Die häufigsten Fragen zur SprachentwicklungSo sprechen wir!

Die Sprachexpertin Dr. Anke Buschmann beantwortet für kizz die 12 häufigsten Elternfragen zur Sprachentwicklung

"Mama, eiiii !". Schon früh kommen Kinder über Sprache in Kontakt© Daria Shevtsova - Pexels

Warum entwickeln sich manche Kinder sprachlich schneller als andere?

Wie schnell und wie gut ein Kind sprechen lernt, hängt entscheidend von zwei Faktoren ab: den Voraussetzungen des Kindes und den Sprachanregungen durch die Umwelt. Die sprachliche (genetische) Veranlagung spielt eine sehr große Rolle. Hinzu kommen Aspekte wie das Hörvermögen, die allgemeine Lernfähigkeit und das Interesse an Sprache. Die Umwelt kann den Spracherwerb unterstützen oder hemmen (siehe auch Frage 6). Die meisten Kinder sprechen mit zehn bis 14 Monaten ihre ersten Wörter („Mama“, „Papa“, „da“) und haben mit zwei Jahren bereits einen Wortschatz von 250 bis 600 Wörtern, wobei Unterschiede ganz normal sind.

Ist es besorgniserregend, wenn ein Kind mit zwei Jahren nur wenige Wörter spricht?

Fängt ein Kind etwas später mit dem Sprechen an, ist das zunächst kein Problem. Manche Kinder benötigen etwas mehr Zeit als andere. Eltern sollten jedoch aufmerksam werden, wenn ihr Kind mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter spricht und stattdessen auf Dinge zeigt, oder wenn es insgesamt nur wenig Interesse an Kommunikation hat. Undeutlich gesprochene Wörter und „Kinderwörter“ wie „Wau wau“ werden mitgezählt. Bei mehrsprachigen Kindern zählt die Summe der Wörter aller Sprachen. Eine Sprachverzögerung kann verschiedene Ursachen haben. Fachpersonen sollten das Hörvermögen, das Verständnis für Sprache, die allgemeine Entwicklung sowie das Kommunikationsinteresse überprüfen.

Was sind "Late Talker"?

Als Late Talker werden Kinder bezeichnet, die sehr spät anfangen zu sprechen und deren Wortschatz mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter umfasst. Weil sie ansonsten altersentsprechend entwickelt sind und oftmals sehr gut verstehen, was man zu ihnen sagt, unterstellt man ihnen fälschlicherweise „Sprachfaulheit“ und rät den Eltern zum Abwarten. Etwa die Hälfte holt den Sprachrückstand bis zum dritten Geburtstag von alleine auf. Die anderen haben weiterhin Schwierigkeiten und benötigen meist eine Sprachtherapie. Welches Kind aufholt und welches nicht, kann bisher niemand vorhersagen. Eltern können ihrem Kind jedoch helfen. Im „Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung“ lernen sie zum Beispiel, wie sie es besser beim Sprechenlernen unterstützen.

Fangen Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, später an zu sprechen?

Kinder, die von Geburt an mit mehreren Sprachen aufwachsen, sprechen erste Wörter manchmal etwas später. Den Rückstand holen sie aber rasch auf und haben mit zwei Jahren einen genauso großen Wortschatz wie einsprachige Kinder. Die Wörter verteilen sich allerdings auf die Sprachen. Das Kind kennt zum Beispiel Wörter aus der „Mamasprache“ und Wörter aus der „Papasprache“. Bleiben Sie geduldig, wenn Ihr Kind zunächst nur eine Sprache spricht. Sprechen Sie die anderen Sprachen weiter, ganz egal, in welcher Sprache Ihr Kind am liebsten antwortet. Denn wenn es die anderen Sprachen weiterhin hört, lernt es, diese zu verstehen und später auch zu sprechen. Spricht Ihr Kind mit zwei Jahren insgesamt nur wenige Wörter, liegt dies nicht an der Mehrsprachigkeit und eine Untersuchung der sprachlichen Fähigkeiten sollte stattfinden.

