Gibt es bei Euch rund um das Thema Essen Diskussionen und Konflikte mit Eltern?
Im Gegenteil, viele Eltern kommen rein und sagen: „Mmmh, hier riecht es aber lecker heute.“ Wir legen großen Wert auf Ernährung und kochen selbst. Dabei verwenden wir zu 80 Prozent Bioprodukte, die aus der Region stammen, und wir kochen ohne Fleisch. Bei der Anmeldung sprechen wir mit den Eltern sehr ausführlich über den Speiseplan. Und wir zeigen ihnen eine Vesperdose, wie sie nicht aussehen sollte, und eine Vesperdose, wie sie appetitlich aussieht. Süßigkeiten sind etwas für Geburtstage oder besondere Festivitäten. Das wird auch so akzeptiert. Außerdem haben wir hier viele Eltern, die selbst Wert auf Bioprodukte legen.
Probieren Kinder in der Kita eher Neues als zu Hause?
Ja, das Gefühl haben wir ganz oft. Ich denke, es ist dieses Rudelverhalten, das die Kinder hier toleranter und offener macht. Außerdem begegnen sie bei uns dem Thema Ernährung ganz anders, denn wir haben Obstbäume, einen Kräutergarten und einen Kartoffelacker. Natürlich gibt es auch mäkelige Kinder. Am ehesten sagen die Schulanfänger: „Bäh, das ess ich nicht!“. Bei den Kleinen geht alles, die pulen auch nichts raus. Ich glaube, es hat mit dem Alter zu tun, dass die Kinder irgendwann ihren eigenen Kopf durchsetzen möchten. Wir animieren die Kinder zwar, aber einen Probierzwang gibt es nicht. Wenn sie ein Gericht nicht essen wollen, bekommen sie stattdessen ein Stück Brot. Am Anfang ist das bei den Kindern natürlich der Renner. Aber mit der Zeit verläuft sich das. Wir zwingen auch niemanden, den Teller leer zu essen.
Inwiefern können Kinder bei Euch mitentscheiden und mitmachen?
Das fängt bei den Kleinen an. Schon die Kinder im U3-Bereich können entscheiden, ob sie heute ein Brot mit Marmelade, Frischkäse oder Butter haben möchten. Wir stellen den Zweijährigen ein Tellerchen und ein kleines Messer hin, sodass sie anfangen können, ihr Brot selbst zu streichen. Die Großen schmieren ihr Brot sowieso selbst und helfen beim Obstschneiden mit. Mittags tun sich die Kinder auch selbst das Essen auf. Und wir erwarten, dass die Kinder ihren Teller abräumen und Reste mit einem Löffel in eine Schüssel kratzen. Anfang dieses Jahres haben wir eine eigene Kita-Verfassung geschrieben, in der es auch um Ernährungsregeln geht. Wir wollen umsetzen, dass die Kinder sich an zwei oder drei Tagen im Monat wünschen dürfen, was es zu essen gibt. Sie sollen nicht alles fertig vorgesetzt bekommen, denn neben der Qualität des Essens ist mir der Aspekt der Beteiligung sehr wichtig.
Jede Kita, die Mittagessen anbietet, muss den Spagat zwischen Qualität und Preis bewältigen. Wie habt Ihr das geschafft?
Es funktioniert nur mit Personaleinsatz und persönlichem Engagement. Innerhalb der Trägerschaft sind wir die Kita, die am wenigsten Kosten verursacht. Das liegt daran, dass unsere Köchin gut plant und nur das einkauft, was sie auch verarbeitet. Sie bereitet hier jeden Mittag 60 Mahlzeiten zu und das in einer normalen, zwölf Quadratmeter großen Küche. Und: Bio ist nicht unbedingt teurer. Mit Verstand eingesetzt ist Biokost günstiger als Convenience. Wir versuchen, die meisten Produkte regional zu beziehen. Außerdem sind wir im EU-Schulprogramm, bei dem es für jedes Kind eine Extraportion Obst und Milchprodukte gibt.
Gibt es Qualitätskriterien vom Gesundheitsamt?
Ja, wir werden regelmäßig vom Veterinäramt kontrolliert. Die sind aber immer zufrieden, weil unsere Köchin sehr auf Hygiene achtet. Es darf niemand einfach so in die Küche gehen. Wir haben Arbeitskittel und alle müssen ihre Hände gewaschen haben. Für Gemüse, das vom Bauern kommt, haben wir einen separaten Kühlschrank. Wenn wir Fleisch oder Eier verwenden würden, müssten wir Lebensmittelproben aufbewahren.
Wie kam es, dass Ihr Euch für diesen Weg entschieden habt?
Wir hatten hier anfangs einen Caterer. Aber das ist immer ein Riesentheater gewesen, weil das Essen oft zu spät kam. Außerdem war es lieblos gemacht, zu grob geschnitten und es hat immer alles gleich geschmeckt. Als ich sagte: „Ich möchte nur vegetarisches Essen“, hörte es bei dem schon auf. Und als dann eine Kartoffelpfanne in einer Lache Fett mit Schwarzwälder Speck obendrauf kam, hab ich ihn angerufen und gesagt: „Du kannst dein Essen holen. Auf Wiedersehen, das war’s!“ Und dann habe ich mich eine Woche lang selbst zum Kochen in die Küche gestellt und bewiesen, dass es anders geht. Seither haben wir eine Köchin, die mit viel Liebe und Sachverstand für die Kinder kocht.
Was ist beim Thema Essen in der Kita noch wichtig?
Wir legen großen Wert darauf, Tischkultur und Gemeinschaft zu vermitteln. Wir decken gemeinsam den Tisch, sprechen als Ritual einen Tischspruch, fangen gemeinsam an und räumen gemeinsam ab. Essen ist etwas Sinnliches. Man riecht, man schmeckt, man fühlt. Wir nehmen uns die Zeit dazu. All das geht in vielen Familien verloren und das ist einfach schade. Natürlich gibt es Familien, die mit dem Thema Ernährung bewusst umgehen. Aber ich glaube, in vielen Fällen geht die Bequemlichkeit vor und es ist es den Leuten egal, wie und was die Kinder essen. Die Frage ist doch: Was machen wir mit unseren Kindern? Wir wollen alle, dass sie gesund sind – und dann gibt es Fertigkost? Ich möchte den Eltern einen Anstoß geben und zeigen, dass es anders geht.