Wutgeheul, ein Schuh knallt auf den Boden. Die Zornesröte steht der fünfjährigen Maja im Gesicht. Auch beim zweiten Anlauf hat es mit dem Schleifebinden nicht geklappt. Da muss man doch einfach ausrasten.
Obwohl sie zum Familienalltag dazugehören, sind kindliche Wutausbrüche immer wieder eine Herausforderung für die Nerven und die Geduld der meisten Eltern. Was steckt dahinter, wenn gebrüllt und getobt wird, sobald etwas nicht nach dem kindlichen Plan läuft? Warum muss der kleine Bruder einen Schubs einstecken, warum zieht der eher zurückhaltende Sohn mitten im Spiel das Nachbarsmädchen an den Haaren?
Wut tut gut
Jenseits jeder Wertigkeit ist Wut ein ganz normales Gefühl. So wie jeder Mensch fähig ist, Freude oder Angst zu spüren, kann er auch wütend werden - und das von Kindesbeinen an. Doch die Wut hat auch einen Zweck. Ihre aggressive Energie bewirkt, dass wir uns abgrenzen, uns durchsetzen, uns weiterentwickeln.
Wütend sind wir immer dann, wenn uns eine Situation nicht passt und wir deshalb eine Änderung herbeizwingen wollen. Das hungrige Wutgeschrei eines Säuglings ist vor allem pure Überlebensnotwendigkeit. Das wütende Kleinkind reagiert bereits auf Grenzen, die es so nicht akzeptieren will. Die Suche nach neuen Handlungsspielräumen, das Anrennen gegen Widerstände sind wichtige Schritte auf dem Weg in die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Jedes Kind kann nur dann etwas lernen, wenn es mit Energie etwas Neues in Angriff nimmt.
Doch je jünger die Kinder, desto mehr sind sie auch von dem Gefühlsansturm überwältigt, wenn sie auf ihre Grenzen stoßen. Ihnen fehlen dann die angemessenen Worte. Und sie können ihr Verhalten nicht wie Erwachsene steuern, geschweige denn direkt bewusst zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten wählen. Hemmschwellen, die Wutgeschrei und Tränen unterdrücken, sind noch nicht ausgeprägt. So kommt es zum Wutausbruch, der oft mit kleineren Handgreiflichkeiten und verbalen Überreaktionen einhergeht.
Kindliche Entwicklung ist also ohne gelegentliche Wutattacken gar nicht denkbar - sie sollten deshalb auch nicht mit elterlicher Autorität unterdrückt werden. Doch es gilt natürlich zu verhindern, dass Wut in Gewalt umschlägt, dass Kinder nur noch hauen und treten, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Helfen Sie also ihrem Kind, mit Ärger und Wut umzugehen und konstruktive Lösungswege zu finden. Das ist gerade dann wichtig, wenn Wutattacken auf eine schwerwiegendere Krise hinzudeuten scheinen.
Wut als Ventil
Manchmal steckt hinter den Wutanfällen mehr als nur eine rein entwicklungsbedingte Reaktion. So können beispielsweise Ängste zu aggressivem Verhalten führen. Etwa die Angst, verspottet zu werden, Verlustängste oder die kindliche Angst zu versagen und damit die nicht selten hoch gesteckten Erwartungen der Eltern zu enttäuschen.
Oft werden auch familiäre Krisen und Umbrüche mit vermehrten Wutausbrüchen quittiert. Die bevorstehende Trennung der Eltern, die Krankheit eines Familienmitglieds, der Umzug in eine neue Umgebung sind verunsichernde Momente für Kinder. Sie benötigen dann zusätzliche Zuwendung und Aufmerksamkeit. Und die holen sie sich häufig durch spektakuläre Wutausbrüche und aggressive Aktionen.
Ein weiterer Grund dafür: ein Kind ist eifersüchtig auf seine Geschwister. Dahinter steckt die Angst, die Liebe der Eltern zu verlieren und nicht mehr genügend beachtet zu werden.
Nicht verschwiegen werden darf natürlich auch, dass erlittene Gewalt ihrerseits aggressives Verhalten hervorrufen kann. Kinder, die herumkommandiert und häufig hart bestraft werden, greifen - weil sie es nicht anders kennen - diese Verhaltensmuster auf.
Bei massiveren und häufig wiederkehrenden Wutausbrüchen ist Ursachenforschung seitens der Eltern notwendig, eventuell auch mit Hilfe von Fachleuten. Nur wenn Sie wissen, was Ihr Kind in die Aggression treibt, können Sie mit dem jeweiligen Konflikt und dem einhergehenden Gefühlsansturm angemessen umgehen.
Wege aus der Wut
Doch was ist in dem Moment zu tun, in dem der Zornteufel sein Unwesen treibt? Zunächst einmal heißt es: tief durchatmen. Die kindliche Wut richtet sich nicht gegen Sie persönlich. Sie ist Ausdruck dafür, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter mit sich selbst Schwierigkeiten hat. Zeigen Sie deshalb unbedingt, dass Sie die Gefühle Ihres Kindes akzeptieren. Aber geben Sie auch klare Hinweise darauf, wie mit der Wut angemessen umzugehen ist. Hier einige Tipps:
- Dulden Sie es nicht, wenn andere Kinder geschlagen werden, wenn Dinge zu Bruch gehen.
- Wenn das Kind so außer Rand und Band ist, dass Sie es gerade verbal nicht erreichen, ermöglichen Sie ihm, ohne Schaden Dampf abzulassen. Oder Sie bestehen auf einer fünfminütigen Auszeit im Kinderzimmer.
- Wenn die gröbste Wut verraucht ist, suchen Sie das Gespräch. Ermuntern Sie Ihr Kind, zu sagen, dass es wütend ist und warum es so fühlt. Suchen Sie gemeinsam nach einem Ausweg.
- Helfen Sie, Begründungen für die Wut zu finden: "Bist du wütend, weil ich mich zuerst um den Kleinen gekümmert habe?" "Ärgerst du dich, weil Anna heute mit Marie spielt?"
- Loben Sie Ihr Kind, wann immer es einen Konflikt mit Hilfe von Worten und friedlich löst oder sich auf einen Kompromiss einlässt.
- Und nicht zuletzt: Achten Sie darauf, wie Sie selbst mit Ihrer Wut umgehen. Zeigen Sie, dass auch Sie dieses Gefühl kennen, aber auch, wie man es überwinden kann.