FamilienurlaubAlle entspannt?

Urlaub mit kleinen Kindern gilt allgemein als anstrengend. Er kann aber auch erholsam sein – wenn Eltern die eigene Definition von Entspannung anpassen

Alle entspannt
Wie gelingt ein Familienurlaub, der allen Spaß macht? © Daniela Kohl

Ferien! Ein Begriff, der bei vielen automatisch meterlange Gedankenketten an weiße Sandstrände, idyllische Berglandschafen, horizonterweiternde Städtereisen oder abenteuerliche Roadtrips durch unbekannte Welten hervorruft. Man denkt an harmonische Zeiten mit dem Partner oder Freunden, in denen man gemeinsam die müden Seelen baumeln lässt, um danach den Alltag wieder gestärkt meistern zu können. Auch mir ging das so. Bevor ich Kinder hatte. (Wie sehr ich dich vermisse, du wundervolle Ahnungslosigkeit, ich habe dich zeitlebens nicht genügend wertgeschätzt!) Im postnatalen Lebensabschnitt ändern sich die Assoziationen ein wenig. Plötzlich verbindet man mit „Urlaub“ knirschende Windeln und wunde Kinderhintern, weil der Nachwuchs am Strand nicht für eine Sekunde daran denkt, wohlig die Zehen in den Sand zu stecken, sondern diesen haufenweise in den Mund stopft und so eine eher ungewöhnliche Methode der Darmsanierung praktiziert. Auf einmal kommt einem beim Wort „Urlaub“ unweigerlich auch gleich die schäbige Inneneinrichtung einer Notfallklinik im Mittleren Westen der USA in den Sinn, wo der eigene englische Wortschatz um die Begriffe „Splitterbruch beim Kleinkind“ erweitert wurde. Oder man bringt anstelle netter Souvenirs beinahe eine posttraumatische Belastungsstörung vom Osterwochenende im Kinderhotel mit, weil man nicht auf die wüsten Szenen beim Selbstbedienungsbuffet gefasst war und nie auch nur geahnt hätte, dass der Lärmpegel, wenn sich hundert hungrige Sprösslinge auf die kindgerechten Mahlzeiten stürzen, dem von Dutzenden Kreissägen entspricht.

