Tiere sind toll, vor allem die tapsig-flauschigen. Kleine Kätzchen – zauberhaft. Hundewelpen – zum Verlieben.
Selbst Zwergkaninchen können, bei eleganter Fellzeichnung und schmeichelhaftem Licht, mein Herz erwärmen. Was für putzige Geschöpfe. Meine Kinder sehen das ähnlich. Sie sind, wie die meisten Menschen, mit einer überbordenden Tierliebe zur Welt gekommen. Und haben, seit sie sprechen können, immer wieder mit dem Quengelthema angefangen, das in keiner urbanen Kleinfamilie fehlen darf: Mama, wir wollen ein Haustier, bittebittebittebittebittebitte!
In der Tat, mahnt die innere Pädagogin in mir, spräche trotz enger Stadtwohnung vieles dafür. Als Herrchen und
Frauchen lernen die Kinder, Verantwortung zu übernehmen. Tiere brauchen regelmäßig Zuwendung, Futter, Auslauf. (Nicht nur die ersten zwei Wochen lang, wenn alles neu und aufregend ist.) Und der Nachwuchs profitiert auch emotional. Der ausgesetzte Mischling, den wir aus dem Tierheim holen würden, wäre sicher ein treuer Freund. Ein Tröster und Beschützer.
Das letzte und schwerwiegendste Argument für ein Haustier lautet: Habe ich mir nicht selbst als Kind sehnlichst einen Hund gewünscht? Habe ich nicht gefleht und gebettelt um einen lebendigen Gefährten mit Fell? Immerhin: Irgendwann stimmten meine Eltern der Anschaffung einer (aus ihrer Sicht pflegeleichteren) Katze zu. Die erste ließ sich geduldig von uns beschmusen. Die zweite nicht, die war eigensinnig und aufbrausend. Die dritte kam jung unter die Räder. Tagelang hatte die ganze Familie rot geweinte Augen.
Tiere sind ein bisschen wie Kleinkinder, die nie groß werden
Auch er gehört dazu, wenn man über Haustiere nachdenkt: der Tod. Wer vierbeinige Familienmitglieder hat, sitzt oft besorgt beim Tierarzt. Die drei Mäuse, die eine Freundin ihren Töchtern nach jahrelangen argumentativen
Abwehrschlachten schließlich zugestand, hatten eines Tages dicke Beulen am Körper. Die Ärztin zuckte nur mit
den Schultern: aggressiver Mäusekrebs, Endstadium. Keiner der Nager erlebte seinen ersten Geburtstag.
Es wäre trotzdem gelogen, wenn ich sagte, dass ich aus Angst vor Alter und Siechtum an meiner Kein-Haustier-
Politik festhalte. Die Wahrheit ist: Meine kindliche Tierliebe habe ich nicht ins Erwachsenenalter retten können.
Heute sehe ich vor allem die anstrengenden Seiten des Zusammenlebens. Ich mag den Haarausfall nicht, ich mag keine Kratz- und Bissspuren an meinen Möbeln, ich mag auch keine moosigen Aquarien und muffigen Käfige. Hundekotplastikbeutel finde ich sehr eklig. Nur Katzenklos sind schlimmer.
Das Großartige an Kindern ist, dass sie wachsen, sich verändern und irgendwann selbstständig werden. Nach und nach gewinnt man als Mutter oder Vater die Freiheiten zurück, die man bei der Geburt auf einen Schlag verloren
hatte. Tiere dagegen sind ein bisschen wie Kleinkinder, die nie groß werden. Sie öffnen auch im fortgeschrittenen
Alter ihr Dosenfutter nicht selbst. Ziehen nicht mit 20 in eine Studenten-WG. Für manche mag genau diese Beständigkeit den Reiz der Mensch-Tier-Beziehung ausmachen. Für mich nicht.