RollenverhaltenJungs sind die Jäger der Zukunft

Schon bei kleinen Kindern kann man eine spezifische Rollenverteilung entdecken. Sehr deutlich zeigt sich das beim Spiel mit Waffen.

Spielzeugwaffen: Jungs sind die Jäger der Zukunft
© I. Friedrich - pixelio.de

Mit Spielzeugwaffen spielen hauptsächlich Jungen. Selten kommt ein Mädchen auf die Idee, sich ein Holzschwert oder einen Plastikrevolver zu wünschen. Jungen beknieen dagegen ihre Eltern, ihnen eine Pumpgun oder eine Platzschusspistole zu kaufen. Und wenn sie die nicht bekommen, funktionieren sie eben Stöcke oder Federballschläger dazu um. Natürlich gibt es auch Jungen, die sich nicht für das Spiel mit Waffen interessieren, oder Mädchen, die mit ihren männlichen Altersgenossen ballernd durch die Gegend ziehen. Doch das ist selten zu beobachten. Warum übt das Spiel mit Waffen eine solche Faszination auf Jungen aus?

Ausprobieren einer männlichen Rolle

"Kinder spielen die reale Welt nach", sagt Günther Gugel, Geschäftsführer des Instituts für Friedenspädagogik in Tübingen, "und in unserer Welt sind Waffen die Domäne von Männern, sowohl in der Entwicklung als auch in der Herstellung und Anwendung." Ein weiterer Grund: "Bei Jungen ist die körperliche Gewaltbereitschaft in der Regel höher; für Mädchen ist der verbale Bereich viel wichtiger", so der Experte. Und dennoch wehrt sich Gugel gegen eine Schwarz-Weiß-Malerei: "Mädchen und Frauen können Gewalt dulden oder sogar provozieren. Wenn sie die Helden pflegen und versorgen, unterstützen sie in gewisser Weise das kämpferische Verhalten." Seiner Erfahrung nach reagieren Mädchen ganz unterschiedlich, wenn Jungen mit Waffen spielen: "Einige wenden sich verständnislos ab, andere schauen bewundernd zu. Das hängt vom Mädchentyp und vom Spielszenario ab."

Manche Mädchen spielen auch mit. Doch oft in anderer Weise als Jungen. Der Offenbacher Psychologe Christian Büttner hat festgestellt, dass sich Jungen eher die Rolle des Angreifers und Mädchen eher die Rolle der Verteidigerin aussuchen. Für den Psychologen zeigen sich darin "Reste aus uralten Zeiten": "Wenn man etwa mit einer Kindergruppe einen Ausflug in den Wald macht, dann ergibt sich meist eine deutliche geschlechtsspezifische Aufteilung: Mädchen pflegen Höhlen und Häuser, Jungen gehen auf die Jagd oder kämpfen gegen imaginäre Feinde." Das Spiel mit Waffen ist also auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechtsidentität.

Das Spiel mit Waffen ist meist unbedenklich

Besteht die Gefahr, dass sich solche Rollenklischees festsetzen? Neigen Männer, die als Kinder viel mit Waffen gespielt haben, dazu, in der Partnerschaft die aktive Rolle übernehmen zu wollen, während sie von den Frauen erwarten, dass sie sich um den häuslichen Bereich kümmern und sich unterordnen? "Das Spiel kann Rollenklischees verstärken", so Gugel. "Der Mann gilt als Beschützer der Familie; er soll Verletztsein wenig zeigen. Dagegen sind Frauen eher darauf ausgerichtet, Gespräche zu führen und soziale Bindungen herzustellen." Diese Fähigkeiten eignen sie sich als Mädchen zum Beispiel durch das Spiel mit Puppen an. Dennoch ist "der Kontext" für den Experten wichtiger als die Frage nach dem Spielzeug. Von Bedeutung sind seiner Ansicht nach auch die Rollen, die Eltern ihren Kindern vorleben, und die Umgangsformen, die diese in ihrer Familie mitbekommen. Es gibt genügend Väter, die als Kinder mit Platzpatronen in der Gegend herumgeballert haben, und heute selbstverständlich die Windeln ihrer Kinder wechseln.

Ob Junge oder Mädchen - warum spielen Kinder überhaupt mit Spielzeugwaffen? "Oft ist das nur ein Ausprobieren, das bald den Reiz verliert.", erklärt Gugel. Eine andere Möglichkeit: "Das Spiel bringt unsichere Kinder in eine dominante Position, wenigstens in der Fantasie.", so der Experte. Außerdem biete es die Möglichkeit, durch ein Nachspielen eigene Aggressionen zu verarbeiten. Und das entlastet. "Das Spiel mit diesem Spielzeug allein hat keine schädliche Wirkung. Nur, wenn noch andere Faktoren bestimmend sind, wird es bedenklich", so Gugel. Dazu zählt er zum Beispiel eine problematische Familienstruktur, einen unkontrollierten Zugang zu Medien oder ein Umfeld mit starker Gewaltakzeptanz.

Ähnlich sieht es Büttner: "Ein Spiel ist immer harmloser als der Ernst. Das Spiel kann aber ein Signal für innere Spannungen sein, die sich zum Beispiel unter Stress als ernste Gewalt entladen."

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