Die Mutter des kleinen Moritz hat den Wiedereinstieg in den Beruf genau geplant: Nach vierzehnmonatiger
Elternzeit wollte sie zurück in den Job, zunächst auf eine Teilzeitstelle. Weil sie wusste, dass in Berlin
Kitaplätze knapp sind, hat sie sich schon während ihrer Schwangerschaft mehrere Einrichtungen angeschaut. Eine kam in die nähere Wahl: großes Außengelände, Projektwochen, nettes Personal. „Aber ausschlaggebend waren die flexiblen Betreuungszeiten bis zum späten Abend und die Nähe zum Arbeitsplatz“, erzählt die 39-Jährige.
So wie Moritz’ Mutter geht es wohl den meisten Eltern in Deutschland: Bei der Entscheidung, ab wann, wie lange und wo die Kinder in die Kita gehen, stehen oft ökonomische und berufliche Faktoren im Vordergrund. Wie lange bleibe ich zu Hause? Hat die Kita flexible Öffnungszeiten? Ist sie gut erreichbar? Was kostet die Betreuung? Bei diesen Überlegungen geht oft ein zentraler Aspekt unter – nämlich der, welches Betreuungsmodell am besten
zu dem Kind passt.
Grundsätzlich brauchen Ein- und Zweijährige viel Nähe und Zuwendung, einen intensiven Kontakt mit einer vertrauten und liebevollen Person sowie differenzierte Angebote und Anregungen, um sich gut zu entwickeln. Wenn die Qualität in der Krippe stimmt, dann ist ein Aufenthalt für sehr kleine Kinder nicht nur unproblematisch, sondern kann auch ein Gewinn sein, wie verschiedene Studien belegen. Unter anderen befasst sich die Psychologin
Lieselotte Ahnert seit vielen Jahren mit dem Thema. Entscheidend dafür, dass sich gerade ein- bis eineinhalbjährige Kinder wohlfühlen und gut entwickeln, sind kleine Gruppen mit Erzieherinnen und Erziehern, die prompt reagieren und individuell auf die Kinder eingehen – so lassen sich die Erkenntnisse zusammenfassen, die sie in ihrem Buch Wieviel Mutter braucht ein Kind? veröffentlicht hat.
Das bedeutet aber auch, dass sich eine Fachkraft rechnerisch nicht um mehr als drei Kleinkinder gleichzeitig kümmern sollte. Diesen Standard erfüllen in Deutschland jedoch nur die wenigsten Einrichtungen. Laut dem Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme, mit dem die Bertelsmann Stiftung regelmäßig den Status quo abbildet, gibt es große Qualitätsunterschiede zwischen einzelnen Landkreisen und Kommunen, sogar innerhalb einer Stadt. „Fragen Sie daher immer in der Kita nach, wie viele Fachkräfte welche Gruppe betreuen“, rät Anette Stein, die bei der Stiftung den Ländermonitor betreut. Denn diese Anzahl kann je nach Träger variieren, hängt aber auch vom Konzept ab. Inklusive Kitas haben einen höheren Personalschlüssel und können aufgrund ihrer Ressourcen unter Umständen besser arbeiten als andere.
Es hat sich einiges getan
Dass Familien heute die Betreuungsfrage ihrer Kinder unter Vereinbarungs- und Gleichberechtigungsaspekten
diskutieren, ist ja auch ein großer Fortschritt. Lange hemmten fehlende Betreuungssysteme und ein verqueres
Mutterideal die berufl ichen Wünsche vieler Frauen; und für Männer gab es nur wenige Möglichkeiten, sich Zeit für ihre Kinder zu nehmen. Inzwischen hat ein Wertewandel stattgefunden, auch befeuert durch verschiedene gesetzgeberische Maßnahmen. Etwa das ElterngeldPlus, das Väter und Mütter in Teilzeit beziehen können und das immer beliebter wird.
Trotzdem empfehlen Experten wie Anette Stein, den Wiedereinstieg in den Beruf auch vom Kind aus zu denken,
sofern man die Möglichkeit dazu hat. Manche Kinder sind sehr kontaktfreudig und brauchen reichlich Anregungen von außen, andere sind von einer lauten Umgebung und vielen Reizen überfordert. „Für diese Kinder ist es dann einfach
Stress, schon mit einem Jahr in die Kita zu gehen. Sie sind dann womöglich noch eine Zeit lang zu Hause besser aufgehoben“, sagt Stein. Auch zu lange Betreuungszeiten können für ganz kleine Kinder sehr anstrengend sein, zumal sie dabei oft noch von vielen verschiedenen Bezugspersonen betreut werden. Manche Eltern suchen deshalb für ihr Kind eine Tagesmutter, die Betreuung in einem familienähnlichen Umfeld bietet.
