Was für Erwachsene wie selbstverständlich zum Alltag gehört, wird zunehmend auch zum Problem unserer Kinder: Stress. Was kann dagegen helfen? Ganz einfach: Freiräume schaffen, Ruhe einkehren lassen, öfter mal ein Auge zudrücken. Und hin und wieder die eigene Erwartungshaltung überprüfen.
Immer mehr Vor- und Grundschüler leiden unter Kopfschmerzen und anderen Stress-Symptomen wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Bauchweh und Übelkeit. Manche gestresste Kinder sind gereizt und wütend, andere wirken lustlos und treten den inneren Rückzug an. Eines nässt ein, ein anderes verhält sich nervös und aggressiv. Auch Nägelkauen, erhöhte Infektanfälligkeit oder Allergien können Zeichen für kindlichen Stress sein.
Stress kann gesund sein, aber auch krank machen
Stress versetzt unseren Körper in Alarmbereitschaft und ermöglicht sportliche und geistige Höchstleistungen. Meistens lernen Kinder ohne Probleme, wie sie Belastungssituationen bewältigen können. Und sie entwickeln Strategien, um Herausforderungen zu meistern. So gesehen ist gelegentlicher Stress unvermeidbar und weder schlimm noch schlecht.
Problematisch wird es, wenn Kinder unter Dauerstress geraten, den sie alleine nicht abbauen können. Denn der kann sie krank machen. Krankenkassen investieren viel Geld in Stressbewältigungskurse, um Folgekosten zu sparen: Diabetes, psychische Labilität, Drogenkonsum und Jugendkriminalität sind einige der befürchteten Auswirkungen von unbewältigtem kindlichem Stress.
Der Stress unserer Kinder hat viele Gründe: Die mediale Dauerbeschallung sorgt für permanente Reizüberflutung, der das kindliche Gehirn nicht gewachsen ist. Viele Wohnungen sind zu klein, um sich dort austoben zu können, und manche Wohngegend lädt nicht mal zum Spazierengehen ein. Auch der hohe Lärmpegel in Kita oder Klassenraum kann zum Stressfaktor werden. Gruppenzwang und Leistungsdruck entstehen spätestens in der Grundschule, oft aber schon vorher. Viele Erzieherinnen haben zudem sehr konkrete Vorstellungen davon, wie Kinder sich zu entwickeln und zu verhalten haben: Auch das kann stressen - Kinder, aber auch die Eltern.
Mehr Freiräume zum Spielen, Toben und Träumen
Doch auch der volle Terminkalender wohlmeinender Eltern ist für Kinder oft zu anstrengend: Wer seine Kleinen täglich zum Schwimmen, Turnen, Ballett, Englischunterricht oder zur musikalischen Früherziehung kutschiert, tut ihnen damit keinen Gefallen. Hier ist weniger mehr. Denn Kinder brauchen viel Zeit, in der sie selber bestimmen können, was sie tun. Nach Lust und Laune herumrennen, basteln oder bauen: Kinder verarbeiten während des Spielens innere Konflikte und bauen so Spannungen ab.
Doch sind wir denn gute Vorbilder? Gönnen wir uns selber kleine Oasen der Ruhe oder hetzen wir auch nur von einem Termin zum nächsten? Übertragen wir die eigene Hektik vielleicht auf unsere Kinder? Können wir womöglich Leerlauf und Langeweile selber schlecht ertragen?
Um stressresistent zu werden, brauchen Kinder die Unterstützung und verständnisvolle Begleitung der Erwachsenen. So sollten Eltern ihren Wochenplan durchforsten, Nachmittagsveranstaltungen ausfallen lassen oder streichen, Fernseher und PC öfter ausschalten, Kuschelstunden einplanen oder einfach mal gar nichts tun. Manche Familien veranstalten regelmäßig einen "Schlafanzugtag" oder halten sich das Wochenende bewusst frei. Auch Ruhe-Rituale können hilfreich sein, etwa gemeinsam Musik hören, Geschichten vorlesen oder sich gemütlich in die Badewanne legen. Wohltuend sind auch Entspannungsübungen und Fantasiereisen, die für Mama, Papa und Kinder gleichermaßen geeignet sind, den Stresspegel zu senken.
Familienstress ist Kinderstress
Oft deutet kindlicher Stress auf Spannungen innerhalb der Familie hin. Besonders unterschwellige Konflikte und unausgesprochene Sorgen bedrücken Kinder, da sie unklare Situationen nicht deuten können und sich dann oft schuldig und hilflos fühlen. Daher gilt: Offen und altersgemäß über Kummer sprechen und gegebenenfalls Hilfe suchen.
Eltern übertragen auch manchmal unbewusst Ängste auf das Kind und setzen es damit ungewollt unter Druck. So sollten Mütter und Väter immer wieder mal die eigene Haltung überprüfen: Was erwarte ich von meinem Kind? Sind meine Vorstellungen realistisch und angemessen? Überfordere ich mein Kind vielleicht?
Etwas mehr Gelassenheit ist ein schönes Ziel. Dann hat unangenehmer Dauerstress keine Chance mehr.