Solche Situationen kennen alle Eltern: Ihr Kind ist aus der Schule nach Hause gekommen, hat die Schuhe zwar ausgezogen, sie dann aber kreuz und quer im Gang liegen lassen und verschwindet flugs im Kinderzimmer. "Kannst du jetzt endlich mal deine Schuhe ins Regal stellen? Muss ich dir das eigentlich jedes Mal sagen?. Gleich reicht es mir aber!" rufen Sie in Richtung des Zimmers, in dem Sie Ihren Sprössling vermuten, weil Sie nebenbei das Mittagessen zubereiten. Vermutlich hat dieser Aufruf keinen Erfolg... Aber genau diese, sich ständig wiederholenden Ermahnungen und Konfliktsituationen, machen den Erziehungsalltag manchmal so schwer.
Triple P (übersetzt: "dreimal P" steht für: Positive Parental Program, etwa: Positives Eltern Programm) soll hier nun Abhilfe schaffen.
Dieses "Eltern-Training" wurde von Matthew Sanders (Queensland/Australien), basierend auf Untersuchungen von Gerald Patterson (Oregon/USA), entwickelt. Patterson hat sich über viele Jahre mit der Frage beschäftigt, was in Familien "falsch" läuft, deren Kinder verhaltensauffällig oder straftätig werden. Sein aus diesen Studien gefolgertes Postulat für einen guten Erziehungsstil heißt: Effektive Erziehung ist der richtige Umgang mit Verhaltensverstärkungen. Erwünschtes Verhalten soll positiv bestärkt werden durch Lob, Anerkennung, Belohnungen und Aufmerksamkeit, unerwünschtes Verhalten soll möglichst nicht verstärkt werden.
Genau dies läuft und lief nach seinen Beobachtungen in den dysfunktionalen Familien falsch. Hier wurde und wird unerwünschtes Verhalten insofern bestärkt, dass die Eltern nur auf dieses Fehlverhalten und dazu häufig mit körperlicher Gewalt reagieren.
Klare, verständliche Verhaltensregeln für Eltern und Kinder
Matthew Sanders hat in Australien Ende der 90er Jahre in enger Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern ein Elterntraining entwickelt. Dieser verhaltenstherapeutische Ansatz umfasst klare, verständliche Verhaltensregeln für Eltern im Umgang mit ihren Kindern.
Um nun zu unserem Beispiel zurückzukehren: Dadurch dass wir Aufforderungen in Frageformen kleiden, lassen wir dem Kind ja die Option, "nein" zu sagen. Daher sollten wir das Kind zum einen direkt und mit Blick-Kontakt ansprechen und zum anderen unseren Wunsch klar als Aufforderung formulieren: "Claus, räume bitte deine Schuhe ins Regal." Je nach Alter des Kindes sollten Sie darauf achten, gezielte Aufträge zu geben: "Räume bitte die LEGO-Steine in die blaue Kiste!" statt "Räume bitte das Zimmer auf!" Auch sollten nicht zu viele Anweisungen auf einmal erfolgen, damit das Kind nicht überfordert ist.
An diesem kleinen Beispiel wird deutlich, wie simpel eigentlich die Ideen von Triple P sind. Erziehung im Sinne von Triple P lässt sich mit einem Haus vergleichen. Das Fundament bildet das positive Verhältnis zwischen Eltern und Kindern. Die Förderung positiven Verhaltens bilden die Wände und erst das Dach umfasst den Umgang mit Problemverhalten. Ohne tragfähiges Fundament und stabile Wände kann das Dach nicht getragen werden, oder anders gesagt: Erfährt das Kind kein "Angenommen-Sein", lässt sich auch die Korrektur unerwünschten Verhaltens schwerlich vollziehen.
Blickkontakt und direkte Ansprache stehen im Mittelpunkt
So bildet den Schwerpunkt dieses Programms die "positive Erziehung". Reden Sie viel und häufig mit ihren Kindern, sprechen Sie sie konkret an, und suchen Sie den Blickkontakt. Schenken Sie sich und Ihren Kindern "wertvolle Zeit", d. h. immer wieder zwei Minuten volle Aufmerksamkeit - statt andauernder physischer Anwesenheit bei geistiger Abwesenheit. Loben Sie Ihr Kind bei positivem Verhalten. Sicher ertappen Sie sich dabei, dass Sie immer nur unerwünschtes Verhalten ansprechen: "Jetzt hast du schon wieder nicht aufgeräumt." Jedes Kind zeigt mehrere Male am Tag erwünschtes Verhalten. Verstärken Sie dies, indem Sie es genau für dieses Tun loben: "Toll, du hast dir ja alleine die Schuhe zugebunden."
Viel schwieriger ist es, Fehlverhalten nicht zu verstärken. Hier greifen beispielsweise die Methoden "Absichtliches Ignorieren", wenn es sich nur um minimales Fehlverhalten handelt, oder "Stiller Stuhl". Mit den Kindern werden in einer neutralen Situationen die Konsequenzen, die etwaiges Fehlverhalten nach sich ziehen, besprochen. Tritt dieses dann tatsächlich ein, muss sich das Kind auf einen Stuhl setzen und sich dort einige Minuten still verhalten. Erst wenn es - und die Eltern - zur Ruhe gekommen sind, kann es am Familienleben wieder teilnehmen. Wichtig ist es, klare Regeln aufzustellen, Konsequenzen durchzuführen, aber auf keinen Fall leere Drohungen auszusprechen. Auch mit dem "Stillen Stuhl" oder anderen Maßnahmen sollte nicht gedroht werden, sie sind eine logische Konsequenz aus dem Verhalten des Kindes.
Das Konzept klingt einfach und erinnert ein wenig an die Pawlowschen Hunde-Versuche. Aber die Forschung zeigt, dass Triple P durchaus erfolgreich ist. So wird seit 2001 (voraussichtlich bis 2007) an der TU Braunschweig eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Entwicklungs- und Präventionsstudie (DFG; HA 1400 / 14-3) durchgeführt. Die eine Hälfte der beteiligten Elternschaft nahm an einem Triple P-Kurs teil, die Kontrollgruppe nicht. Es zeigte sich bislang, dass sich in den "geschulten" Familien, die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder deutlich verringert hat im Vergleich zu einer gleichbleibenden Zahl in der Kontrollgruppe.
kizz Info
Das Elterntraining Triple P wird inzwischen in vielen Städten von anerkannten Triple P-TrainerInnen angeboten:
www.triplep.de oder
www.triplep.net (auf Englisch) oder
Triple P Deutschland
PAG Institut für Psychologie
Nordstraße 22
48149 Münster
Tel.: 0251/518941