Spielzeug für KinderPädagogisch wertvoll

Unsere Kolumnistin ASTRID HERBOLD legt großen Wert auf hochwertiges Spielzeug, mit dem Kleinkinder optimal gefördert werden. Leider hat sie die Rechnung ohne ihre Tochter gemacht

Pädagogisch wertvoll
Kinder suchen sich ihre Spielsachen selbst aus © Daniela Kohl

Ich wünschte, meine Tochter würde puzzeln. Ich erwarte keine Wunder. Sie muss nicht mit drei Jahren diese epischen Wasserfälle zusammenkriegen. Aber so eine Ponyhofszene mit 52 Teilen sollte drin sein, oder? Haben wir nicht von Tag eins ihres Lebens an darauf hingearbeitet? Es soll ja kleine Kinder geben, die stundenlang vor Puzzles sitzen. Beneidenswert – und so gut für die Entwicklung! Schult die Feinmotorik, die Konzentration, das genaue Hinschauen. Ist das blaue Dings hier jetzt Himmel oder Fluss?
Oder wenn nicht puzzeln, dann wenigstens: weben. Ich habe meiner Tochter von den Großeltern einen Webrahmen schenken lassen. Da kann man mit einem Schiffchen Wollfäden hin- und herschieben. Wunderbare Muster ergibt das, total kreative, sinnlose Gebilde. Dazu dieses ungewohnte haptische Erlebnis! Wenn das nicht gut für die Schärfung ihrer Sinne wäre. Aber meine Tochter webt nicht. Sie malt auch nur selten. Und wenn, dann lieber auf Wände als auf die süße Kinderstaffelei, die in ihrem Kinderzimmer verstaubt.
Nur mäßiges Interesse zeigt sie leider auch an ihrer Holzeisenbahn. Dabei wollte ich damit ihr räumliches Verständnis fördern. Man kann mit den Gleisen Kreise, Ovale, Achtkurven legen. Mit Verzweigungen und Brücken und Unterführungen. Aufregend, finde ich. Eher nicht so, findet meine Tochter.
Es ist nicht so, als würde meine Tochter nicht spielen. Sie spielt andauernd. Am liebsten, wenn ihre Freundin Julie zu uns kommt. Nur lassen die Mädchen das ganze hochwertige Spielzeug links liegen. Nein, noch schlimmer: Sie zweckentfremden es. Eine Kiste mit Hunderten Legosteinen? Lass mal den Inhalt schwungvoll auf die Dielen kippen, sodass die Steinchen in alle Ecken spritzen. Yeah!
Rumschmeißen ist überhaupt das einzige, was sie mit all den Klötzen je getan hat, die ich ihr seit ihrem ersten Lebensjahr immer wieder lockend unter  die Nase gehalten habe. Na, Türmchen bauen? Häuser konstruieren? Den Grundstein für die Architektinnenkarriere legen?
Meine Tochter hat einen starken inneren Kompass: Spielzeug, das Erwachsenen gefällt, gefällt ihr nicht. Und umgekehrt. Sie fuchtelt zum Beispiel fröhlich stundenlang mit einem Gummischwert rum, trägt eine Augenklappe und macht ein grimmiges Gesicht. Oder sie nimmt den Holzhammer ihrer kleinen Werkbank, um damit energisch auf ihren Plastikbauernhof zu hauen, der auf Knopfdruck Tiergeräusche macht. Ihre Kaufladenkasse, prall gefüllt mit alten Urlaubsmünzen, lässt sie in einer Tour aufschnalzen und knallt sie wieder zu. Haha, wie lustig.
Ihr aller-aller-allerliebstes Spielzeug aber, das jeder Freundin stolz vorgeführt und nie-nie-nie langweilig wird, ist ein gellend hässliches, nicht kaputt zu kriegendes Plastikmikrofon im Wert von fünf Euro. Man kann nicht mal heimlich die Batterien rausnehmen, denn es lässt die Stimme lediglich durch ein eingebautes Metallplättchen lauter und hallender erscheinen. Meine Tochter liebt es, in dieses Mikro hineinzurufen. Hineinzusingen. Hineinzukreischen. Welchen Teil ihrer Persönlichkeit das genau fördert, weiß ich noch nicht. Aber eines Tages werde ich es sicher herausfinden. 

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