Wenn ich meinen Sohn um drei Uhr aus der Kita abhole, hat er Hunger. Ich finde, er isst dort zu wenig. Was tun?
Das sagt die Expertin
Aus meiner Sicht lohnt es sich, das Phänomen „Hunger“ von verschiedenen Seiten zu betrachten. Zum einen gibt es natürlich den körperlichen Hunger und es ist möglich, dass das Kind in der Kita tatsächlich zu wenig isst. Um das herauszufinden, würde ich das Gespräch mit den Fachkräften suchen, nach ihren Beobachtungen fragen und mich informieren, wie den Kindern das Essen angeboten wird. Wie viel Ruhe haben die Kinder beim Essen? Können sie ihrem Bedürfnis nach Nahrung eigenverantwortlich nachkommen? Gehen Sie in den Dialog und sprechen Sie Ihre Ängste und Sorgen offen an. Bedenken Sie dabei, dass alle Fachkräfte jeden Tag ihr Bestes geben und manche „Probleme“ in der Kita gar nicht auffallen, obwohl die Erwachsenen aufmerksam sind. Da sind die Fachkräfte auf Ihre Rückmeldung angewiesen.
Was nicht gut funktioniert, sind Forderungen wie: „Achten Sie darauf, dass mein Kind jeden Tag seine Brotbox leer isst.“ Das schadet der Beziehung zwischen den Fachkräften und Ihrem Kind. Oder werden Sie gerne zum Essen gezwungen?
Der andere, aus meiner Sicht viel bedeutsamere Aspekt ist, dass der tägliche Kitabesuch für Ihr Kind eine Höchstleistung darstellt. In den Räumen ist es laut, viele Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen kommen zusammen, Ihr Sohn muss sich anpassen. Wenn Sie ihn abholen, fällt jede Menge Anspannung von ihm ab. Jetzt kann er sich fallen lassen. Darauf reagieren viele Kinder und auch Erwachsene körperlich mit einem Hungergefühl. Unter Umständen drückt Ihr Sohn über seinen Hunger einen seelischen Hunger aus. Er nutzt die Nahrung, um sich wiederzufinden und den Übergang vom Kitaalltag zum Familienalltag zu bewältigen. Viele Kinder gehen auch morgens nach dem Ankommen in der Kita erst einmal etwas frühstücken. Und auch viele Erwachsene kochen sich nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Hause als Erstes einen Kaffee. Es kann also auch ein gutes Zeichen sein, dass Ihr Sohn nach Nahrung verlangt. Weil es vielleicht bedeutet, dass er eine Strategie gefunden hat, den Übergang zwischen Kita und Zuhause zu bewältigen. Und weil es nicht heißt, dass ihm tagsüber Nahrung fehlt, sondern dass er wunderbar versorgt ist.