Wenn wir Eltern meckern und laut werden, sind das Warnsignale, die wir ernst nehmen sollten. Denn irgendwie sind wir über unsere Grenzen gegangen beziehungsweise wurden unsere Grenzen verletzt. Ein Wutanfall ist Ausdruck von Frustration, nicht nur bei Kindern. Wir wollen nicht mehr! Doch die Kunst liegt darin, rechtzeitig zu spüren, dass unsere Grenzen überschritten werden, und mit einem klaren, unmissverständlichen „Nein, das will ich nicht!“ vorzubeugen. Dies gelingt nur, wenn Sie wissen, was Sie möchten und was nicht – und indem Sie die Hoffnung aufgeben, Ihr Kind würde schon von alleine merken, dass es jetzt zu weit geht. Der Klassiker: „Siehst du nicht, dass ich telefoniere?“ Natürlich sieht das Kind dies, und trotzdem fordert es Aufmerksamkeit. Schon eskaliert die Situation.
Eine mögliche Reaktion wäre zum Beispiel: „Ich telefoniere jetzt und will nicht gestört werden; gehe bitte raus.“ Aua, das tut weh, oder? Ich soll mein Kind wegschicken? Ja. Denn so vermeiden Sie, dass sich Ihr Frust anstaut und Sie zum Schreien verleitet. So wird Ihr Kind zwar enttäuscht sein („Mama will jetzt nicht mit mir reden“). Doch es ist nicht verletzt, wie es das nach einem gebrüllten „Immer nervst du mich!“ wäre.
Wird ein Kind oft abgewertet, dann prägt sich dies ein. Hier liegt der Nährboden für die Überzeugungen, die Erwachsenen später zu schaffen machen. „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich bin ein Tollpatsch“ sind typische Vertreter solcher Selbstwahrnehmungen. „Wenn Mama und Papa das so oft sagen, dann muss es ja wahr sein“ – diese Haltung nimmt ein Kind irgendwann ein. Deshalb ist es für eine gesunde seelische Entwicklung so wichtig, dass Eltern ihre Kinder nicht herabsetzen.
Und doch gibt es im Familienalltag immer wieder Situationen, die Mütter und Väter an den Rand der Selbstbeherrschung bringen. Dass einem gelegentlich die Hutschnur platzt und man laut wird, ist absolut menschlich
und keineswegs Erziehungsversagen. Kinder reagieren manchmal erst bei einer gewissen Lautstärke. Außerdem brauchen sie Eltern, die menschlich und authentisch sind – und nicht perfekt. Daneben brauchen Kinder aber auch Eltern, die Verantwortung übernehmen für ihr Verhalten. Nach einem Schreianfall kann man sagen „Es tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe.“ Punkt. Das reicht. Keine Rechtfertigung oder lange Erklärung wieso und weshalb. Schon gar nicht die Schuld dem Kind zuschieben nach der Devise „Wenn du auf mich gehört hättest, dann hätte ich nicht zu schreien brauchen.“
Die elterliche Führungsrolle anzunehmen bedeutet zu prüfen, wie man zukünftig klarer und deutlicher seine
Botschaft äußern kann, sowohl verbal als auch nonverbal. Damit es gar nicht erst zu einer Überforderung kommen muss, die sich dann lautstark entlädt. Wenn Sie das Gefühl haben, Ihre Kinder zu oft anzuschreien, fragen Sie sich
einmal, wo Ihre eigenen Grenzen verletzt werden. Sind es die Kinder oder der Partner oder die Kollegen oder der
Chef oder etwas ganz anderes? Häufig bekommen Kinder Reaktionen ab, die gar nichts mit ihrem Verhalten zu tun haben. Das ist unfair!
Raus aus der Schreifalle
- Gehen Sie nicht zu hart mit sich ins Gericht und pflegen Sie nicht Ihr schlechtes Gewissen. Schreien darf ab und zu mal sein.
- Wer schnell schreit, ist frustriert. Fragen Sie sich, ob das Verhalten Ihres Kindes Sie frustriert oder ob Ihr
Kind nur der Blitzableiter ist.
- Übernehmen Sie in beiden Fällen die Verantwortung für das Schreien und entschuldigen Sie sich mit einfachen
Worten.
- Finden Sie die wahre Ursache für Ihre Gereiztheit und ändern sie diese.