Kitas gelten gemeinhin als Tummelplatz von Krankheitserregern und Quelle jeder Kinderkrankheit. Dabei können die Einrichtungen selbst wenig dafür: „Wo viele Kinder auf engem Raum sind, gibt es auch viele Infektionen“, sagt der Kinderarzt Dr. Jonas Schönfeld aus Rüsselsheim. Enger Körperkontakt begünstige nun einmal Ansteckungen. Im ersten Kitawinter laufe deshalb die Nase dauerhaft. „Bis zu zwölf leichte Infekte pro Jahr sind bei kleinen Kindern ganz normal“, sagt Schönfeld.
So anstrengend ständige Erkältungen auch für Kinder und Eltern sind – sie sind wichtig für die Entwicklung des Immunsystems, das sich bei Kindern noch im Trainingsmodus befindet. Bei jeder Begegnung mit einem Krankheitserreger lernt es dazu. Je älter das Kind, desto widerstandsfähiger ist das Immunsystem und umso besser die Abwehr von Infekten. Viele Krankheitserreger in der Kita sind Viren. Sie können zum Beispiel Schnupfen, Husten, Mittelohrentzündung, Durchfall oder Fieber auslösen. Bei leichten Fällen machte sich vor der Corona-Pandemie kein Kinderarzt die Mühe, herauszufinden, welches Virus genau für einen Infekt verantwortlich ist, denn für die Therapie ist das ohne Bedeutung: Nur die Symptome lassen sich lindern, eine ursächliche Therapie gibt es nicht. Auch bei schweren Viruserkrankungen wie der Influenza oder einem von Rotaviren hervorgerufenen Durchfall ist vor allem eine enge Überwachung des Gesundheitszustands wichtig. Nur wenn sich zusätzlich zum Virusinfekt auch noch Bakterien etwa in den Ohren oder Atemwegen festsetzen, lassen sich diese durch Antibiotika bekämpfen
Noch nie waren Kinderhände sauberer
Hygienemaßnahmen sollen dazu dienen, die Virenlast in der Kita niedrig zu halten und Ansteckung zu verringern. „Das ist für uns kein neues Thema, auf Hygiene haben wir immer schon geachtet“, sagt Waltraud Weegmann, Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands. „Regelmäßiges Händewaschen wird im Kindergartenalltag trainiert und praktiziert, die Niesetikette wird besprochen. Neu ist dagegen, dass sehr viel öfter gelüftet wird und die Kinder noch öfter zum Spielen nach draußen geschickt werden.“ In der Kita Moosbeerenweg des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland (CJD) in Troisdorf wurden die Fachkräfte richtig kreativ, um ihre Kinder fürs Händewaschen zu begeistern. Dort bekommt jedes Kind am Morgen einen Stempel in Form eines Virus auf den Handrücken gedrückt mit dem Ziel, dass der Krankheitserreger bis zum Abend nach sechs bis zehn Waschgängen abgewaschen ist. Essenzieller Bestandteil der meisten Hygienekonzepte sind außerdem Kontaktbeschränkungen Einrichtungen mit offenen Konzepten haben auf feste Gruppen mit festen Fachkräften umgestellt. Eltern und Fremde dürfen die Räumlichkeiten in der Regel nicht mehr betreten, Teamsitzungen finden, wenn überhaupt, nur noch virtuell statt. Die genauen Maßnahmen unterscheiden sich von Einrichtung zu Einrichtung, abhängig von den Räumlichkeiten und den Vorgaben des jeweiligen Landkreises. Wirkt das denn? „Wie effektiv diese Maßnahmen wirklich sind, werden wir erst im Frühjahr wissen“, sagt der Kinderarzt Dr. Jonas Schönfeld. Erst dann werden belastbare Daten dazu vorliegen, in welchem Ausmaß sich Kindergartenkinder in den aktuellen Erkältungs-, Influenza- und Coronawellen angesteckt haben werden. Einen Hinweis, dass die herkömmlichen Hygieneregeln zumindest nicht zur Abwehr von Erkältungen reichen könnten, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) herausgegeben: Das RKI registriert nicht nur die Zahl der Corona-Infektionen, sondern auch die der akuten Atemwegserkrankungen, also Erkältungen. Sie traten während des Lockdowns im Frühjahr seltener auf als im Jahr davor. Doch über den Sommer sind diese Zahlen auf das Vorjahresniveau zurückgekehrt.
Mit Schnupfen in die Kita?
