"Himmel Herrgott", entfährt es mir, als ich das Zimmer meines Sohnes betrete und das Chaos entdecke. Am Morgen erst hatte ich ihm geholfen, alle herumliegenden Spielsachen wegzuräumen - jetzt sieht es dort wieder aus, als hätte ein Meteorit eingeschlagen. Mein Sohn macht große Augen: "Mama, du hast geflucht!" Ja, manchmal, wenn es ganz hart kommt, fluche ich, auch vor meinen Kindern, denn fluchen tut gut. Psychologen haben festgestellt, dass Schimpfwörter eine psychische Entlastungsfunktion erfüllen, die es mir erlaubt, meinen Ärger verbal zu evakuieren - ein Phänomen, das durchweg in allen Sprachen existiert und dem australischen Buschbewohner genauso beim Abreagieren hilft wie dem Eskimo. Und das Beste: Anfang August erst hat eine Gruppe von Wissenschaftlern der britischen Universität Keele bewiesen, dass Fluchen die Schmerztoleranz erhöht: Versuchspersonen, die die Hand in Eiswasser tauchen mussten, konnten dies länger aushalten, wenn sie fluchen durften! In diesem Sinne sind Kraftausdrücke nicht nur eine psychologische Reaktion auf Ärger, sondern gar überlebensnotwendig. Womöglich würden wir Eltern unseren Alltag gar nicht verkraften, wenn wir nicht ab und zu so richtig schimpfen dürften...
Man muss Kindern erklären, warum sie Schimpfwörter vermeiden sollten
Der Nachteil des Schimpfens ist natürlich, dass unsere Kinder diese Wörter nur allzu gern aufgreifen und selbst anwenden (viel schneller als die Wörter "bitte" und "danke" jedenfalls), oft in den unpassendsten Situationen. Deshalb muss ihnen erklärt werden, warum Kraftausdrücke im Umgang mit Mitmenschen unliebsam sind. Denn obwohl es verschiedene Kategorien von Schimpfwörtern gibt (vulgäre Ausdrücke, Flüche, Vergleiche mit Tieren usw.), haben sie immer die gleiche Wirkung: Sind sie an eine bestimmte Person gerichtet, wirken sie beleidigend und werten die gesamte Person ab ("du Blödkopf"), anstatt konstruktiv ein Verhalten zu kritisieren ("wenn du so hereingestürmt kommst, fällt mein ganzer Turm um"). Sie rufen also beim Gegenüber nur Aggressivität hervor, ohne ihm die Chance zu geben, die Auswirkungen seines Verhaltens zu verstehen und dieses zu ändern. Aber auch das einfache Vor-sich-hin-Schimpfen ist den umstehenden Personen unangenehm und fällt in die gleiche Kategorie wie schlechte Tischmanieren, die man vermeidet, um ein harmonisches Miteinander zu gewährleisten. So, wie ein Kind lernt, die Ellenbogen vom Tisch zu nehmen, sollte es also auch lernen, Kraftausdrücke herunterzuschlucken.
Bestrafen schafft nur einen zusätzlichen Reiz
Sollen Kinder deshalb für die Verwendung von Schimpfwörtern bestraft werden? Schließlich scheinen sie in einem bestimmten Alter so fasziniert davon zu sein, dass sie Kraftausdrücke auch bei Freunden (vor allem bei denen mit älteren Geschwistern) oder aus den Medien in Sekundenschnelle aufschnappen und nachplappern, ohne unbedingt zu wissen, was sie bedeuten. Hier ist Vorsicht angesagt, denn durch Strafen verleiht man den Ausdrücken einen zusätzlichen Reiz, der dazu führt, dass sie flugs besonders intensiv benutzt werden, sobald die Eltern außer Hörweite sind. Besser ist es, den Kindern zu verstehen zu geben, dass uns zwar manchmal Schimpfwörter entschlüpfen können, dies aber die Ausnahme bleiben sollte. Eine befreundete Mutter zieht einen überraschenden Vergleich: "Ich sage meiner Tochter immer, ein Schimpfwort ist wie ein Pups: eine unangenehme Ausdünstung, die alle Umstehenden stört. Das scheint sie zu beeindrucken, denn wenn ihr doch einmal ein böses Wort entschlüpft, ist es ihr geradezu peinlich!" Und damit auch die Eltern Vorbild sind und ihre Ausdrucksweise zügeln, kann sogar eine "Schimpfwörterkasse" eingerichtet werden, in die alle Familienmitglieder einzahlen müssen, wenn der sprachliche Gaul doch einmal mit ihnen durchgegangen ist.
Im Umgang mit Schimpfwörtern gilt: Ruhe bewahren
Unterm Strich aber sollten Eltern sich durch Schimpfwörter nicht auf die Palme bringen lassen, denn sie gehören zu Stresssituationen dazu wie das Kompott zum Pudding. Ein spanischer Freund von mir jedenfalls nimmt Schimpfwörter als notwendiges Übel hin und trichtert seinen Töchtern ein, ihr sprachliches Niveau an die jeweilige Situation anzupassen: "Im Schulhof kann es unter Umständen angemessen sein, einem doofen Typen ein grobes Wort an den Kopf zu werfen, um ihn an seinen Platz zu verweisen. Im Beisein der Großeltern sollten sie aber auf keinen Fall angewendet werden, sonst wären Oma und Opa entsetzt." Entsetzt? "Oh, puta madre, und wie!"