Urlaub neu definieren

Vielleicht erleben nicht alle den Übergang vom „Urlaub zu zweit“ zum „Urlaub mit Kind“ so dramatisch. Aber für die meisten Eltern, die ich kenne, gestaltet sich diese Veränderung nicht ganz reibungslos und birgt einiges an Spannungspotenzial. Ich glaube, dass das an den klaren Erwartungen liegt, die wir an unsere Ferien stellen. Wir definieren sie als eine Zeit der Entspannung, als eine Auszeit vom anstrengenden Alltag, eine Zeit, um zu genießen und vielleicht auch Abenteuer zu erleben, frei von profanen Verpflichtungen und überfüllten Terminkalendern. Die meisten von uns haben nur ein paar Wochen Urlaub im Jahr. Entsprechend hoch sind die Erwartungen: Ich werde mich erholen und den Urlaub in vollen Zügen genießen (Himmeldonnerwetter noch einmal!). Problematisch wird es, wenn die lieben Kinderchen sich diesem Plan in den Weg stellen und ausgerechnet die zweiwöchigen Sommerferien am Mittelmeerstrand dazu nutzen, eine Immunisierung gegen Windpocken durchzumachen. Oder vielleicht erweist sich die Ferienwohnung, die auf den Fotos erstklassig ausgesehen hat, als Todesfalle für das krabbelnde Kleinkind, da die freitragende Treppe mitten im Wohnraum aus mehr leeren Zwischenräumen als Holz besteht. Erholung scheint plötzlich weit weg zu sein und miese Stimmung macht sich breit. Ich verrate an dieser Stelle ein Gegenmittel: Enttäuschungen sind immer nicht erfüllte Erwartungen. Wie wäre es also, wenn wir unsere Erwartungen den veränderten Umständen anpassen und „Urlaub“ neu definieren? Vielleicht einfach als eine Zeit, die wir gemeinsam als Familie verbringen und in der wir keinen beruflichen Verpflichtungen nachkommen müssen? Vielleicht als ein Abenteuer, in dem wir bewusst Platz lassen für Unvorhergesehenes? Oder einfach als einen Szenenwechsel, eine willkommene Abwechslung vom eintönigen Alltag? Je mehr wir unseren Anspruch auf „Ferien genau wie früher“ runterschrauben, desto entspannter wird der Urlaub!
Eine Frage, die man vielleicht neu klären muss, wenn man Kinder hat, ist, welche Ferien eigentlich zu einem als Familie passen. Das klingt banal, ist es aber nicht unbedingt. Ich bin beispielsweise kein Hotelferien-Typ. Aus dem einfachen Grund, weil ich absolut keine Lust auf feste Frühstückszeiten mit zahlreichen Unbekannten habe oder die tägliche Zusammenkunft aller Gäste am Hotelpool, der mich an ein stark frequentiertes Wasserloch in der Serengeti erinnert. Als ich Mutter wurde, hatte ich jedoch plötzlich das Gefühl, wir müssten nun unbedingt in einem Familienhotel Urlaub machen; alle meine Freunde mit kleinen Kindern taten das und schwärmten, wie unfassbar entspannend es sei. Es stellte sich heraus, dass ich auch mit Kindern immer noch kein Hotelferien- Typ bin! Bewusst wurde mir das in dem Moment, als sich fünfzig Schaulustige um den hoteleigenen Kaninchenstall versammelten, weil sich mein zweijähriges Kind darin verkeilt hatte – obwohl er doch umzäunt war! – und sich keinen Millimeter mehr bewegen konnte. Ich persönlich fand das nicht so schlimm. Doch die Kommentare zu den offenbar inkompetenten Eltern trugen in keiner Weise zu meiner Erholung bei. Ich habe also begriffen, dass diese Art von Ferien auch als Mutter nicht zu mir passt. Die Eltern aber, denen es schon vorher wichtig war, im Urlaub weder kochen, putzen noch waschen zu müssen und ein Animationsprogramm gleich vor Ort zu haben, werden Hotelferien wahrscheinlich weiterhin großartig finden. Und sie sollen um Himmels willen nicht damit aufhören! Es lohnt sich, als Paar zu besprechen, was einem in den Ferien wichtig ist, worauf man gut verzichten kann und bei welchen Punkten man Kompromisse eingehen muss. Ich persönlich verzichte gerne auf Luxus, entspanne mich aber besser, wenn wir essen können, wann wir wollen, und zwar alleine. Kreuzfahrt oder Sporthotel kommen also schon mal nicht in Frage. Bevor wir Kinder hatten, wollte ich so viel wie möglich sehen in meinen Ferien, ich liebte es, herumzureisen, unterwegs zu sein, Städte zu erkunden und dabei möglichst viel Neues zu entdecken und anzuschauen. Und das bringt mich zur nächsten Frage.

Was brauchen die Kinder in den Ferien?

Auch die Antwort auf diese Frage war bei mir mit einem Lernprozess verbunden und ist es immer noch, da die Bedürfnisse der Kinder sich mit zunehmendem Alter ändern. Als frischgebackene Mutter dachte ich: „Es muss doch möglich sein, weiterhin Urlaub zu machen wie bisher!“ Möglich ist das schon, aber nicht immer unbedingt entspannend und erholsam. Nur allzu klar wurde mir das, als ich versuchte, ein sechs Wochen altes schreiendes Baby im Ruderboot zu stillen, während mein Mann Richtung Brissago-Inseln paddelte. Weil ich dieses Fleckchen Erde doch auch noch so gerne erkunden wollte, nachdem wir uns Locarno, Ascona und Ronco angeschaut hatten. Was für eine hirnrissige Idee! Aber damals kam sie mir gar nicht so abwegig vor. Denn Urlaub hieß für mich, Neues zu entdecken. Dass allzu viele Programmpunkte und abenteuerliche Ausflüge mit Kleinkindern im Schlepptau anstrengend sein können, habe ich inzwischen gelernt. Ich mag es immer noch, im Urlaub Neues zu entdecken; aber wir machen nun schon seit fast sieben Jahren jedes Jahr im selben Ferienhaus in einer vom Massentourismus verschonten Gegend Urlaub. Früher wäre das für mich unvorstellbar gewesen. Heute empfinde ich diese Art von Ferien als äußerst entlastend: Die Kinder haben alles, was sie brauchen, um sich auch mal selbst beschäftigen zu können. Sie lieben sowohl das Haus als auch die Umgebung und haben draußen genug Platz, um wild und laut spielen zu können. Ich entdecke auch nach sieben Jahren immer wieder „Neues“ in diesem Urlaub, sei es auch nur ein mir bisher unbekanntes Strandcafé. So komme ich auf jeden Fall auch auf meine Kosten.

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