Toller Pass!“, ruft Katharina Henkes einem ihrer zwölf Schützlinge zu. Gekonnt spielt der Neunjährige seinem Mitspieler den Ball ab und läuft weiter in Richtung Tor. Hier nimmt er erneut den Ball an und schießt: Volltreffer. Während der Jubel bei der einen Mannschaft groß ist, nimmt es die andere mit Fassung.
Zweimal in der Woche trainieren die Kinder der F-Jugend (Jahrgang 2011) des SV Lövenich/Widdersdorf in Köln mit Katharina Henkes. Sie üben Pässe, dribbeln, arbeiten an ihrer Ballführung und zeigen ihr Können im freien Spiel. Die 28-Jährige begleitet die Kinder seit mittlerweile vier Jahren, die meisten waren fünf Jahre alt, als sie mit dem Training begannen. Henkes kennt die fußballerischen und sozialen Stärken und Schwächen jedes Kindes und weiß, wie sie auf jede kleine Persönlichkeit eingehen muss. Wenn ihr im Training etwas auffällt, sei es positiv oder negativ, spricht sie anschließend mit den Beteiligten darüber. Das persönliche Feedback ist sehr wichtig für die Entwicklung der Kinder, findet sie. Gerade auch, wenn es um das soziale Miteinander im Team geht. „Das Mannschaftsgefühl ist in den letzten Jahren groß geworden und die Kinder sind füreinander da“, erzählt Henkes, die eine B-Lizenz besitzt, die höchste Fußballlizenz im Amateurbereich. Die Kinder haben die Erfahrung gemacht, wie wichtig es ist, dass sie sich helfen und unterstützen, und sie wissen, dass die Mannschaft jeden Einzelnen braucht.
Soziale Fähigkeiten
Generell bietet der Sport für Kinder viel Lernpotenzial. Teamfähigkeit, Fairness, Respekt, Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft sind Werte, die im Alltag der Kinder – sei es in der Schule, auf dem Spielplatz oder zu Hause – eine wichtige Rolle spielen. „Das Wichtige am Kindersport aber ist, dass er Spaß macht“, sagt Dr. Babett Lobinger, Sportpsychologin an der Sporthochschule Köln. Sie unterrichtet Psychologie in der Ausbildung zum Fußball-Lehrer, der höchsten Lizenz im Profifußball. „Kinder müssen lernen, dass Gewinnen Spaß macht und Verlieren nicht schlimm ist“, sagt Lobinger. Dabei spielen Eltern und TrainerInnen eine entscheidende Rolle. Denn wie ein Kind mit Sieg und Niederlage umgeht, liegt auch an den Erwachsenen. Deshalb rät die Psychologin Eltern, mal darauf zu achten, was sie ihr Kind nach dem Training oder Turnier als Erstes fragen: Geht es um die Freude am Spiel? Oder steht das Ergebnis im Vordergrund? Die hohe Bedeutung des Spielergebnisses kommt nach Lobingers Erfahrung eher von außen als vom Kind selbst. Dieses merkt schnell, wenn es den Eltern nur um Siege und Punkte geht, und lernt nicht, Misserfolge gelassen zu nehmen. Viel schlimmer noch: Das Kind fühlt sich unter Druck gesetzt und verliert womöglich noch den Spaß am Sport. Dasselbe gilt natürlich auch für die Trainer. Auch sie dürfen nicht vergessen, „dass es im Kinderfußball viel mehr auf die Entwicklung der Kinder ankommt als auf Meisterschaften und Pokale“, erklärt Lobinger.
Die Schützlinge von Katharina Henkes sind ein gutes Team geworden. Sie mögen und verstehen sich. Und sie haben gelernt, sich an bestimmte Regeln zu halten. Zum Beispiel daran, nicht zu schimpfen, wenn ein Teammitglied einen Fehler macht. Das ist nicht immer leicht, denn um sie zu beherzigen, müssen Kinder erst verstehen, dass „Verhaltensregeln im sozialen Miteinander notwendig sind“, sagt Lobinger. Am besten gelingt das, wenn die Kinder miteinbezogen werden. Dafür bietet das Fußballspiel einen „geschützten Rahmen, in dem Kinder lernen, sich in einer sozialen Gruppe zu verhalten, Regeln und Werte mitzuprägen und sich an ihrer Einhaltung aktiv beteiligen“, erklärt die Sportpsychologin.
Fair Play Liga
Die Spielform, die dazu passt und die auch der Deutsche Fußballbund (DFB) für den Kinderfußball vorschreibt, heißt Fair Play Liga. Sie kommt mit nur drei Grundregeln aus und bietet Kindern bis zum zehnten Lebensjahr einen Rahmen, in dem der Spaß am Fußballspiel im Mittelpunkt steht und gleichzeitig die Entwicklung sozialer Kompetenzen unterstützt wird. Die Schiedsrichterregel besagt, dass die Kinder ohne Schiedsrichter spielen und alle Entscheidungen auf dem Platz selbst treffen. Können sie einen Konflikt nicht lösen, dürfen die TrainerInnen beider Mannschaften sie dabei unterstützen. Diese müssen sich wiederum an die Trainerregel halten, nach der beide Ausbilder zusammen in der sogenannten Coaching-Zone stehen und nur die nötigsten Anweisungen geben. Die Fanregel schließlich betrifft die Zuschauer, die zum Spielfeld einen Abstand von rund 15 Metern einhalten sollten. Dadurch werden die Kinder durch die Reaktionen der Eltern nicht beeinflusst und das Spiel verläuft insgesamt ruhiger. „Für Kinder ist die Fair Play Liga super, denn sie können gemeinsam handeln und entscheiden. Dieses gemeinsame Agieren schafft Verständnis für die andere Mannschaft und weicht starre Grenzen der Gruppenzugehörigkeit auf“, sagt Dr. Babett Lobinger. Einen Schiedsrichter würden die Kinder außerdem nicht vermissen. Vielmehr seien es die Erwachsenen, die sich hin und wieder einen Unparteiischen wünschen.
Diese Erfahrung musste auch schon Fußballtrainerin Katharina Henkes häufiger bei Eltern und Trainern gegnerischer Mannschaften machen: „Viele ignorieren die Regeln und mischen sich zu viel ein.“ Die Eltern ihrer Schützlinge verhalten sich jedoch vorbildlich, berichtet Henkes, „sie haben die Regeln mittlerweile verinnerlicht.“