Es war schon ein bisschen peinlich: mitten hinein in das Schweigen der Erwachsenen am Grab der Urgroßmutter fragt die siebenjährige Laura: "Und was passiert jetzt mit dem Geld von der Uroma? Wird das mit vergraben?" Unüberhörbares Räuspern, tadelnde Blicke suchen ihr Ziel. Aber musste jetzt wirklich die vierjährige Julia mit wichtigem Unterton noch eins draufsetzen? "Wird es gar nicht," zwitschert sie glockenhell ihrer großen Schwester zu, ganz stolz, dass sie sich mit Beerdigungen auch schon ganz gut auskennt, "die Uroma hat doch ein Ziment gemacht." Der jüngste Onkel erstickt sein Grinsen im Taschentuch, andere Trauergäste nesteln hingebungsvoll an ihren Knöpfen herum oder wenden sich ab, der Vater der beiden kleinen Mädchen konzentriert seinen Blick auf einen Punkt in den Baumwipfeln. Später, wenn der etwas peinliche Vorfall zur Familienanekdote geronnen ist, werden sie wohl alle darüber lachen.
Gemischte Gefühle
Erwachsene sind oft viel gehemmter als Kinder, die ihre Unbefangenheit auch in der Begegnung mit dem Sterben, Tod und Beerdigung behalten. Kinder reagieren auf den Verlust eines nahen Menschen mit Angst und Furcht, Tränen und Trauer, aber auch mit unverhohlener Neugierde - sie erleben häufig ein rasches Wechselbad der Gefühle, das Erwachsenen manchmal auch merkwürdig vorkommt. Eben noch schluchzte Laura herzerweichend, weil sie ihre Uroma verloren hat; kurz darauf kann sie schon wieder lachen und ihren Schmerz über der wichtigen Frage vergessen, was mit dem Geld der Uroma passieren wird.
Für Erwachsene ist es oft gar nicht so einfach, mit den viel direkteren und unsentimenaleren Gefühlen von Kindern umzugehen. Aber das darf durchaus sein: Kinder zurechtzuweisen, weil sie sich nicht anständig benehmen oder dem Verstorbenen nicht den nötigen Respekt bezeugen, hieße, ihnen den Kontakt zu ihrer eigenen Gefühlswelt zu verbieten - und die Angst um das große Geheimnis Tod noch zu schüren. All die Empfindungen von Angst, Wut, Minderwertigkeit oder Schuld sind für ein Kind nicht vorhersehbar und zum Teil unbewusst. Wenn es sich in dieser Verwirrung verstanden wissen darf und erfährt, dass seine Gefühle sein dürfen und beachtet werden, fühlt es sich nicht mehr so allein. Verstehend können Erwachsene das Kind begleiten: Je mehr es uns möglich ist, im Gespräch offen, echt und aufrichtig zu sein, umso mehr erfahren wir, dass Kinder uns Vertrauen und Offenheit schenken.
Besonders kleine Kinder trauen sich, ihre Gefühle auszuleben und suchen sich spontan und unbedacht einen Ausgleich zu der Schwere des Ereignisses. Ein siebenjähriger Sohn fragte etwa bei der Beerdigung der Mutter "Du, Papi, wann ist denn das zu Ende? Und gehen wir dann hinterher ins Schwimmbad?"
Raum für Fragen und Gespräche
Wie gut ein Kind den Verlust eines geliebten Menschen verkraftet, hängt von der Atmosphäre ab: gelingt es, ein Klima zu schaffen, das es dem Kind erlaubt, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken, werden sich beängstigende Fantasien auflösen und konkrete Bilder entstehen, die Antworten auf die Fragen der Kinder geben. "Was geschieht mit einem Menschen, wenn er tot ist?", oder "Was ist denn eigentlich sterben?", oder "Was geschieht mit mir, wenn du auch stirbst?", oder "Wer ist Schuld, dass meine Schwester jetzt tot ist?", sind Fragen, die Kinder bei der Begegnung mit dem Tod bewegen. Weil sie die Ursachen von Sterben und Tod nur schwer verstehen können, fühlen sie sich manchmal schuldig am Tod. Vielleicht haben sie dem Verstorbenen sogar einmal aus Eifersucht oder Wut den Tod gewünscht und glauben nun, dass das der Grund des Todes war. Darum ist es wichtig, deutlich zu machen, warum jemand gestorben ist.
Sachliche Informationen über das Geschehen beim Tod sind oft eine große Hilfe. Für Erwachsene ist das manchmal schmerzhaft und schwierig, auch weil uns das Ablenken und Verdrängen leichter fällt. Die Kinder wollen wissen, warum ein Geschwisterkind oder ein Elternteil gestorben ist - und für die Erwachsenen ist es eine große Chance, sich für ein Gespräch offen zu halten. Wenn das Kind spürt, dass es über den Verstorbenen sprechen und Fragen stellen kann, bleibt es mit seinen Gefühlen nicht allein - und sein erwachsener Gesprächspartner auch nicht: wer über seine Gefühle von Angst, Verlust und Schmerz, Trauer und Sehnsucht sprechen kann, erlebt den Trost, den er gibt, auch an sich selbst.
Wie ein Kind auf den Tod reagiert, hängt auch von seinem Alter ab
- Kinder unter drei Jahren können den Tod noch nicht begreifen. Für sie bedeutet Tod Abwesenheit für eine kurze Zeit - "Mama kommt gleich wieder".
- Erst zwischen drei und fünf Jahren beginnen sie langsam, dem Ereignis nachzuforschen und zu fragen, was immer ihnen in den Sinn kommt. Kleinere Kinder machen sich Sorgen, wenn sie sich ausmalen, dass ihre Eltern sterben könnten und sie dann alleine wären. Ist ein Familienmitglied gestorben, können alltägliche Ängste intensiver werden: Angst vor Dunkelheit oder vor dem Alleinsein. Sagen Sie Ihrem Kind ruhig, dass jeder Mensch eines Tages sterben wird - wenn er zu Ende gelebt hat. Und dass Sie all miteinander noch jung sind und das ganze Leben vor sich haben.
- Im Grundschulalter wird der Tod realistischer, mit Gefühlen von Trennung und Schmerz verbunden. Ältere Kinder denken sich den Tod oft als Person - den Sensenmann oder die Knochengestalt.
- Erst später mit zehn, elf Jahren erkennen Kinder den Tod als abschließendes und unausweichliches Ereignis. Beim Tod eines nahen Angehörigen reagieren sie leicht mit körperlichen Symptomen wie Müdigkeit, Kopf- oder Bauchweh.