Es ist nicht zu überhören. Da brüllt jemand laut „Mama!“ im Hintergrund. Gefolgt von einem unverständlichen Satz in hohem Quengelton. Gefolgt von weiteren, dringlicher werdenden „Mama!“-Rufen. Es ist 10:43 Uhr an einem Donnerstag. Am anderen
Ende der Telefonleitung eine Mitarbeiterin einer großen Institution. Ob wir unseren Termin verschieben könnten? Ihr Kind … sei leider heute nicht in der Kita … Ihre Stimme klingt zerknirscht. Kenn ich, weiß ich, macht doch nix, möchte ich ihr zurufen.
Mein erster großer Auftrag in Berlin? Wurde ausgeführt im Wohnzimmer, Laptop auf den Knien, das fiebernde Kleinkind lag lethargisch auf der Couch, ich hatte es mit einem Auge im Blick. Jahrelanger Klassiker: Homeoffice, weil eins der Kinder über Bauch- oder Halsschmerzen klagte. Wenn wichtige Anrufe kamen, hieß es „Bitte mal kurz ab ins Kinderzimmer, Tür zu. Mama muss dringend was arbeiten.“
Ich habe förmlichste Geschäftskorrespondenzen am Küchentisch erledigt. Neue Aufträge auf dem Badewannenrand sitzend verhandelt, weil das der einzige ruhige Ort in der Wohnung war. Ich habe wildeste Pantomimen aufgeführt, wenn die Kinder plötzlich mitten in einem wichtigen Gespräch das Fernsehprogramm gewechselt haben wollten. Moment, ich komm ja gleich!
Und ja, auch das ist wahr: Ich habe meine Kinder mit noch nicht ganz ausgeheiltem Husten in die Kita geschickt. Weil: Ich! Kann! Heute! Nicht! Zu Hause! Bleiben! Die Arbeit ruft einfach zu laut.
Es tut mir NICHT leid, dass ich Mutter bin
Was für ein Stress. Und wozu? Um allzeit super-professionell zu wirken und hyper-dyper-pflichtbewusst?
Plötzlich auftretende Kinderkrankheiten sind bei zwei arbeitenden Elternteilen familiäre Katastrophen. Schon am Frühstückstisch maulen sich zwei mürrische Erwachsene an. Wer geht zum Kinderarzt, wer bleibt heute, wer morgen daheim? Stöhnen. Augenrollen. Dann wird mit Deadlines und Meetings argumentiert. Heute muss ich ins Büro! Ich aber auch! Die Stimmung fällt auf den Nullpunkt.
Kranke Kinder sind in unserem System irgendwie nicht vorgesehen. Klar, es gibt diese Arbeitnehmerregelungen, so und so viele Tage pro Jahr kann man frei nehmen. Aber wer traut sich schon, das auszureizen? Und bei Selbstständigen oder Freiberuflern sieht es noch finsterer aus. Denn den Auftraggebern ist meist egal, unter welchen Umständen die Arbeit erledigt wird. Hauptsache, sie ist pünktlich fertig.
Wenn wir diesen Irrsinn schon brav mit machen, dann sollten wir wenigstens aufhören, uns zu rechtfertigen. Nein, es tut mir NICHT leid, dass ich ein Kind habe, das heute krank ist und im Hintergrund Geräusche macht. Es tut mir auch nicht leid, dass ich Mutter bin. Ich brenne nicht uneingeschränkt fürs Bruttosozialprodukt. Im Gegenteil. Ich bin stolz, dass da Nachwuchs ist, der unter meiner Obhut wächst und gedeiht. Ab und zu fängt er sich halt mal einen Virus ein. Die deutsche Wirtschaft wird’s verkraften.
Also bitte, liebe Mamas und Papas: Nie wieder verdruckste Entschuldigungen, weil unsere Kinder so sind, wie sie sind. Manchmal laut, manchmal ungeduldig, manchmal krank. All das ist ihr gutes Recht.