Kindliche EntwicklungLernen ist ein Kinderspiel

Eltern wollen die Entwicklung ihrer Kinder möglichst gut unterstützen. Die wissen aber oft selbst am besten, wie und wann sie die Welt für sich entdecken

Wo will die Schnecke denn hin? Die Natur ist für Kinder ein spannendes Lernfeld
Wo will die Schnecke denn hin? Die Natur ist für Kinder ein spannendes Lernfeld© Imgorthand - iStock

Im Prinzip ist die kindliche Entwicklung ein Selbstläufer. Irgendwann essen alle Kinder ihren Brei, nur um wenig später den Löffel selbst zu halten. Sie lernen sitzen, krabbeln und laufen, sagen das erste Wort, dann ganze Sätze. Mit etwa dreieinhalb Jahren haben sie nicht nur ein Gefühl für das eigene Selbst entwickelt, sondern brauchen in der Regel auch keine Windel mehr. Natürlich sind die Eltern stolz – auf den Nachwuchs und die eigene Leistung. Immerhin haben sie dank pädagogisch wertvoller Bauklötze, musikalischer Frühförderung und der Auswahl des richtigen Kindergartens einen Löwenanteil für die prächtige Entwicklung geleistet. Eine Illusion, wie ein Blick in die Forschung zeigt. „Für grundlegende Fähigkeiten wie Laufen oder Sprechen gibt es genetisch angelegte Programme, die bereits im Mutterleib beginnen. Eine ausgefeilte Förderung ist oft nicht nötig, viel wichtiger ist gemeinsame Zeit mit Bewegung in der Natur, mit Spielen oder Vorlesen“, sagt Henrik Saalbach, Professor für die Psychologie des Lernens an der Uni Leipzig.

Erfahrungen speisen die Gehirnentwicklung

Denn in den ersten Lebensjahren unterstützen die in der Familie gemachten Erfahrungen die programmierte Entwicklung der Kinder. Sie spielen somit beim Lernen eine große Rolle. Ein Beispiel dafür ist die Sprache. Überall auf der Welt lernen Kinder ungefähr mit ein bis zwei Jahren sprechen. Von der Umwelt hängt ab, welche Muttersprache sie erlernen und wie groß ihr Wortschatz wird. Eltern können diese Entwicklung durch Vorlesen, Zuhören und Gespräche fördern. Auch der Austausch mit anderen Kindern stärkt die Sprachkompetenzen. Mit ihren Altersgenossen sprechen sie über Einhörner, Monster und unsichtbare Freunde oder proben Familiendialoge auf dem Klettergerüst. Dabei erklären sie ihre Gedankenwelt bis ins kleinste Detail, allein schon, um die anderen Kinder ins Spiel einzubeziehen. „Sozialer Austausch ist wichtig für unsere Entwicklung. Im gemeinsamen Spiel erweitern Kinder nicht nur ihren Wortschatz, sondern drücken auch ihre Emotionen aus, sie erweitern ihr Wissen und bewegen sich“, sagt Saalbach. Die Bewegung spielt beim Lernen ohnehin eine nicht zu unterschätzende Rolle. In den ersten drei Lebensjahren ist der Körper so etwas wie der Motor der Entwicklung. Ein Kind lernt über Bewegungen sich selbst und die Umwelt kennen und erlebt mit den ersten eigenen Schritten den enormen Zuwachs seiner Selbstständigkeit. Selbstwirksamkeit ist ebenfalls eine wichtige motorische Erfahrung. Das Kind tritt gegen einen Ball, dieser fliegt weg und es stellt fest: Ich habe das gemacht.
Auch bei diesem Erfahrungslernen ist keine allzu große Unterstützung nötig. Kinder sind von Natur aus begeisterte Lerner. Sie wissen, welcher nächste Lernschritt für sie am besten ist. Sie probieren selbstständig Dinge aus, gleichen die gemachten Erfahrungen mit ihrem Wissen ab und erweitern so ständig ihren Horizont. Ein Beispiel: Kinder lernen schon früh ihre Welt „zu begreifen“ und machen dabei spannende Erfahrungen. Fassen sie zum Beispiel ins Wasser, stellen sie fest, dass Wasser nicht nur nass ist, sondern sich auch schwer greifen lässt. Deshalb probieren sie andere Greifbewegungen aus, zum Beispiel das Schöpfen. „Widersprüche, wie das schlecht greifbare Wasser, sind wichtig für Kinder. Sie erweitern ihr Verständnis der Welt“, sagt Claudia Mähler, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Uni Hildesheim. Eine wichtige Aufgabe der Erwachsenen sei deshalb, Kindern neue Erfahrungen und Widersprüche zu ermöglichen und ihnen dabei genug Raum und Zeit zu geben, eine eigene Lösung für ein Problem zu finden. Das stärke nicht nur den Lernerfolg, sondern fördere auch die emotionale Entwicklung. Die Kinder gewinnen an Selbstvertrauen – und das Gefühl: Ich schaff das, ich kann das. Solche wertvollen Selbsterfahrungen sind auch wichtig, um die Mädchen und Jungen auf den Schulstart vorzubereiten.

