Der Spielplatz ist die ideale Schule des sozialen Verhaltens: hier muss man seinen Platz behaupten; hier müssen die Konzepte "gerechtes Abwechseln" und "Reihenfolgen einhalten" angewendet werden; hier stößt man auf egoistische Mitmenschen, die unsere Argumente ignorieren, uns unverhohlen auslachen und Frustrationen erzeugen. In den meisten Situationen ist es besser, sich anfangs nicht einzumischen und die Kinder selbstständig nach einer Lösung suchen zu lassen. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und zeigt ihnen, dass sie Probleme lösen können, ohne die Hilfe der Eltern in Anspruch nehmen zu müssen. Falls die Situation aber Ihr Kind oder ein anderes in Gefahr bringt (z.B. weil auf der Leiter zur Rutsche Gerangel entsteht und ein Kind herunterfallen könnte), ist sofortiges Einschreiten nötig.
Situation 1: Der ewige Streit um die Schaukel, die Rutschbahn, das Klettergerüst
Möchte Ihr Kind schaukeln und diese ist besetzt, sollte es sich daneben stellen und warten, bis das andere Kind ausgeschaukelt hat. Nach einer Weile kann Ihr Kind das andere Kind bitten, die Schaukel freizugeben. Ist diese Bitte fruchtlos, können Sie entweder einschreiten und die Bitte Ihres Kindes wiederholen, oder ihm vorschlagen, etwas anderes zu spielen, bis die Schaukel frei wird. Auf keinen Fall sollten Sie versuchen, die Schaukel anzuhalten und den Dauerschaukler zum Absteigen zu zwingen: wenn er durch Ihr Eingreifen fällt und sich verletzt, haben Sie das Problem um ein Vielfaches vergrößert. Gibt es bei der Benutzung eines Spielgeräts Streit um die Reihenfolge, sollte Ihr Kind zunächst selbst auf Fairness bestehen. Es könnte z.B. sagen: "Wir rutschen in der Reihenfolge, in der wir uns anstellen", um dem Störenfried klarzumachen, dass dies eine allgemeingültige Regel ist, die ein einzelnes Kind nicht außer Kraft setzen darf. Wenn der Zustand anhält, können Sie einschreiten und selbst den Verkehr an der Rutsche regeln. Konfrontieren Sie dabei die Störenfriede nicht direkt, sondern wenden Sie sich an alle Kinder: "So, jetzt rutscht jeder der Reihe nach, und keiner drängelt sich vor."
Situation 2: Meine Spielsachen, deine Spielsachen
Auf dem Spielplatz liegen oft scheinbar herrenlose Spielsachen herum. Möchte Ihr Kind damit spielen, erklären Sie, dass das so lange in Ordnung ist, bis der rechtmäßige Besitzer zurückkommt. Dann fragen Sie sofort nach Erlaubnis oder entschuldigen sich, die fremden Sachen benutzt zu haben. Schlagen Sie vor, dass beide Kinder zusammen spielen. Falls dies nicht klappt und das fremde Kind darauf besteht, die eigenen Sachen an sich zu nehmen, sollte Ihr Kind auf eine andere Beschäftigung ausweichen.
Situation 3: "Geh weg!"
Es schmerzt Sie sicher genauso wie Ihr Kind, wenn andere Kinder es nicht mitspielen lassen wollen. Aber Sie tun ihm bestimmt keinen Gefallen, wenn Sie seine sozialen Konflikte austragen: es muss schon selbst darauf bestehen, mitspielen zu können, oder sich mit der Situation abfinden. Was wäre gewonnen, wenn Sie den anderen Kindern befehlen würden, Ihr Kind mit einzubeziehen? Ein harmonisches Spiel könnte dadurch nicht erzwungen werden. Anders verhält es sich, wenn Ihr Kind daran gehindert wird, ein allgemein zugängliches Spielgerät (Karussell, Brunnen) zu benutzen. Hier können Sie erklären, dass alle das Recht haben, damit zu spielen. Dadurch zeigen Sie, wie gerechtes Verhalten in der Gemeinschaft aussehen sollte.
Situation 4: Es wird getreten und geschlagen
Es gibt immer wieder grobe, unfreundliche Kinder, die mit Sand werfen, schubsen und treten, und es scheint, als ob sich gerade deren Eltern absichtlich hinter ihrer Zeitung verstecken, um nicht eingreifen zu müssen. Egal, ob es Ihre eigenen oder fremde Kinder sind, die so misshandelt werden: Ihr Einschreiten ist berechtigt, und Sie müssen nicht erst die Eltern des Grobians bitten, ihn zurechtzuweisen. Fordern Sie ihn direkt auf, sofort damit aufzuhören, und wenn er Ihrer Bitte nicht nachkommt, fassen Sie ihn am Arm, um ihn am Weitermachen zu hindern. Gehen Sie dann auf Augenhöhe und erklären Sie allen Kindern, dass dieses Verhalten gefährlich ist. Fragen Sie den Grobian, wo seine Eltern sind, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass Ihr Kind sich falsch verhalten hat. Vermeiden Sie, vorwurfsvoll zu klingen, und berichten Sie so neutral wie möglich: "Ich habe gerade Ihrem Kind erklärt, dass es andere nicht treten darf. Bitte haben Sie ein Auge darauf, dass Ihr Kind nicht noch einmal einem anderen Kind wehtut."
Situation 5: Kekse haben große Anziehungskraft
Sobald Sie Ihre Kekstüte öffnen, steht flugs nicht nur Ihr Kind, sondern auch ein anderes daneben und hofft, etwas abzubekommen. Natürlich ist es schön, wenn Sie Ihrem Kind zeigen, dass man mit anderen teilt, und bei Früchten oder einem Stück Brezel denkt man sich nichts Böses. Andererseits könnte es durchaus sein, dass die Eltern des Kindes damit nicht einverstanden sind - etwa, weil das Kind eine Allergie hat oder eine Diät einhalten soll. Deshalb sollten Sie das fremde Kind bitten, erst die Eltern um Erlaubnis zu fragen.
Situation 6: Wohin, wenn's dringend ist?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: wenn Sie einen entfernten Winkel ausfindig machen können, in dem Ihr Kind seine Blase entleeren kann, ohne von anderen Kindern gesehen zu werden (z.B. auf Waldspielplätzen), ist das in Ordnung. Wenn nicht, sollten Sie lieber nach Hause gehen und das nächste Mal darauf bestehen, dass vor dem Verlassen der Wohnung noch einmal die Toilette aufgesucht wird. Wenn Ihr Kind erfährt, dass der Harndrang das Verlassen des Spielplatzes nach sich zieht, ist es womöglich das nächste Mal in der Lage, das Entleeren der Blase etwas hinauszuzögern. Alle anderen Alternativen (nach einer öffentlichen Toilette außerhalb des Spielplatzes suchen, nach Hause gehen und dann wieder kommen) sind meist nur umständlich und nervig.