Wenn Kinder aggressiv sindKneifen, treten, beißen

Aggressives Verhalten bei Kindern kann durchaus mal vorkommen und ein normaler Entwicklungsprozess sein. Kinder müssen noch lernen, wie man mit Konflikten umgeht und reagieren oft über. Bei dauerhaft aggressivem Verhalten sollten Eltern etwas unternehmen.

Wenn Kinder aggressiv sind: Kneifen, treten, beißen
© Pixelio - CFalk

Henris Schrei kommt aus heiterem Himmel, jedenfalls in der Wahrnehmung seiner Mutter. Eben noch beobachtete sie von der Spielplatzbank aus, wie ihr zweijähriger Sohn friedlich neben einem anderen Jungen im Sandkasten saß und mit Schaufel und Förmchen hantierte. Doch kaum hat sie drei Sätze in ihrem Buch gelesen, brüllt Henri plötzlich wie von der Tarantel gestochen „Meins!" und schlägt mit seiner Schaufel nach dem Jungen. Der hat eines von Henris Förmchen in der Hand - aber auch etwas Sand auf dem Kopf.

Förmchen klauen, schreien, mit Sand werfen: Auf Spielplätzen geht es manchmal ganz schön zur Sache. Und auch Kindergärten sind nicht immer idyllisch. Eltern und Erzieherinnen können ein Lied davon singen, wie aggressiv die lieben Kleinen manchmal sind. Aggression bedeutet Angriff. Oft besteht er „nur" aus einer kleinen Beleidigung („Der Yannick malt doof"), aus Hänseleien oder Sich-lustig-machen. Ausgrenzen („Lea darf nicht mitspielen") ist ebenso aggressiv wie Einschüchtern und Drohen („Geh runter von der Schaukel oder ich hau dich"). Nicht selten richten sich Aggressionen auch gegen Sachen: Luise stößt aus Rache Tims Bauklotzturm um, Marvin tritt in einem Wutanfall gegen die Tür, Franka reißt ihrer Puppe die Haare aus. Erst am Ende der Skala finden sich dann die handfesten Attacken in all ihren Ausprägungen: Schlagen, kratzen, spucken, beißen, treten, kneifen, schubsen - und so weiter.

Woher kommt die Wut im Bauch?

Es gibt wohl kein Kind, das niemals aggressiv wird. Und so scheint es, als liege dieses Verhalten in der Natur des Menschen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass Aggressivität von mehreren Einflussfaktoren bestimmt wird: Neben einem gewissen Maß an Veranlagung und dem Temperament spielt auch die Umwelt des Kindes eine wichtige Rolle. Vereinfacht könnte man sagen: Die Anlage zu aggressivem Verhalten liegt zwar in jedem Kind - über die Art und Weise, wie die Aggressionen sich äußern, entscheiden jedoch zu einem großen Teil das Umfeld des Kindes und die Umstände, in denen es aufwächst.

An erster Stelle steht dabei die Vorbildfunktion der Eltern. Viele Studien belegen, dass Kinder sich Aggressionen regelrecht abgucken. Der schweizerische Psychotherapeut Hans Zulliger brachte es auf den Punkt: „Wer sein Kind schlägt, lehrt es schlagen". Wenn ein Kind im Kindergarten immer wieder durch aggressives Verhalten auffällt, lohnt sich also ein Blick hinter die Kulissen: Was wird ihm in seiner Familie vorgelebt? Welche Erfahrungen hat es bereits gemacht? Welchen Erziehungsstil praktizieren die Eltern? Fragen wie diese können bestimmen, wie stark ein Kind zu unkontrollierten Wutausbrüchen neigt. Dabei sollte man aber mit Fingerspitzengefühl vorgehen: Gelegentliche Aggressionsattacken kommen in „den besten Familien" vor und sind kein Grund, gleich das Jugendamt einzuschalten. Die Ursachen sind fast immer harmlos: Wer zum Beispiel müde ist, wird recht schnell aggressiv; vielleicht hat das Kind einfach nur einen schlechten Tag, an dem ihm nichts gelingen will; möglicherweise bedrückt es auch etwas - zum Beispiel der Tod des Goldhamsters. Aggressionen müssen auch nicht immer zerstörerisch sein, sondern können durchaus etwas Konstruktives haben: Sie liefern einem Kind beispielsweise die Energie, die es braucht, um sich selbst verteidigen zu können. Wut macht Mut - und die benötigt ein Kind, das sich in der Gruppe behaupten will, gegen Ungerechtigkeiten wehren und die Welt zu erforschen möchte.

Aggressionen erlaubt, Schlagen verboten!

Es geht also nicht darum, Aggressionen permanent zu unterdrücken, sondern darum, sie in akzeptable Bahnen zu lenken. Es ist zwar oft nervig, aber Kinder dürfen ruhig mal lauthals ihre Meinung äußern, mit dem Fuß aufstampfen oder in ein Kissen boxen. Kurz: Sie haben ein Recht darauf, wütend zu werden. Fliegen dabei aber die Fäuste, gibt es nur eine Botschaft: STOP, und zwar sofort. Auch wenn es sinnvoll ist, sich nicht gleich in Kinderstreit einzumischen, sollten Erziehende Gewalt ohne Ausnahme unterbinden. Schlagen verboten: Wer diese Botschaft konsequent und ruhig auch ohne große Erklärungen vermittelt, hat schon viel gewonnen. Eltern, die einen einfühlsamen und gewaltfreien Erziehungsstil praktizieren und auch miteinander respektvoll umgehen, zeigen ihrem Kind quasi von allein viele Möglichkeiten, Dampf abzulassen, ohne ständig gewalttätig zu werden.

Wenn ein Kind jedoch über mehrere Monate nahezu ausschließlich durch aggressive Handlungen mit anderen Kontakt aufnimmt, kann das ein Warnzeichen sein. In diesem Fall empfiehlt es sich, mit professioneller Hilfe (zum Beispiel bei der Erziehungsberatungsstelle oder dem Kinderpsychologen) nach den Ursachen der Aggressivität zu suchen.

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