Neben Hygiene und Kontaktbeschränkungen ist das dritte Standbein des Infektionsschutzes, kranke Kinder gar nicht erst in die Kita zu lassen. Ob Kinder mit Erkältungssymptomen in der Zeit der Pandemie eine Einrichtung besuchen können, regelt jedes Bundesland mit einer eigenen Verordnung. In vielen Ländern gelten lediglich Fieber, trockener Husten oder Beeinträchtigungen des Geruchs- und Geschmackssinns als Ausschlusskriterien, nicht jedoch eine Schniefnase bei einem ansonsten fitten Kind. Das Paradoxe an dieser Regelung: Alle sind sich einig, dass man Covid-19 nicht anhand von Symptomen diagnostizieren und sich die Erkrankung auch durch leichte Erkältungssymptome äußern kann. Somit liegt die Entscheidung bei leichten Fällen doch wieder bei den Eltern: Wenn sie das Gefühl haben, dass das Kind selbst ohne Fieber ernsthaft angeschlagen ist, sollte es zu Hause bleiben und sich auskurieren. Ist irgendetwas an den Symptomen oder der Verfassung des Kindes ungewöhnlich, dann sollte es zum Arzt. Und wenn die Eltern wissen, dass das Kind gerade einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt war – zum Beispiel beim Familienfest am Wochenende – sollte es zum Coronatest. „Kranke Kinder mit Fieber oder ernsten Symptomen gehören nicht in den Kindergarten, das war schon immer so“, sagt Waltraud Weegmann, die mit ihrem Unternehmen mehr als 40 Kitas betreibt. Ihr Träger musste die internen Vorgaben deshalb nicht extra verschärfen. „Aber wir handeln jetzt sehr viel konsequenter. Es gibt noch immer Eltern, die ihr Kind mit Fieber zu uns bringen, da rufen wir jetzt sofort an und lassen das Kind abholen. Aber wenn wir jede Schnupfennase aus der Kita verbannen würden, könnten wir zumachen.“
Diese vergleichsweise entspannte Regelung zu Erkältungssymptomen lässt viele berufstätige Eltern aufatmen. Andere sind alarmiert und sehen dadurch ein erhöhtes Corona-Ansteckungsrisiko für ihre Kinder. Immerhin ist das Risiko eines schweren Verlaufs einer Coronainfektion für gesunde Kindergarten- und Schulkinder geringer als für andere Bevölkerungsgruppen. Und die Kleinen infizieren sich seltener: Nach einem deutlichen Tief im Sommer waren die Infektionszahlen Anfang Oktober zwar auch bei den Kindern von null bis fünf Jahren auf einem Rekordhoch. Anteilig waren jedoch in dieser Altersgruppe weniger betroffen als in anderen Altersgruppen. Bei drei Vierteln aller bisherigen Ausbrüche in Kitas waren zwar auch Kinder beteiligt, doch 85 Prozent aller Erkrankten waren Erwachsene – die bekanntlich nicht die Mehrheit in einem Kindergarten darstellen.
Noch wichtiger als der Schutz der Kinder ist also der Schutz der Erwachsenen. Das betriff t die ErzieherInnen genauso wie die Großeltern, die gerade jetzt das erkältete Kind nicht mehr notbetreuen sollten, wenn die Kita geschlossen ist.
Viren sind sehr viel kleiner als Bakterien und keine Lebewesen im eigentlichen Sinne. Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel und können sich nicht eigenständig vermehren. Sie infizieren jedoch lebende Zellen und zwingen sie dazu, Kopien des Virus herzustellen. Diese Kopien infizieren weitere Zellen. Da Viren nicht lebendig sind, ist es schwierig, sie abzutöten. Trotzdem gibt es eine ganze Reihe von Medikamenten, die sich gegen Viren richten, sogenannte Virostatika, die zum Beispiel bei AIDS, Hepatitis oder Herpes wirksam sind. Sie versuchen, die Vermehrung der Viren zu unterbinden. Das Problem: Anders als Antibiotika sind Virostatika keine „Allround-Talente“. Sie wirken immer nur gegen wenige bestimmte Viren. Und da Viren menschliche Zellen kapern und benutzen, ist es schwierig, sie zu treffen, ohne gleichzeitig die eigenen Zellen zu schädigen. Deshalb setzen Impfungen vor dem Ausbruch der Krankheit an. Sie erklären dem Immunsystem, wie es die Viren bekämpft, bevor diese sich zu stark vermehren können. Es gibt eine ganze Reihe von Impfungen gegen Viruserkrankungen, zum Beispiel gegen Masern, Grippe oder Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
Bakterien sind einzellige Lebewesen, die sich durch Zellteilung sehr schnell vermehren können. Sie leben auf unserer Haut, im Darm und in den Atemwegen – mindestens so viele, wie wir Zellen im Körper haben. Viele dieser Bakterien sind für den Menschen nützlich oder zumindest harmlos, nur wenige Arten sind gefährlich, wenn sie in den Körper gelangen. Früher konnten bakterielle Infektionen jedoch tödlich enden: Pest, Cholera, Typhus und Schwindsucht werden durch Bakterien verursacht. Die Entdeckung des Penicillins, das Bakterien abtöten kann, hat die Medizin revolutioniert. Als Weiterentwicklung des Penicillins bekämpfen heute verschiedene Antibiotika krankheitsauslösende Bakterien. Impfungen wirken präventiv und aktivieren das eigene Immunsystem im Kampf gegen bakterielle Infektionen, zum Beispiel gegen Diphterie, Scharlach oder Keuchhusten.