mag. Und dass es andere Menschen
kränkt, wenn man auf diese Weise mit ihnen oder über sie spricht.“ Wer eine stabile Verbindung zu seinem Kind hat, erreicht mit solchen besonnenen Unterhaltungen viel mehr als mit Verboten. Die meisten Kinder hätten, so Leitner, ohnehin sehr feine Antennen, wenn es um Fairness und Menschlichkeit geht.
Generell gilt: Die Kinder sind unsere Echokammern. Wie man hineinruft, so schallt es heraus. Leitners wichtigste
Botschaft an Eltern, die nicht weiterwissen: „Um Rat fragen, sich Hilfe holen.“ Befreundete Eltern oder die ErzieherInnen
im Kindergarten sind dabei wichtige Ansprechpartner. „Oft hilft schon die Erkenntnis, dass man mit dem Problem nicht alleine ist.“ Zusammen können die Erwachsenen überlegen, wie der zwischenmenschliche Umgang wieder freundlicher und liebevoller gestaltet werden kann.