Übergang zum schulischen Lernen ist fließend

Dieser rückt im letzten Kindergartenjahr in den Fokus. Auf den ersten Blick ist die Liste der Anforderungen für die Schule lang: Sprachgefühl, das Erkennen von Silben oder eine erste Vorstellung von Mengen. Sozio-emotionale Fähigkeiten sind besonders wichtig. In der Grundschule sind die Großen auf einmal wieder die Kleinen. Sie müssen lernen, mit ersten „Lernrückschlägen“ umzugehen und Konflikte auf dem Schulhof auszuhalten. Konzentration und Selbstregulation sind für den Unterricht wichtig. „Bei der Vermittlung der vorschulischen Kompetenz darf trotzdem kein Druck entstehen. Auch hier sollte ein spielerischer Ansatz im Mittelpunkt stehen“, sagt die Psychologin. Viele der für die Schule relevanten Fähigkeiten werden ohnehin schon früher und ganz nebenbei erlernt. Im Morgenkreis hören die Kinder anderen zu, auf dem Spielplatz werkeln sie gemeinsam und finden Kompromisse mit ihren Altersgenossen. Beim Spielen zählen und sortieren sie Bauklötze oder Murmeln. Auch Singen und Abzählreime beispielsweise helfen dabei, Sprache und mathematische Vorstellungen zu fördern. „In der Vorschule bekommen die Kinder natürlich mehr Input als früher. Oft fordern sie genau diese geistige Herausforderung selbst ein. Vier- bis Fünfjährige wollen die Welt bis in kleinste Detail verstehen und stellen mehr Fragen“, sagt Mähler. Für systematisches Lernen, mit Schulheft, Schreiben und festen Unterrichtszeiten, ist es im Kindergarten noch zu früh. Dieses sogenannte konkret -operative Denken erlernen Kinder mit etwa sechs bis sieben Jahren – und dann sind sie sowieso bereits eingeschult.

kizz Elterntipps

Der Entwicklung Raum geben

Kinder an die Macht. Beim Lernen gehen die Interessen der Kinder vor, nicht die Vorstellungen der Erwachsenen. Die Eltern sorgen für den richtigen Rahmen.

Familienzeit macht glücklich. Gemeinsame Unternehmungen bringen Spaß für alle und fördern die Entwicklung der Kinder.

Einfach machen lassen. Eltern sollten ihrem Nachwuchs genügend Raum und Zeit für eigene Erlebnisse und das freie Spielen geben.

Vorlieben fördern. Die Leidenschaft und Interessen ihrer Kinder können Eltern natürlich engagiert unterstützen.

Dreck gehört dazu. Wertvolle Erfahrungen dürfen auch mal Chaos und Schmutz hinterlassen, etwas riskant oder ernüchternd sein.  

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