Eltern und Schwiegereltern können ein großer Segen sein. Kostenlose Betreuung während der Kita-Ferien, Unterstützung im Krankheitsfall, beruhigende Worte bei Erziehungskrisen und vieles mehr bieten sie in der Regel gerne an. Ein Glück, wenn sie in der Nähe wohnen. Gleichzeitig können Großeltern und der Umgang mit ihnen aber eine Gefahr für die eigene Paarbeziehung sein. Auch hier ist die Liste lang: nervende Besserwisserei, emotionaler Druck („Kommt mal wieder zu Besuch“), Überhäufung der Enkelkinder mit Spielzeug und Süßigkeiten, Geringschätzung des Partners.
In Gegenwart unserer eigenen Eltern werden wir selbst wieder zum Kind und geraten in einen Loyalitätskonflikt: Gehöre ich zu meinem Partner, sind wir die neue Familie, oder bin ich die Tochter beziehungsweise der Sohn meiner Mutter und folge – auch mit über dreißig Jahren – ihren Wünschen und Ansprüchen? Kein leichtes Thema.
Häufiger Anlass für einen Machtkampf ist Weihnachten. Wohin fahren wir? Bleiben wir zu Hause und feiern auf unsere Art? Laden wir die Großeltern ein? Wenn ja, alle oder nur einen Teil? Wie sieht es mit den Feiertagen aus? Stress pur! Weihnachten ist der Kristallisationspunkt für großfamiliäre Abhängigkeiten. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Sie haben mit der Geburt Ihres ersten Kindes eine neue Familie gegründet. Oberhäupter dieser Familie sind Sie als Mutter und Vater. Gleichberechtigt legen Sie fest, wie Sie die Großeltern in Ihr Familienleben integrieren wollen. Punkt.
Die neue Familie
Das ist jedoch leichter gesagt als getan. Unsere Eltern prägen uns. Wir sind auch als Erwachsene emotional abhängig von ihnen, bewusst und unbewusst. Eine Bemerkung wie „Muss die Kleine den ganzen Tag in der Kita sein?“ lässt uns nicht kalt. Sie wirkt nach und nährt innere Zweifel. Und zwar stärker, als wenn jemand Fremdes uns das sagen würde. Umso wichtiger ist es, dass Sie mit Ihrem Partner ein Bild davon haben, wie Sie als Familie leben wollen. Diese Klarheit ist das Fundament, auf dem Ihr Familien- und Paarleben steht.
Der Umgang mit den Großeltern ist ein großes Übungsfeld für die eigene Abgrenzung – zum Wohle der Paarbeziehung, welche die Basis für die neue Kleinfamilie ist. Wobei eine Abgrenzung in zwei Richtungen notwendig ist. Zum einen bezogen auf die eigenen Eltern und Schwiegereltern. Zum anderen bezogen auf den Partner und seine Wünsche sowie Forderungen. In beiden Fällen werden Sie in Loyalitätskonfl ikte kommen. Wer steht Ihnen am nächsten: Ihre Eltern oder Ihr Partner, oder – viel wichtiger – Sie sich selbst mit Ihren eigenen Gefühlen und Wünschen?
Abgrenzung üben
Generell empfi ehlt es sich, eigene Grenzen und Wünsche persönlich und deutlich zu formulieren. Statt „Muss deine Mutter schon wieder kommen? Sie war doch erst da“ ist es hilfreicher, offen von sich zu sprechen: „Ich merke, dass es mich anstrengt, wenn deine Mutter kommt. Lass uns bitte darüber reden.“ Dann kann ein Paardialog beginnen. Was strengt an? Wieso ist es wichtig, dass die Mutter kommt? Welche Lösungen wären möglich? Seien Sie hierbei kreativ und orientieren Sie sich nicht an vermeintlichen Normen. Es geht um Ihr Paarleben innerhalb der Familie und nicht um ein Das-tut-man-aber-nicht-Gesetz.
Mögliche Auswege aus dem obigen Dilemma könnten sein: Die Mutter kommt nicht am Wochenende, wenn Sie als Familie Zeit miteinander verbringen wollen. Oder die Mutter schläft im Hotel und Sie haben die Abende für sich. Viele Lösungen sind möglich, wenn Sie erst einmal in Ruhe über die Gründe der Ablehnung gesprochen haben.
