Kommunikation"Mehr Respekt für Kinder"

kizz sprach mit der Kommunikationstrainerin Barbara Leitner über die Wirkungen unserer Sprache auf Kinder

Mehr Respekt für Kinder
Der Ton macht die Musik © Halfpoint - iStock

„Sei nicht so zickig!“, hört man Eltern oft sagen. Was halten Sie davon? Damit sagen Eltern je erst einmal etwas über sich selbst. Zum Beispiel: „Du machst es mir gerade nicht einfach.“ Leider formulieren sie das nicht. Stattdessen kommt beim Kind so etwas an wie: „Du bist nicht richtig“ oder sogar „Ich mag dich nicht.“ Wenn das öfter und mit einer harten Stimme gesprochen wird – schließlich macht der Ton die Musik –, dann kann das eine sehr gefährliche und zerstörerische Botschaft sein. Und ist sicher nicht das, was die Eltern eigentlich sagen wollen.

Welche Art von Sprache verletzt Kinder und wertet sie ab? Was Kindern und auch Erwachsenen wehtut, sind Verallgemeinerungen und feste Zuschreibungen. Sätze wie „Nie räumst du auf!“ oder „Immer bist du so laut!“ Außerdem ungünstig ist es, dauernd Erwartungen zu formulieren: „Ich habe dir doch gesagt, dass du vor dem Essen deine Hände waschen sollst!“ Solche Dinge sind vielleicht den Eltern wichtig, dem Kind aber nicht. Kinder müssen in unserem Alltag permanent funktionieren. Was sie wollen, kommt oft gar nicht vor. So gesehen ist es gut, wenn Kinder zicken, also eine Störung anmelden. Dann merke ich, dass es hier ein Thema gibt, um das ich mich kümmern muss.

Erleben Kinder oft Verletzungen auf sprachlicher Ebene? Ja. Und gleichzeitig gibt es viele Eltern, die sich bewusst entscheiden auszusteigen. Die sich fragen: Wie rede ich eigentlich gerade? Will ich das wirklich? Der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), Marshall Rosenberg, hat schon vor 30 Jahren gezeigt, dass wir in einer dominanzorientierten Gesellschaft leben, in welcher der das Sagen hat, der sich durchsetzt. Die meisten von uns sind so sozialisiert worden. Inzwischen werden Kinder mehr respektiert. Auch die Kinderrechtskonvention verlangt von uns, dass wir Kinder von Anfang an gleichwürdig behandeln.

Welche Folgen hat eine negative Sprache? Ein Kind braucht immer die Gewissheit, dass es dazugehört. Dass es so, wie es ist, akzeptiert wird. Wenn Eltern sagen „Zick nicht rum!“, kann das Kind entweder aufhören zu zicken, damit Mama und Papa es lieb haben. Oder es zickt weiter, dann gehört es vielleicht nicht mehr dazu, behält aber seine Eigenart. Viele Generationen bekamen vermittelt: Du musst anders sein. Die Folgen davon können gravierend sein; die Rate depressiver Menschen ist erschreckend hoch.

Eltern lieben ihre Kinder, warum verletzen sie sie trotzdem mit Worten? Die Worte sind schneller als das Herz. Manchmal wäre es gut, man könnte das Gesagte einfach wieder zurücknehmen. Umso wichtiger ist es, dass wir eine Pause machen, bevor wir sprechen. Um zu spüren: Wo bin ich eigentlich gerade? Ach ja, ich bin im Stress. Dann kann ich eigentlich nur schimpfen. Man sollte als Erwachsener die Verantwortung übernehmen und sie nicht dem Kind zuschieben.

Gibt es noch weitere Aussagen, die Eltern vermeiden sollten? Alle Festlegungen sind problematisch, auch die positiven. Wenn ich immer nur sage „Du bist toll!“, kann das demotivierend sein. Besser ist es zu sagen: „Klasse! Du bist auf die fünfte Stange der Sprossenwand geklettert. Schön, dass du dich das traust. Vielleicht kommst du nächstes Mal noch höher.“ Dann ist Entwicklung möglich.

Ist es okay, im Beisein des Kindes über es zu reden? Das kommt darauf an, was man sagt. Das kann ja auch ein Teil einer sogenannten paradoxen Intervention sein. Zum Beispiel in folgender Situation: Sie sind beim Einkaufen und Ihr Kind streikt. Sie treffen eine Freundin und erzählen ihr, dass Ihr Kind ihnen heute ein ganz tolles Bild gemalt hat. Dann fängt Ihr Kind an zu strahlen und sich zu entspannen. Wenn Sie aber sagen: „Sie ist immer so schwierig“, dann wird die Anspannung Ihres Kindes größer.

Manchmal beschämen Eltern ihr Kind. Ja, das erlebe ich auch. Ehrlich gesagt bin ich dann oft unsicher, ob ich einschreiten soll oder nicht. Es gibt so viele Übergriffe, Kinder brauchen unseren Schutz. Und sie brauchen auch manchmal das Eingreifen von anderen. Wenn ich in einem aggressiven Ton etwas zu den Eltern sage, die ihr Kind beschämen, mache ich es nicht besser. Nur wenn ich in einem freundlichen Ton für das Kind eintreten kann, hat es eine Chance.

Wie funktioniert eine wertschätzende Sprache und worauf können Eltern achten? Wenn ich wertschätzend spreche, dann schätze ich den Schatz, den ich vor mir habe. Dann bringe ich mich selbst mit ins Spiel. Schön ist es zu sagen, was das Kind in mir berührt. Zum Beispiel: „Weißt du, ich freue mich so zu sehen, wie viel Spaß du am Fußballspielen hast. Ich finde es toll, dass du genau deins gefunden hast.“ Dann blüht das Kind so richtig auf, oder es guckt vielleicht ein bisschen verlegen.

Welche Sprache wähle ich, wenn ich mich geärgert habe? Am besten gar keine. Also erst mal still sein. Wenn ich meine Wut einfach rauslasse, hat sie eine zerstörerische Kraft. Besser ist es, erst wieder im Frieden angekommen zu sein. Und dann zu sprechen.

Ich darf also nicht schimpfen? Doch. Ich bleibe Mensch. Im Idealfall übernehme ich die Verantwortung dafür, dass ich ärgerlich bin. Wenn mein Sohn zum Beispiel beim Essen die Füße auf den Tisch legt, dann kann ich schimpfen, oder ich kann sagen: „Mir ist es wichtig, dass wir uns am Tisch alle wohlfühlen. Deshalb möchte ich, dass du deine Füße vom Tisch nimmst.“ Es ist immer gut zu sagen, was meine Werte sind. Und dem Kind eine klare, positive Botschaft zu senden. Wir alle üben. Wir können unsere Fehler wahrnehmen und es beim nächsten Mal besser machen. Barbara Leitner ist Journalistin, Coach und Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation (GFK) und bietet unter anderem Kurse zum Thema Kommunikation mit Kindern für Fachkräfte und Eltern an  

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