Lisa (5) kommt bald in die Schule. Noch hegen ihre Eltern Zweifel, ob sie mit der neuen Situation klarkommen wird: Wird sie es schaffen, mehrere Schulstunden lang still zu sitzen und bei der Sache zu bleiben? Schon beim Spielen und Basteln hat Lisa bisher wenig Ausdauer gezeigt. Selten bringt sie ein Vorhaben, das sie begonnen hat, wirklich zu Ende.
Möglicherweise sind die Bedenken von Lisas Eltern dennoch unbegründet. Vorschulkinder in Lisas Alter können sich gewöhnlich noch nicht länger als etwa 15 Minuten konzentrieren. Dabei brauchen sie oft die Unterstützung eines Erwachsenen. Erst mit der Zeit lernen sie, eine Aufgabe selbstständig und ausdauernd anzugehen und sie allein zu beenden.
Gute Bedingungen zu Hause helfen
Als Eltern können Sie Ihr Kind allerdings in dieser Entwicklung unterstützen, indem Sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen:
- Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Kind bei einer konzentrierten Tätigkeit nicht unterbrechen oder ablenken.
- Vermeiden Sie Reizüberflutung, etwa durch übermäßigen Medienkonsum, und reduzieren Sie das Angebot an Spielsachen, damit Ihr Kind den Überblick behält.
- Sorgen Sie sowohl für ausreichend Bewegung als auch für Momente der Entspannung - beides braucht Ihr Kind, um sich anschließend wieder mit Konzentration einer Aufgabe widmen zu können.
Falls Sie dennoch Zweifel am Konzentrationsvermögen Ihres Kindes haben, sollten Sie es über einige Zeit genauer beobachten: Kann es sich als Vorschulkind zumindest für einige Minuten auf eine Aufgabe konzentrieren? Arbeitet es sorgfältig? Hält es auch noch eine Weile durch, wenn Schwierigkeiten auftauchen oder gibt es sofort auf? Ermüdet es rasch? Beachten Sie hierbei, dass auch die Tageszeit für das Konzentrationsvermögen eine Rolle spielt.
Ursachen von Konzentrationsstörungen
Konzentrationsstörungen bei Kindern können unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal handelt es sich um Wahrnehmungsstörungen, also Störungen bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken im Gehirn. So kann zum Beispiel die Seh- oder Hörwahrnehmung beeinträchtigt sein, was entsprechende Defizite in diesen Bereichen zur Folge hat. Vor allem in der Schule wird sich das bemerkbar machen, weil das Kind vieles nicht mitbekommt, was im Unterricht erklärt oder gezeigt wird. Es können aber auch Probleme der Körperwahrnehmung sein, die das Kind immer wieder aus seiner Aufmerksamkeit herausreißen. Wenn ein Kind zum Beispiel Schwierigkeiten mit der Feinmotorik hat, wird es beim Malen, Basteln oder Schreiben sicher nicht lange durchhalten, weil es solche Tätigkeiten als sehr anstrengend erlebt.
Oft ist die Ursache für Konzentrationsprobleme auch das sogenannte Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS), dem eine Stoffwechselstörung im Vorderhirn zugrunde liegt; dieser Bereich des Gehirns ist unter anderem zuständig für die Filterung und Verarbeitung von Umgebungsreizen. Kinder mit dieser Störung reagieren zwar sensibel auf solche Reize, sie können jedoch nur schwer kontrollieren, auf welchen Reiz sich ihre Aufmerksamkeit richtet und wie lange. Dementsprechend schwer fällt es ihnen, sich über längere Zeit auf eine Tätigkeit zu konzentrieren. ADS-Kinder erkennt man unter anderem daran, dass sie sich leicht ablenken lassen, sich bei Alltagsaufgaben oft vergesslich zeigen und häufig nicht zuzuhören scheinen, wenn man sie anspricht. Oft ist ADS begleitet von Hyperaktivität die betroffenen Kinder zappeln ständig herum und ecken überall an.
Behandlungsmöglichkeiten
Wenn Sie glauben, dass Ihr Kind von ADS oder einer Wahrnehmungsstörung betroffen ist, sollten Sie einen in diesem Bereich erfahrenen Kinderarzt oder einen Kinderpsychiater aufsuchen. Auch eine Erziehungsberatungsstelle kann weiterhelfen, da dort neben einer Beratung oft auch eine ärztliche Abklärung vorgenommen wird.
Bestätigt sich bei einem Kind der Verdacht auf ADS, so wird neben einer Verhaltenstherapie meist zu einer medikamentösen Behandlung mit dem Wirkstoff Methylphenidat geraten, der die Aufmerksamkeit verbessert. Diese Behandlung ist allerdings umstritten, da die Nebenwirkungen bisher nicht ausreichend erforscht sind. Weitere Behandlungsmöglichkeiten sowohl für Kinder mit ADS als auch mit Wahrnehmungsstörungen sind eine Ergotherapie zur Verbesserung der Fein- und Grobmotorik oder eine psychomotorische Förderung in Kleingruppen, bei der neben der Motorik auch die sozialen Kompetenzen spielerisch verbessert werden. Wichtig ist nicht zuletzt, dass Eltern und Erzieher Geduld und Verständnis für ein betroffenes Kind aufbringen und ihm immer wieder das Gefühl vermitteln, mit seinen Schwächen anerkannt und angenommen zu sein.