Wenn Eltern sich trennen, so sind sich, zumindest in den meisten Fällen, beide einig: Egal, wie groß der Konflikt, wie tief die Kränkung, auf die Kinder und deren Wohlergehen soll das alles keinen Einfluss haben. Paarbeziehungen scheitern, Eltern bleibt man ein Leben lang. Und doch sieht die Realität oft anders aus, insbesondere für die Väter. Die meisten verbringen zwar nach Trennung oder Scheidung Zeit mit ihren Kindern, aber nur ein Drittel davon regelmäßig, also mindestens einmal pro Woche. Knapp ein Drittel aller Väter hat nach Trennungen gar keinen oder nur selten Kontakt. Das geht aus einer Studie der Hertie School of Governance aus dem Jahr 2018 hervor, die Familien nach Trennungen und Scheidungen untersucht hat. Vater zu sein und zu bleiben, fällt ganz offensichtlich vielen nach einer Trennung schwer. Woran liegt das? Haben die Männer kein Interesse an ihren Kindern? Keine Zeit? Lassen Mütter zu wenig Platz für aktive Väter? Hinken rechtliche Rahmenbedingungen hinterher und erschweren partnerschaftliche Nach-Trennungs-Familienformen?
Eine große Herausforderung scheinen die festgefahrenen Rollenmuster zu sein, und zwar auf beiden Seiten. Noch immer sind es meistens die Mütter, die sich nach der Geburt um Erziehung und Haushalt kümmern und im Beruf zurückstecken – trotz Elterngeld, flexiblerer Arbeitszeiten, trotz einer neuen Generation engagierter Väter. Geht die Beziehung in die Brüche, macht jeder das weiter, was schon vorher seine Domäne war. Die Frau übernimmt den Löwenanteil der Betreuungsarbeit, die Männer verdienen das Geld. Die Kinder bleiben bei der Mutter, der Vater zieht aus. Statistisch gesehen ist Alleinerziehen weiblich: In neun von zehn Fällen haben die Kinder getrennter Eltern den Lebensmittelpunkt bei der Mutter. Dieses sogenannte Residenzmodell macht es den Vätern naturgemäß schwerer, guten, engen Kontakt zu den Kindern zu halten.
„Eine Trennung verstärkt vorhandene Rollenmuster meist noch. Die Mütter sagen dann oft: Ich habe mehr Zeit mit den Kindern verbracht, ich weiß, wo die Klamotten im Schrank sind und was sie gerne essen. Ich kann das besser als du“, sagt Eberhard Schäfer, Leiter des Väterzentrums Berlin. „Maternal gatekeeping“ nennt man es, wenn Mütter ihre Kinder nur schwer loslassen können und dem Vater nicht zutrauen, dass er seine Sache gut macht. Väter wiederum schätzen ihre Kompetenzen als Vater oft schlechter ein, als sie tatsächlich sind. „Ein großer Teil meiner Beratungsleistung besteht darin, den Vätern bewusst zu machen, dass ihr Beitrag zur Kindererziehung auch wertvoll war“, sagt der Berater.
Unterstützung für Väter
Das Väterzentrum Berlin ist Beratungsstelle und Treffpunkt für Männer, die sich aktiv in ihre Vaterrolle einbringen wollen. Gegründet wurde es vor 13 Jahren, also zu einer Zeit, als sich Gesellschaft und Politik klar wurden, dass viele Väter nicht nur Ernährer sein wollen, sondern auch gleichberechtigte Erziehungspartner. Inzwischen gibt es bundesweit viele solcher Stellen. Sie bieten nicht nur Ausflüge und Workshops an, sondern auch Beratung und Krisenintervention in strittigen Elternkonflikten.
Oder sogar, wie die Casa Papa in München, ein Zuhause auf Zeit. Die Einrichtung wird von der Diakonie getragen und bietet derzeit fünf WG-Plätze. Hier können sich Männer, deren Beziehung in die Brüche gegangen ist, stabilisieren und beraten lassen. „Männer holen sich oft sehr spät Hilfe, wenn es in der Beziehung kriselt. Manche schaffen es dann einfach nicht, schnell eine Wohnung zu organisieren oder haben nicht die finanziellen Mittel dazu. Das kann sogar dazu führen, dass sie obdachlos werden“, berichtet Berater Andreas Bugai. Wer auf der Couch bei Freunden nächtigen muss, kann sich auch nicht gut und fürsorglich um seine Kinder kümmern. Laut Hertie-Studie hängt es auch von der Bildung und vom Erwerbsstatus ab, ob es Vätern gelingt, mit ihren Kindern nach Trennung und Scheidung in Kontakt zu bleiben. Akademiker schaffen das am besten, arbeitslose Väter am schlechtesten.