Welche Rolle spielt die Kommunikation mit den Eltern?

Die Eltern sind sehr wichtig, da sie viele Alltagssituationen mit ihren Kindern teilen. Jede gemeinsame Situation kann zum Sprechenlernen genutzt werden. Seien Sie ein gutes Sprachvorbild und zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sprechen Freude bereitet. Nutzen Sie gemeinsame Aktivitäten, um mit Ihrem Kind ins Gespräch zu kommen: miteinander essen, einkaufen, das Kind baden, Bücher anschauen. Wichtig ist, dass Sie Ihrem Kind gut zuhören, wenn es etwas erzählen möchte. Gehen Sie auf seine Interessen ein und ergänzen Sie das, was Ihr Kind noch nicht oder nicht richtig sagen kann, ohne es zu verbessern („Ich auch haben“, „Du möchtest auch etwas trinken.“). Verlangen Sie von Ihrem Kind jedoch nie, dass es ein bestimmtes Wort sagt oder nachspricht. Unter Druck lernt es sich schlechter.

Schadet zu viel Fernsehen der Sprachentwicklung?

Einen direkten Zusammenhang gibt es, wenn man Folgendes betrachtet: Ein Kind lernt nur dann gut sprechen, wenn jemand regelmäßig mit ihm spricht und auch auf das reagiert, was es sagt. Ein Fernseher kann dies nicht, es fehlt die Interaktion, die für das Sprechenlernen wichtig ist. Wenn ein Kleinkind also viele Stunden am Tag fernsieht oder auch anderes alleine tut, zum Beispiel auf dem Handy spielen, puzzeln oder Bücher anschauen, kann es nicht so gut Sprechen lernen. Neue Wörter lernt ein Kind immer dann besonders gut, wenn es diese wiederholt in einem Moment hört, in welchem es sich für sie interessiert. Das bedeutet, dass nicht allein die Fernsehdauer entscheidend ist. Vielmehr hängt der Spracherwerb davon ab, wie viele andere Spracherfahrungen ein Kind in Interaktion macht.

Lernen Mädchen generell schneller sprechen?

Zwischen Mädchen und Jungen besteht kein so großer Unterschied wie oft angenommen. Mädchen sprechen im Durchschnitt mit zwölf Monaten erste Wörter und Jungen mit 13 Monaten. In einigen Untersuchungen wiesen Mädchen einen größeren Wortschatz als gleichaltrige Jungen auf oder ihre Äußerungen waren länger. Der Vorsprung betrug jedoch maximal zwei Monate. Unterschiede lassen sich eher bei der Zusammensetzung des Wortschatzes (Puppen versus Fahrzeuge) und in der Verwendung von Sprache feststellen. Beides wird von sozialen Einflüssen geprägt, auf das einzelne Mädchen oder den einzelnen Jungen muss dies jedoch nicht zutreffen.

Ist es schlimm, wenn ein fünfjähriges Kind immer noch Probleme mit der Aussprache hat?

Mit dreieinhalb Jahren können die meisten Kinder nahezu alle Laute richtig aussprechen. Sie sind dann auch für fremde Personen gut zu verstehen. Zischlaute („ts“ wie in Zahn; „ch“ wie in Bücher; „sch“ wie Schlange und „s“ wie in sauber) werden erst später, mit vier oder fünf Jahren, richtig ausgesprochen. Wenn Kinder ihre vorderen Milchzähne verlieren, klingt das „s“ oft gelispelt, das ist normal. Wenn Ihr Kind mit vier Jahren mehrere Laute nicht korrekt ausspricht und es von Fremden häufig nicht verstanden wird, sollten Sie kinderärztlichen Rat einholen, denn vermutlich ist eine Sprachtherapie nötig.

Warum stottern manche Kinder?