Anette Stein rät, sich für die Eingewöhnung Zeit zu nehmen und sich selbst nicht unter Druck zu setzen. Es muss nicht alles gleich klappen. In den ersten Jahren sind Krippenkinder häufig krank, weil sie in der Einrichtung mit mehr Keimen in Kontakt kommen. Das ist gut für die Stärkung des Immunsystems, aber schlecht für berufstätige Eltern. „Wer es sich leisten kann, sollte Fehlzeiten einplanen“, sagt sie.
Wie die Eingewöhnung abläuft, hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob sich ein Kind in der Kita wohlfühlt
oder nicht. Insbesondere für unter Dreijährige ist es eine große Anpassungsleistung, sich auf neue Bezugspersonen
und eine neue Umgebung einzustellen. Eine qualitativ hochwertige Kita legt daher Wert auf eine schrittweise,
elternbegleitete Eingewöhnung, deren Tempo die Kinder vorgeben und nicht die Eltern oder die Fachkräfte; entsprechend dehnbar sollte die Zeitspanne sein. Manche Kinder brauchen ein paar Tage, manche acht Wochen. „Lassen Sie sich das Konzept zeigen und reden Sie mit den Fachkräften darüber, wie flexibel sie es umsetzen“,
sagt Anette Stein. Ihrer Erfahrung nach sind Kitas, die ein professionelles Eingewöhnungskonzept haben, auch in
allen anderen relevanten Bereichen gut aufgestellt.
Natürlich spielen Ausstattung und Räumlichkeiten eine Rolle. Aber Eltern sollten sich dadurch nicht blenden lassen: „Entscheidend ist nicht, wie neu die Möbel sind oder wie modern die Einrichtung ist, sondern wie sich Kinder dort entwickeln und bewegen können.“ Das schönste Außengelände, der coolste Raum zum Toben sind überflüssig, wenn die Kinder diese nur eine Stunde am Tag nutzen können und sonst keine Möglichkeit haben, ihrem Bewegungsdrang nachzugehen.
Auch am Grad der Partizipation können Eltern die Qualität einer Kita ablesen. Haben Kinder die Möglichkeit
mitzuentscheiden, was wann gemacht wird? Es ist wichtig, dass eine große Bandbreite an Angeboten und Anregungen
vorhanden ist, die auch den Neigungen und Interessen des Kindes entsprechen. Doch zu enge, starre Systeme, die die Kinder ähnlich wie in der Schule in eine Art Lernprogramm zwängen, sind nicht kindgerecht.
Wie ist der Umgang miteinander?
Väter und Mütter setzen sich daher am besten nicht nur mit dem pädagogischen Konzept auseinander, sondern
lassen sich auch immer vor Ort von den Fachkräften erklären, wie diese es umsetzen. Um ein Gefühl zu bekommen,
wie eine Einrichtung funktioniert und wie es um das Klima dort bestellt ist, hospitieren Eltern am besten ein paar Stunden. „Beobachten Sie, wie die Fachkräfte mit den Kindern umgehen“, rät Anette Stein. Wie ernst nehmen die Erzieherinnen und Erzieher die Interessen und Bedürfnisse der Kinder? Die Art und Weise, wie sie mit den Kindern kommunizieren, sie trösten oder ermutigen, ist ein wichtiges Indiz dafür, wie gut die Betreuungsqualität einer Einrichtung ist. Wenn der Umgangston zwischen Erwachsenen und Kindern, aber auch unter den Fachkräften sehr
rau ist, sollten Eltern hellhörig werden. Wenn Kinder die Fachkräfte offen und unbefangen ansprechen, spricht das für die Einrichtung.
Für die meisten Eltern ist es selbstverständlich, die Kita, in die sie ihr Kind geben wollen, genau zu prüfen. Nur scheitern sie an einem ganz anderen Problem: In vielen Regionen übersteigt die Nachfrage nach Betreuungsplätzen von unter Dreijährigen das Angebot bei weitem. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft fehlen derzeit gut 290 000 Betreuungsplätze in ganz Deutschland – trotz Rechtsanspruchs und Investitionsprogrammen des Bundes. Und wenn die Plätze knapp sind, sinken die Ansprüche.
