Obwohl Fernseher, PC und Internet den Alltag und das Freizeitverhalten fast aller Kinder in den letzten Jahren enorm verändert haben, ist die Bedeutung des Lesens und Schreibens nicht geringer, sondern eher noch größer geworden. Die explodierende Informationsgesellschaft kann von Kindern und Erwachsenen nur genutzt werden, wenn sie die Grundtechnik der Informationsverarbeitung, nämlich Inhalte durch Lesen und Schreiben zu erfassen und weiterzugeben, schnell und reibungslos beherrschen. Doch wie entwickelt ein Kind diese zentrale Fähigkeit?
Namen helfen verstehen
Schon viele Jahre vor dem ersten Schulbesuch werden die Grundsteine für den Lernerfolg gelegt. Hören und Sehen sind grundsätzliche Voraussetzungen, die ein Kind haben muss, um problemlos Lesen und Schreiben lernen zu können.
Ein waches, aufmerksames, interessiertes und normal entwickeltes Kind lernt bald, dass die Dinge und Personen in seiner Kinderwelt Namen haben.
Namen ermöglichen es dem Kind, etwas zu benennen und folglich auch Dinge zu bekommen, auf die es nicht mit dem Finger zeigen kann, weil sie gerade nicht zu sehen sind. Diese Erfahrung führt bei fast allen Kleinkindern dazu, dass sich ihr Wortschatz schnell erweitert.
Bilder lesen
Kinder beobachten ihre Umwelt mit großem Interesse, und so wird ihnen bald klar, dass auch bestimmte Zeichen sich wiederholen und als Platzhalter für eine Bedeutung stehen. Die erste große Hürde des Lesenlernens ist genommen, wenn ein Kind zum Beispiel das Schild "Kinderspielplatz" mit dem realen Spielplatz verbindet. Viele Kinder behaupten nun gerne von sich, dass sie schon lesen können. Und in der Tat weckt dieses erste "Lesen" von Zeichen das Interesse des Kindes an unserer komplizierten Schriftsprache und sollte unbedingt gefördert werden. Sehr gut eignen sich dafür Lesebücher, in denen bestimmte, geeignete Nomen durch Bilder im Text ersetzt sind.
Worte malen
Das erste Schreiben ist eher ein Abmalen von Symbolen, die das Kind noch nicht ihrer Bedeutung, nämlich einen bestimmten Laut zu repräsentieren, zuordnen kann. OMA wird abgemalt und auch das Wortbild des eigenen Namens TIMO erlernen Vorschulkinder oft schnell.
Jetzt ist es Zeit, dem Vorschulkind in spielerischer Art und Weise die Lautvielfalt unserer Sprache nah zu bringen. Dazu eignen sich Lautgebärden, Reime und Wortspiele sehr gut. Auch Hand-Klatschspiele trainieren das Gefühl für Wort-Rhythmus und Reimformen.
Mit spielerischen Übungen wie "Wo hörst du bei dem Wort Onkel das "O"?" lernen Kinder Schritt für Schritt das Analysieren der Buchstabenreihenfolge in einem Wort. Nun wird das Geheimnis des Wortes OMA nach und nach gelüftet, und auch in anderen Wörtern, wie beispielsweise OPA, wird das "O" von den Kindern erkannt.
Mit allen Sinnen lernen
Wenn das Grundschulkind bestimmte Laute sicher aus der gesprochenen Sprache heraushören kann, dann können die ersten Buchstaben auch als konkrete Symbole gelernt werden. Es geht nun darum Laut-Buchstaben-beziehungen zu erkennen und anzuwenden. Am besten eignen sich zu Beginn die fünf Vokale. Beim Erlernen der Buchstaben gilt es, alle Sinne einzubeziehen, um eine möglichst stabile Kenntnis der Buchstaben zu vermitteln. Ein "O" kann man mit dem Körper legen, man kann es ausmalen, es kneten, aus Schaum malen, mit dem Mund formen, singen oder tanzen. Wenn ein Kind den Buchstaben sicher beherrscht, kann es das "O" in Wörtern hören, erkennen und zum Beispiel auch anmalen.
Erste Mini-Wörter lesen und schreiben
Nach den Vokalen folgen die Konsonanten und damit auch erste sinnvolle Mini-Wörter oder Silben, die gelesen und geschrieben werden können. Mit jedem neuen Konsonant entdecken Kinder neue, aufregende Wörter und ihr Grundwortschatz erweitert sich schnell. Hierbei ist es sehr wichtig, die Konsonanten zu "lautieren", also in Reinform auszusprechen, sonst schreiben die Kinder zum Beispiel ENTE bei den Buchstaben N + T. Für das Lesen müssen Kinder verstehen, wie sie die einzelnen Laute verbinden. Manche haben damit große Probleme.
Erfolg macht Lust auf mehr
Wichtig ist es natürlich auch, dass ein Kind den Spaß am Lesen und Schreiben nicht verliert. Deshalb dürfen Übungen das Kind nicht überfordern, sondern sollten Erfolgserlebnisse vermitteln.
Auch die Merkfähigkeit eines Kindes trägt zum Schulerfolg bei. Häufiges Lesen gleicher Wörter führt dazu, dass nicht jedes neue Wort Laut für Laut erschlossen werden muss, sondern dass ein immer größerer Teil der gelesenen Wörter blitzschnell erfasst werden kann. Die bekannten Wörter oder auch Wortbausteine werden dann automatisch aus einem Wort-Speicher abgerufen. Je mehr Wörter ein Kind also kennt und beim Lesen unbewusst erkennt, desto schneller kann es lesen.
Aller Anfang ist schwer
Lesen ist am Anfang für viele Kinder Schwerstarbeit. Der Weg vom Erkennen einzelner Buchstaben bis zum Durchlesen eines dicken Kinderromans wie Harry Potter ist lang und manchmal sehr steinig. Deshalb ist es durchaus empfehlenswert, den kleinen Lese-Pionieren so viel Hilfe und Unterstützung wie nötig zu geben, damit sie nicht auf halber Strecke aufgeben und die Lust verlieren.
Interessante und kindgerecht gestaltete Bücher ziehen die Aufmerksamkeit der Leseanfänger schnell auf sich. Das optimale Buch enthält viele Bilder und gerade so viel Text wie das Kind bewältigen kann; es ist in Druckschrift mit nicht zu kleinen Buchstaben geschrieben und deshalb leichter zu lesen.