Erziehungsberatungsstellen helfenAus der Krise finden

Die Erziehung der Kinder stellt alle Eltern vor eine schwere Aufgabe. Hier kann es auch zu Problemen zwischen Eltern und Kindern kommen, welche zu einer echten Familienkrise werden können. Als Eltern können Sie sich vertrauensvoll an eine Erziehungsberatungsstelle wenden.

Aus der Krise finden
© AntonioGuillem - iStock

"Irgendwann haben wir uns völlig zerrieben", sagt Martina Belz*. Hausaufgaben wurden zum Drama, das Fernsehen zum Reizthema und das Zubettgehen zum Theater. Die Familie aus Stuttgart wandte sich an eine Erziehungsberatungsstelle. Dort klärten Mutter, Vater und der siebenjährige Sohn ihre Positionen. Sie schlossen einen Vertrag miteinander und respektierten besondere Wünsche. "Die Erziehungsberatung war für uns ein richtig gutes Coaching", sagt Martina Belz heute. "Jetzt sind wir alle viel entspannter."

Streitereien, Schlafstörungen, Schüchternheit - die Themen, die in der Erziehungsberatung zur Sprache kommen, sind breit gestreut. Sie reichen von Essstörungen über Lernschwierigkeiten bis zu Trennungsproblemen und psychosomatischen Beschwerden wie Einnässen oder Einkoten. Oftmals sind es Probleme aus der Erwachsenenwelt, die das Kind belasten: Trennung und Scheidung, familiäre Überforderung durch Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Sorgen, Spannungen durch das Nebeneinander höchst unterschiedlicher Kulturen.

Das Problem herausfiltern

"Besonders häufig wenden sich Eltern in Übergangssituationen an uns", sagt Ulrich Gerth, stellvertretender Vorsitzender der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Wenn Kinder in den Kindergarten, die Schule oder die Pubertät kommen, sind das krisenanfällige Zeiten. Doch solche Zeiten sind auch gut, wie der Diplom-Psychologe erklärt. "In Krisen steckt Potential. Wenn die Gefühle an der Oberfläche sind, kann man gut mit einer belastenden Situation arbeiten."

Beim Erstgespräch schauen die Berater in der Regel, worum es genau geht: "Wichtig ist, dass aus einer diffusen Problemlage ein klar definiertes Problem wird, das sich anpacken lässt", erklärt Ulrich Gerth, der bei der Caritas-Erziehungsberatung in Mainz arbeitet. Ausführlich erzählen Eltern oder auch Kinder, was vorgefallen ist, was die Familie prägt und wann es brenzlig wird. Geklärt wird auch, welche Wünsche die Familie an die Erziehungsberatung hat.

Der Berater sagt dann in der Regel, was er leisten kann. Er entscheidet, ob ein paar Treffen reichen oder ob vielleicht ein Spezialist eingeschaltet werden muss. Geklärt wird auch, ob die ganze Familie zur Beratung kommt oder nur die Eltern beziehungsweise ein Elternteil oder ob das Kind alleine vorbeischaut. Manche Beratungsstellen haben überdies besondere therapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche - zum Beispiel Gruppen für Kinder, deren Eltern sich getrennt haben.

Coaching für Erwachsene

"Häufig stecken hinter den Verhaltensauffälligkeiten der Kinder Probleme der Erwachsenen", beobachtet Joseph Goerigk von der städtischen Erziehungs- und Familienberatungsstelle Charlottenburg-Willmersdorf. Wenn sich Mutter und Vater nicht über die Erziehung einig sind, wenn es in der Ehe viel Zoff gibt oder die Familie zerrüttet ist, badet dies das Kind mit aus. Dann arbeiten die Erziehungsberater gezielt mit den Paaren oder bieten einem Elternteil ein Coaching an. "Besonders stark wächst die Gruppe der Kinder mit Problemen aus Trennung und Scheidung", berichtet Diplompsychologe Joseph Goerigk. Intensiv suchen hier die Berater mit den Eltern nach einer entlastenden Lösung für das Kind. Wo kann das Kind leben? Wie lässt sich der Umgang organisieren? Wer nimmt sich wann Zeit?

Oberstes Gesetz: Vertraulichkeit

In der Regel arbeiten in der Erziehungs- und Familienberatung Psychologen, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Ärzte. Aber auch Pädagogen, Logopäden und andere Fachkräfte sind dort anzutreffen. Die Berater haben meist bestimmte Schwerpunkte wie Verhaltenstherapie, Familientherapie, Gesprächspsychotherapie oder Psychoanalyse. In Fortbildungen haben sie bestimmte Themen der Erziehungsberatung vertieft, etwa die Probleme Alleinerziehender, Trennungs- und Scheidungsberatung oder Hilfen bei sexuellem Missbrauch.

Oberstes Gesetz ist die Vertraulichkeit. "Wir reden nicht mit Lehrern, Erzieherinnen oder dem Jugendamt über unsere Gespräche", erklärt Ulrich Gerth. Auch wenn ErzieherInnen, Pädagogen oder Ärzte die Familie zur Beratung geschickt haben, gilt: Was in der Erziehungsberatung auf den Tisch kommt, bleibt im Kreis der Beteiligten. Eine Ausnahme ist, so Ulrich Gerth, wenn Eltern ausdrücklich wünschen, dass mit weiteren Akteuren gesprochen wird. Manchmal kann das sinnvoll sein, zum Beispiel um mit vereinten Kräften einem Kind zu helfen.

Kein Makel mehr

Erziehungsberatung ist ein gesetzlich verbrieftes Recht und daher kostenlos. Wer Rat sucht, hat die Wahl zwischen Erziehungs- und Familienberatungsstellen verschiedener Träger. Neben Städten und Landkreisen bieten auch freie Träger Beratung an, etwa die Caritas, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Diakonie oder die Arbeiterwohlfahrt.

Um einen Termin für ein Erstgespräch zu vereinbaren, genügt in der Regel ein Anruf in einer Beratungsstelle. Allerdings haben viele Stellen Wartelisten, so dass mehrwöchige Wartezeiten in Kauf zu nehmen sind. Bei schweren akuten Fällen, so die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, gibt es normalerweise sofort einen Termin.

"Früher empfanden es viele Menschen als Makel, sich helfen zu lassen", erinnert sich Joseph Goerigk, der seit zwanzig Jahren in der Erziehungsberatung arbeitet. Sich bei anderen Leuten in Sachen Erziehung beraten zu lassen - das roch nach Kapitulation. Doch die Zeiten haben sich gewandelt, wie der Psychologe beobachtet: "Eltern haben inzwischen ein anderes Verständnis von der Erziehungsberatung: Sie verstehen uns zunehmend als Dienstleister."

* Name geändert

kizz Linktipps

Datenbank mit Erziehungsberatungsstellen: www.bke.de
Die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) bietet eine kostenfreie Beratung auch online an: eltern.bke-beratung.de

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