Den eigenen Willen durchzuboxen kann oft kontraproduktiv sein. Nach dem Motto „Es ist meine Mutter und sie kann kommen, wann sie will.“ Hier laufen Sie Gefahr, dass sich Ihr Partner vom gemeinsamen Familienleben verabschiedet. Denn für ihn oder sie ist das Zeichen offensichtlich: Die Mutter ist wichtiger als ich.
Die lieben Schwiegereltern
Dass die eigene Mutter oder der eigene Vater zu Besuch kommen, ist für den entsprechenden Elternteil oft selbstverständlich. Was spricht dagegen? Oft ist es das Verhalten des Partners oder der Partnerin. Sich gemeinsamen Aktivitäten zu entziehen, länger zu arbeiten oder zu lästern sind ernste Anzeichen dafür, dass der Besuch nicht gewünscht wird. Gleichzeitig kann so keine offene und heilsame Auseinandersetzung mit dem Partner stattfinden.
Die Gründe dafür, das Kommen der Schwiegereltern abzulehnen, sind höchst individuell. Eine Erklärung liegt möglicherweise darin, dass sich der Partner in Anwesenheit seiner Eltern verändert. Man erlebt plötzlich Verhaltensweisen, die man so nicht an ihm oder ihr kennt. Das reicht von widerspruchlosem Ja-Sagen („Mama hat immer recht“) bis hin zum ständigen Genervtsein von der eigenen Mutter. Den Frust bekommt dann offen oder versteckt der Partner ab.
Das Gespräch suchen
Beim Umgang mit den Schwieger eltern sind Klarheit und Fingerspitzengefühl gefordert. Das Loyalitätspendel Ihres Partners schwingt zwischen Herkunftsfamilie und neuer Familie hin und her. Wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen, Ihr Partner nicht zu Ihnen steht oder Sie es kaum ertragen können, wie Ihr Partner sich verändert bei und mit den Eltern, dann gibt es akuten Gesprächsbedarf. Achten Sie dabei auf folgende Reihenfolge: Zuerst ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Ihnen als Frau und Mann. Sie sind die neue Kernfamilie. Sie sollten liebevoll und klar Ihre jeweiligen Grenzen akzeptieren. Danach erst sollte die Aussprache mit den Großeltern stattfinden, entweder gemeinsam oder als Einzelgespräch.
Der Hauptwunsch der Großeltern ist es, die Enkel zu erleben. Diesen Wunsch können und sollten Sie erfüllen – unabhängig davon, wie Sie zu den Großeltern stehen. Oft ist es einfacher, sie zu besuchen als sie in Ihr Leben einzuladen. Das entschärft sehr viele Konfl ikte. Sie können die Besuchszeit besser planen und für sich sorgen. Ihr Partner kann viel einfacher entscheiden, ob er mitkommen möchte oder nicht. Denn eine Einladung nicht anzunehmen fällt leichter, als jemanden aktiv auszuladen. Und: Gestehen Sie Ihren Eltern eine Lernkurve zu. Es braucht schon mal ein bis zwei Jahre, bis aus „Ihr kommt doch zu Weihnachten?“ ein „Wie feiert ihr Weihnachten?“ wird.
Kleiner Überlebensguide für Paare
Sie sind eine neue Familie. Gemeinsam und gleichberechtigt bestimmen Sie Besuche der Großeltern. Sie werden automatisch in Loyalitätskonflikte geraten. Sowohl mit Ihren Eltern und als auch mit Ihrem Partner. Das passiert einfach. Suchen Sie den Dialog mit Ihrem Partner. Sprechen Sie in Ich- Botschaften über Ihre Bedenken und Abneigungen. Nur so lassen sich Lösungen fi nden, die für alle emotional tragbar sind. Haben Sie Mut zu individuellen und kreativen Lösungen. Nirgends steht geschrieben, wie oft und in welcher Zusammensetzung man den Großeltern begegnen muss. Was Ihnen persönlich und als Paar guttut, sollte Ihr Kompass sein.