Das Gericht als letzter Ausweg
Hilfreich ist es, auch das belegen die Zahlen, wenn sich getrennte Eltern das Sorgerecht teilen – was bei Geschiedenen automatisch der Fall ist und bei Nicht-Verheirateten immer mehr zur Regel wird. Aber selbst dann müssen manche Väter um den Umgang mit ihren Kindern kämpfen, hat Andreas Bugai beobachtet. „Da werden dann Gründe vorgeschoben, etwa: Das Kind ist krank, eingeladen oder bei der Oma. Bis das alles, manchmal auch vor Gericht, geklärt ist, vergeht oft wertvolle Zeit.“ Viele Väter empfänden das als Machtdemonstration ihrer Ex-Partnerinnen und seien extrem frustriert. „Brecht den Kontakt nicht ganz ab, signalisiert euren Kindern, ich bin weiterhin für euch da, auch wenn wir uns gerade nicht sehen – und habt auch Verständnis für die Gegenseite“, rät Bugai.
Sich als Ex-Partner gut um die Kinder zu kümmern ist immer eine Herausforderung. Besonders wenn die Trennung frisch ist, schaffen es viele nicht, Altlasten aus der Paarbeziehung beiseitezuschieben. „Eltern, die sich nicht auf eine Umgangsregelung einigen können, sehen im Rechtsweg oft den einzigen Ausweg. Sie nehmen sich gleich einen Anwalt, um ihre Interessen zu sichern. Das ist psychologisch nachvollziehbar, aber aus meiner Sicht oft ein Fehler“, sagt Familienberater Eberhard Schäfer. Er empfiehlt getrennten Eltern, sich erst eine Beratung oder eine Mediation zu suchen, so wie das in Berlin inzwischen auch die meisten FamilienrichterInnen anordnen. In manchen Ländern, wie zum Beispiel in Österreich, ist dies gesetzlich vorgeschrieben.
Streitpunkt Unterhalt
Könnte ein Wechsel vom Residenz- hin zum Wechselmodell, bei dem die Kinder wochenweise zwischen den Wohnungen der Eltern pendeln, helfen? Väterinitiativen kämpfen seit Jahren dafür, schließlich ermöglicht es beiden Partnern, sich um Beruf und Familie zu kümmern, was immer mehr Eltern wollen. Aber es gibt auch Gegenargumente: Das Modell erfordert gute und intensive Absprachen. Das klappt nicht immer. Manche Eltern können es schlichtweg nicht finanzieren. Oder sie leben zu weit voneinander entfernt. Und, auch das gehört zu Wahrheit, für einige Väter ist die Rolle des Wochenend-Papas, der seine Kinder bespaßt, aber mit Schule und Alltag nichts weiter zu tun haben will, sehr bequem. Und dann gibt es die Männer, die aus guten Gründen ihre Kinder nicht sehen dürfen, etwa weil sie gewalttätig sind.
Mit dem Wechselmodell ist auch ein anderes, konfliktträchtiges Thema verknüpft: der Unterhalt. Der fiele beim 50/50-Wechselmodell nämlich weg. Die derzeitige Regelung berücksichtigt nicht, ob ein Vater nur alle zwei Wochen zu Besuch kommt oder die Kinder mehrere Tage die Woche zu sich nimmt. Selbst Väter, die ihre Kinder an 13 von 30 Tagen im Monat betreuen, müssen in der Regel den vollen Satz bezahlen, obwohl sie wie die Mutter ein Kinderzimmer in ihrer Wohnung eingerichtet haben, obwohl sie bei den Hausaufgaben helfen und Ausflüge machen. Das empfinden viele Väter als ungerecht. Andererseits kämpfen viele Mütter möglicherweise auch deshalb so vehement gegen das Wechselmodell, weil sie auf den Unterhalt angewiesen sind. Die Politik hat inzwischen erkannt, dass die Düsseldorfer Tabelle, die Unterhaltsleitlinie, die ihren Ursprung in den 1960er-Jahren hat, so nicht mehr zeitgemäß ist. Das Umgangs- und Sorgerecht soll im kommenden Jahr reformiert werden. Auch der Unterhalt soll künftig besser an flexible Betreuungsmodelle angepasst werden. Aber egal, ob Wechsel- oder Residenzmodell, sagen Experten wie Eberhard Schäfer, im Grunde sei nur eines wichtig: dass sich die Erziehungsberechtigten einig sind. „Für das Kind ist jede Lösung die beste, die von beiden Eltern getragen wird.“
kizz Info
Wo bleiben die Kinder?