Nicht alle haben die Wahl
In Berlin etwa ist die Situation so angespannt, dass sich die Bewerbungen auf den Schreibtischen der Kitaleitungen stapeln. In manchen Einrichtungen stehen hundert Eltern auf der Liste. Viele Kitas können immer erst im Sommer eine größere Anzahl von Kindern aufnehmen, wenn die Ältesten in die Schule wechseln. Das bekam auch die Mutter von Moritz zu spüren. Sie musste die ersten Monate seiner Fremdbetreuung mit einer Tagesmutter überbrücken, weil trotz intensiver Suche noch kein Kitaplatz frei war. Eine Entscheidung, mit der die Mutter nicht glücklich war, denn so musste Moritz sich nach kurzer Zeit wieder auf völlig neue Bezugspersonen
einstellen. „Die Wahl zu haben, ist illusorisch, man muss nehmen, was kommt“, sagt sie.
Nicht von ungefähr fordern Experten, dass sich die öffentliche Hand nicht nur dringend um den steigenden Bedarf kümmern muss, sondern auch um die Qualität. Dass Eltern Kompromisse schließen, mit denen es ihnen und dem
Kind gut geht, ist normal, sagt die Mutter von Moritz. „Aber sein Kind irgendwohin geben zu müssen, wo gerade ein
Platz frei ist, kann keine Lösung sein.“
kizz Webtipp
Die Bertelsmann Stiftung hat eine Checkliste mit Kriterien zusammengestellt, auf die Eltern von Kindern zwischen ein und drei Jahren bei einer Kita achten können. www.bertelsmannstiftung.de/Elterncheckliste_U3
Brauchen Kitas flexiblere Öffnungszeiten?
Das sagt die Erzieherin
Unser Haus versucht, familiengerechte Öffnungszeiten anzubieten, Montag bis Freitag von 7 bis 17 Uhr. Diese können von den Eltern flexibel gebucht werden, zum Beispiel kann ein Kind an zwei Tagen in der Woche bis 14.30 Uhr und an den anderen Tagen nur bis 13 Uhr in der Einrichtung sein. Dadurch lässt sich für viele Familien der Berufs- und Familienalltag mit den Betreuungszeiten gut abdecken. Für uns bedeutet das aber, dass wir mit vielen Teilzeitkräften arbeiten und die langen Dienste von den Vollzeitkräften geleistet werden müssen. Dies zeigt sich
auch bei Krankheitswellen oder in Urlaubsphasen, denn auch hier müssen zumeist die Vollzeitkräfte die Dienste abdecken. Es ist mir wichtig, dass die Kinder und Eltern auch im Frühdienst eine Kontinuität erfahren. Die Kinder, welche in die Frühdienstgruppe gehen, wissen, wenn ich am Morgen in die Kita komme, ist immer die gleiche
Fachkraft für mich da. So wird eine reibungslose Ablösung von Mama oder Papa ermöglicht. Wenn alle an einem Strang ziehen, ist alles möglich. Ich bin sehr glücklich darüber, dass dieses Teamwork bei uns so gut funktioniert.
Das sagt die Mutter
Ja, flexible Öffnungszeiten finde ich sehr wichtig. Ich frage mich, wie eine Regelgruppe überhaupt noch funktionieren kann, wenn beide Elternteile für den Unterhalt der Familie sorgen müssen. Das flexibelste Arbeitszeitmodell der Arbeitgeber bringt den berufstätigen Eltern recht wenig, wenn die Kitas nicht mitspielen. Für mich als berufstätige Mama von zwei Kindern wären flexiblere Öffnungszeiten in unserer Kita von Vorteil. Durch meinen langen Arbeitsweg bin ich darauf angewiesen, ganze Tage zu arbeiten. Dies ist mir nur mithilfe meiner Eltern und Schwiegereltern möglich, da diese bereit sind, die Kinder zweimal in der Woche in der Kita abzuholen und nachmittags zu betreuen. Eltern, die keine familiäre Unterstützung in der Nähe haben, haben es noch
schwerer, Beruf und Familie zu vereinen.