Stottern ist eine Störung der Sprechflüssigkeit, die bei fünf Prozent der Kinder vorkommt und frühestens dann auftritt, wenn das Kind ganze Sätze spricht. Stottern ist keine Störung der Atmung und auch keine psychische Störung. Eltern tragen keine Schuld, wenn das Kind stottert. Die genetische Veranlagung spielt eine wesentliche Rolle. Sie können Ihr Kind unterstützen, indem Sie eine sprecherfreundliche Umgebung schaffen: Sprechen Sie selbst langsam, hören Sie geduldig zu (gut gemeinte Ratschläge wie „Lass dir Zeit“ oder „Sprich langsam“ sind nicht hilfreich) und lassen Sie Ihr Kind ausreden. Stotternde wissen genau, was sie sagen wollen!

Wann ist eine Logopädie sinnvoll?

Zeigt ein Kind sprachliche Auffälligkeiten oder sorgen sich die Eltern um die sprachliche Entwicklung ihres Kindes, sollte zuerst eine diagnostische Abklärung durch eine Fachperson erfolgen, denn Sprachprobleme können verschiedene Ursachen haben. Nach der Diagnostik kann beurteilt werden, ob und welche Art der Förderung oder Therapie erfolgen sollte. Eine Logopädie ist meistens sinnvoll, wenn ein Kind sehr spät anfängt zu sprechen, es im Vorschulalter einen sehr geringen Wortschatz hat, grammatische Fehler macht, die bei anderen Kindern nicht oder nicht mehr auftreten, es von Fremden nur schwer verstanden wird, es stottert oder in bestimmten Situationen (zum Beispiel in der Kita) gar nicht spricht. Scheuen Sie sich nicht, den Rat unterschiedlicher Fachpersonen einzuholen, wenn Sie das Gefühl haben, dass nicht alle Ihre Fragen ausreichend beantwortet worden sind.

Warum ist das Vorlesen so wichtig für die Sprache?

Das Vorlesen bietet den Kindern viele Möglichkeiten, um Sprache zu lernen. Allerdings ist bei der Auswahl des Buches zu berücksichtigen, wie alt das Kind ist und wie weit in der Sprachentwicklung. Achten Sie beim Vorlesen darauf, dass Ihr Kind den Inhalt auch versteht. Erklären Sie ihm wenig vertraute Wörter wie „Schlitten“, „Kutsche“ oder „Flitzer“ für „Auto“ und machen Sie zwischendurch immer wieder Pausen, in denen Sie mit Ihrem Kind über das Vorgelesene reden. Für Kinder unter drei Jahren eignen sich Bilderbücher. Schauen Sie sich die Bilder gemeinsam an und lassen Sie Ihr Kind dazu erzählen. Lassen Sie sich von Ihrem Kind leiten: Es wird Ihnen zeigen, was es interessant findet und worüber es reden möchte. Gehen Sie darauf ein und bieten Sie Ihrem Kind neue Wörter an. So macht Kindern das Buchanschauen viel Spaß. Und mit Spaß lernt es sich am besten.

Lernen Kinder, die in der Kita betreut werden, schneller sprechen?

Studien zeigen, dass die Entwicklung eines Kindes und so auch seine Sprachentwicklung mehr mit Faktoren innerhalb der Familie als mit den Bedingungen in der Kita zusammenhängen. Das bedeutet, dass die häusliche Umgebung und die Anregungen durch die Eltern die größte Rolle spielen. Denn für einen erfolgreichen Spracherwerb ist das sprachliche Angebot einer engen Bezugsperson besonders wichtig, und dies schon in der Säuglingszeit. Die Kita kann den Spracherwerb jedoch ebenfalls unterstützen, weil neben den Fachkräften auch andere Kinder Sprachvorbilder sind und Kinder gerne von anderen Kindern lernen. Mehrsprachigen Kindern können die Fachkräfte gut beim Deutschlernen helfen, in dem sie alltägliche Interaktionen bewusst zum Sprechen miteinander nutzen.

kizz info

Das Heidelberger Elterntraining zur frühen Sprachförderung (HET) hilft Eltern von Kindern mit verzögerter Sprachentwicklung, diese so zu unterstützen, dass sie rasch neue Wörter lernen und bald Sätze sprechen. Weitere Informationen und eine Liste mit zertifizierten Fachpersonen unter: www.heidelberger-elterntraining.eu

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