Beim Residenzmodell wohnen die Kinder bei einem Elternteil und werden vom anderen je nach Vereinbarung betreut, meist jedes zweite Wochenende oder noch länger. Beim Wechselmodell teilen sich die Eltern partnerschaftlich die Betreuung, 22 Prozent aller getrennten Eltern machen das inzwischen so, Tendenz steigend. Beim Nestmodell bleiben die Kinder in der Wohnung und die Eltern pendeln hin und her. Es gibt aber auch getrennte Paare, die im WG-Modell weiterhin zusammen leben – meist so lange, bis sie eine/n neue/n PartnerIn gefunden haben.
„Jederzeit kann es knallen“
kizz sprach mit Eberhard Schäfer, Diplom-Politologe, systemischer Berater, Buchautor und Leiter des Väterzentrums Berlin
Was können Väter tun, um auch nach der Trennung in gutem Kontakt zu ihren Kindern zu bleiben?
Zuerst einmal sollten sie möglichst immer im Gespräch mit der Mutter des Kindes bleiben und die Kommunikation nicht abreißen lassen, auch wenn dies schwierig erscheint. Gerade, wenn die Ex-Partnerin etwas im Umgang mit dem gemeinsamen Kind nicht gut findet, kann man das reflektieren und überlegen, ob an dem Vorwurf was dran ist. Fahre ich wirklich zu schnell, bringe ich das Kind zu spät ins Bett? Man sollte versuchen ins Gespräch zu kommen, sagen, hey, lass uns das doch mal ausprobieren und in vier Wochen schauen wir dann, ob es geklappt hat. Oft sind Väter aber so gekränkt, dass sie nicht für ihre Art der Erziehung einstehen, sondern sich zurückziehen.
Kann das im Extremfall auch zur Entfremdung führen?
Bei Beziehungsabbrüchen muss man sich jeden Fall individuell anschauen. Wenn der Vater verletzt und beleidigt ist, wirkt das natürlich auch auf die Kinder. Ebenso, wenn die Mutter immer durchblicken lässt, dass der Vater den Unterhalt nicht diskussionsfrei zahlt hat oder – angeblich – unzuverlässig ist. Das muss gar nicht laut ausgesprochen werden, Kinder bekommen die Haltung eines Elternteils zum anderen mit, da soll sich niemand etwas vormachen.
Manche Väter werfen ihren Ex-Partnerinnen vor, dass sie die Kinder manipulieren. Ist da was dran?
Dieses Phänomen gibt es sicherlich. Man sollte aber nicht allzu schnell dem anderen Elternteil Manipulation vorwerfen – es muss nicht der Grund sein, warum Kinder ihre Väter nicht mehr sehen wollen.
Woran liegt es dann?
Man weiß aus der Forschung, dass Kinder es nicht ertragen können, wenn Eltern schwere Konflikte haben. Für sie fühlt es sich dann so an, als müssten sie beim Wechsel zwischen den Elternteilen jedes Mal durch ein Minenfeld gehen: Jederzeit kann es knallen. Manche Kinder lösen diesen Loyalitätskonflikt, indem sie sich entscheiden, nicht mehr zu einem Elternteil zu gehen. Damit sind sie aus dem Minenfeld heraus. Meist ist das derjenige, bei dem sie nicht ihren Lebensmittelpunkt haben.
Haben Sie den Eindruck, dass Väter es den Müttern manchmal nicht recht machen können?
Ich wünsche mir manchmal mehr Wertschätzung für die Erziehungsarbeit getrennter Väter. Immer wieder wird „das Haar in der Suppe“ gesucht: Das Kind wurde nicht warm genug angezogen, zu spät zum Arzt gebracht usw. Besser als schnelle Kritik wäre häufig ein Perspektivwechsel: Was könnte gut daran sein, wie es der Vater macht? Väter haben oft eine andere Sichtweise und einen anderen Zugang zum Kind als Mütter. Anders muss aber nicht schlechter sein!
kizz Webtipp
www.kinder-im-blick.de
Bundesweite Initiative und Beratung für Eltern in Trennung
kizz Buchtipp
Eberhard Schäfer/Marc Schulte: Stark und verantwortlich. Ein Ratgeber für Väter nach Trennungen, Eigenverlag 2015, € 7