In jede Familie gehört ein Dreijähriger oder eine Dreijährige.“ Diesen tollen Satz sagte kürzlich ein befreundeter Papa zu mir. Wir hatten uns gerade mal wieder über die Sprüche beömmelt, die sein Sohn neuerdings klopft. Kaum sprechen gelernt, schon hauen die Kleinen Sätze raus, die uns Kolumnistinnen nicht mal nach zwei durchgegrübelten Bürotagen einfallen. „Lutsch’ meinen Zeh!“ – das ist bei uns zu Hause in die Familienannalen eingegangen. Darauf bestand mein Sohn, als er eines Nachts aufwachte, weil ihm ein Mückenstich am Fuß wehtat. Spucke drauf machen, hieß immer unser elterliche Rat. Daraus folgerte das Kindergartenkind wohl: Wenn’s richtig schlimm juckt, hilft nur komplettes Einspeicheln. Wir kamen vor Lachen kaum noch in den Schlaf.
Kinder sind eine Quelle der Inspiration, der Freude ... die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Aber so sehr wir es lieben, den vorwitzigen Nachwuchs um uns zu haben, so sehr vermissen wir auch den drögen Alltag mit uns selbst. Ich hatte jahrelang fast vergessen, wie ICH eigentlich bin. Neulich auf einer mehrtägigen Dienstreise (Hotel! Einzelzimmer! Bett, Fernseher, Frühstück, alles für mich allein!) fiel es mir wieder ein. Krass: Ich fand heraus, dass ich es offenbar liebe, mich dreimal umzuziehen, bis das Outfit richtig sitzt. Ich verbrachte unfassbare zwanzig Minuten damit, mich zu schminken und meine Augenbrauen in Form zu bringen. Ich entdeckte, wie viel Spaß mir spontanes Geldausgeben in überdekorierten, teuren Accessoire-Läden macht. (Die ich mit Kindern nie betreten würde. Wegen: „Achtung, nichts anfassen!“ „Nein, da nicht hinsetzen!“) Ich genoss meinen Taxi-Moment. Und nach dem Meeting gönnte ich mir in der Abendsonne auf der Hotelterrasse eine Weißweinschorle und einen Teller Käsespätzle. Den ich dann halb aufgegessen stehen ließ.
Was? So bin ich in Wirklichkeit? Gar nicht diese pragmatische Allwetter- Mutti, für die mich alle halten? Ich gebe zu, ich war total berauscht von meinem wiederentdeckten Selbst. Kein „Mama, wisch’ mir den Po ab!“ Kein „Geht alle noch mal pinkeln, bevor wir losfahren.“ Kein Nichts, kein Niemand. Nur ich und mein Rollkoffer. Herrlich!
Am nächsten Morgen schlug ich lange vor dem Weckerklingeln die Augen auf. Da kann man einmal ein bisschen ausschlafen und dann das. Verdammt! Die Hotelkissen waren nicht das Problem. Auch die Matratze nicht. Auf der Straße unter meinen Fenster: keine röhrenden Fahrzeuge. Was war es dann? Ich fühlte ein komisches Ziehen im Bauch. Ist das etwa – Sehnsucht?
Als ich am übernächsten Abend die Wohnungstür aufschloss, stolperte ich über einen Berg Schuhe. Mein Blick blieb an der getrockneten Lehmspur hängen, die sich vom Flur ins Badezimmer zog. Während ich noch meine High Heels von den Füßen streifte, kroch ich schon in den Putzschrank, um den Handfeger zu holen. An meinem Bein hing mein Jüngster. „Mama, da bist du ja endlich!“ An meinem Arm zog meine Mittlere, die mir ganz dringend was erzählen wollte. Die Nudeln auf dem Herd waren lauwarm. Ich schlang die Reste im Stehen in mich rein, während ich nach den Mitbringseln kramte. Über die Kinderköpfe warf ich meinem Mann ein vielsagendes Lächeln zu. Das er, wie immer, zwinkernd erwiderte.