Täglich wollen wir von unserem Sohn erfahren, mit wem er im Kindergarten gespielt hat und was es zu Essen gab. Manchmal erkundigen wir uns, wie viele Tore er beim Fußball geschossen hat. Und wie oft fragen wir ihn: "Wie fühlst du dich?"
Wer seine Söhne stark machen will, sollte die Gefühlskultur in der Familie pflegen. Das heißt nicht, stundenlange Problemgespräche zu führen, sondern ein Klima zu schaffen, in dem Gefühle einen angemessenen Raum haben. Allzu schnell gehen wir im hektischen Alltag über Empfindungen hinweg - über die der Kinder, aber auch über unsere eigenen. Wir verzärteln unsere Söhne nicht, wenn wir sie nach ihrem Befinden fragen, und wir ziehen keine Muttersöhnchen heran, wenn wir ihnen verständnisvoll begegnen. Im Gegenteil: Wer sich ernst genommen fühlt, wird sich seiner "selbst bewusst" und entwickelt ein stabiles Selbstwertgefühl. Und wer Zugang zu seinen Gefühlen hat, geht auch respektvoll mit anderen um.
Alle Empfindungen sind erlaubt, aber nicht jedes Verhalten
Fragen Sie also öfter nach der Befindlichkeit Ihres Sohnes. Vielleicht werden Sie erstaunte Reaktionen ernten, vielleicht auch auf Sprachlosigkeit treffen. Denn es ist nicht leicht, Gefühle zu benennen. Schon gar nicht, wenn man es nie geübt hat. Bücher sind ein tolles Hilfsmittel. Prinzipiell gilt: Alle Empfindungen müssen respektiert werden, aber nicht jedes Verhalten. Ist Ihr Sohn zum Beispiel wütend, können Sie ihm erlauben, auf ein Kissen zu schlagen - Menschen, Tiere und Möbel sind tabu!
Gehen Sie als Vorbild voran: Entschuldigen Sie sich bei Ihrem Sohn, wenn Sie ihn ungerecht behandelt haben. Er wird lernen, dass es keine Schande ist, einen Fehler einzugestehen. Und vor allem: Erzählen Sie von Ihren eigenen Gefühlen!
Wünsche, Träume und schöne Gefühle formulieren
Ihr Sohn liebt Batman? "Ja klar", werden Sie vielleicht sagen. Aber wissen Sie auch, was er an Batman so toll findet? Fragen Sie ihn. Vielleicht bewundert er ihn für seine guten Taten. Oder weil er fliegen kann. Oder er wünscht sich, auch so ein starker Kerl zu sein. Sprechen Sie mit Ihrem Sohn über seine Idole, Wünsche und Träume. Über schöne und angenehme Gefühle, über alles, was Spaß macht und Freude bereitet. Sie werden vieles über Ihren Sohn erfahren - und er selbst auch!
Söhne brauchen Beistand in schwierigen Gefühlslagen
Angst, Trauer und Ärger werden gerne als negative Gefühle bezeichnet. Passender wäre wohl, sie "unangenehm" zu nennen, da sie durchaus ihre positiven Seiten haben:
- Angst ist manchmal ein guter Ratgeber. Gelegentlich ist es sinnvoll, bestimmten Situationen und Personen aus dem Weg zu gehen. Die Kinderbuchfigur Willi Wiberg veranschaulicht sehr schön, dass es manchmal eine gehörige Portion Mut erfordert, feige zu sein.
- Trauern und weinen sind nicht Ausdruck von Schwäche, sondern heilsame Kräfte.
- Wer sich ungerecht behandelt fühlt, sollte sich auch ärgern dürfen! Oft ist Ärger ein Anstoß dafür, sich für sein Recht einzusetzen.
Empfindungen, die uns in Bedrängnis bringen, wollen wir lieber nicht spüren, weder bei uns selbst noch bei unseren Kindern. Gestatten wir aber unseren Söhnen nicht, sich zu fürchten oder zu weinen, schneiden wir sie dauerhaft von ihrem Seelenleben ab. Sie können nicht lernen, wie sie mit solchen Gefühlszuständen umgehen können und verheddern sich schließlich in Zuständen der Hilflosigkeit.
Stehen Sie Jungen in schwierigen Gefühlslagen bei! Das hört sich leichter an, als es ist. Wir sollten lernen, präsent zu bleiben, ohne über Schmerzen, Trauer oder Ärger hinwegtrösten zu wollen. Das Signal "Ich akzeptiere deine Gefühle" ist fast immer hilfreicher als kluge Ratschläge.
Ohne selbstkritischen Blick geht es nicht
Wer Söhne erzieht, muss eigene Verhaltensweisen reflektieren und sich mit seinem Männerbild beschäftigen: Was verstehe ich unter "männlich"? Glaube ich, dass ein "richtiger" Mann stets der Fels in der Brandung sein muss? Wie tolerant bin ich gegenüber unkonventionell lebenden Männern? Ein Vater muss sich fragen: Was lebe ich vor? Gehe ich offen mit meinen Gefühlen um? Erlaube ich mir, auch mal krank oder schwach zu sein? Oder gehe ich ständig über die Grenzen meiner Belastbarkeit hinweg?
Wir alle sind stark von konventionellen Rollenmustern geprägt. Es geht nicht darum, plötzlich alles zu verändern. Aber wer seiner eigenen Erwartungshaltung auf die Schliche kommt, kann damit bewusster umgehen - und im besten Fall auch respektieren, wenn der Sohn anders "männlich" wird, als wir uns das vorgestellt haben.