Sofie, fünf Jahre, liegt in ihrem Bett. Die Mama sitzt auf der Bettkante und liest eine Gutenachtgeschichte vor. Dann beten die beiden, und Sofie bekommt ihren Gutenachtkuss. Mit einer geheimnisvollen Zauberformel verbannt die Mutter zum Schluss das Gespenst, das sich vermeintlich hinter der Gardine verbirgt. Gerade beim Zubettgehritual bestehen Kinder darauf, dass es immer gleich abläuft. Rituale sind nämlich in Übergangszeiten besonders wichtig. Dazu zählt der Wechsel vom Tag zur Nacht. Am Abend verarbeiten Kinder noch einmal ihre Tageserlebnisse. Der Abschied vom Tag fällt ihnen manchmal schwer. Liebevolle Zubettgehrituale bekommen daher vor allem am Abend eine besondere Bedeutung. Sie geben Sicherheit und zaubern Ängste fort. "Papa ist der beste Monsterjäger", oder "Mama kennt einen Zaubertrick, mit dem sie jedes Gespenst in die Flucht schlägt": Der Glaube daran ist für Kinder zwischen drei und sechs Jahren wie ein Rettungsanker. Denn da befinden sie sich gerade in der Phase des magischen Denkens. Märchen- und Fantasiegestalten, ja sogar der Schatten an der Wand oder der Mond am Himmel können Furcht erregend lebendig werden. Streicheln, ein lustiger Vers, ein Schlaflied, die Gute-Nacht-Geschichte, Mamas und Papas vertraute Stimmen in der Nähe: All das schenkt Kindern Entspannung und lässt sie beruhigt einschlummern.
Achtsam in den Tag starten
Rituale ziehen sich wie ein roter Faden durch den Tag. So gehören für Kinder zum Beispiel die immer gleiche Tasse und das Tischset mit den lustigen Motiven zum Morgenrituale dazu. Auch das Abreißen des Kalenderblatts vom Vortag gehört dazu. Es ist ein äußeres Zeichen für den Neubeginn: Was gestern war, ist vergangen. Nehmen Sie sich Zeit fürs gemeinsame Frühstück. Kindern tun die munteren Plaudereien am Tisch nämlich gut. Sie stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die erste Mahlzeit am Tag dient darüber hinaus dazu, Kraft zu tanken für die Anforderungen des Tages - sowohl körperlich als auch seelisch. An den Familientisch kehren wir mittags und abends gern wieder zurück. Hier fühlen wir uns angenommen und geborgen. Eine solche Erfahrung trägt fürs ganze Leben.
Wir freuen uns aufs Wochenende
Auch an freien Tagen gibt es lieb gewordene Rituale. Für die einen ist es die Kissenschlacht am Sonntagmorgen, für die anderen Monopoly am Samstagabend. Besonders schön ist es, mit einem Ritual ins Wochenende zu starten. Eine Idee: Am Freitagabend gibt es immer etwas, das alle mögen und das sich vom üblichen Abendbrot abhebt, zum Beispiel Pizza oder Spaghetti. Und am Sonntagmorgen gibt es ein ausgiebiges Frühstück - vielleicht als Büffet - mit Früchten, Säften, Rührei, Müsli und verschiedenen Aufstrichen. Dies sind Glanzpunkte im Alltag, an die Kinder sich auch als Erwachsene noch gern zurück erinnern. Weitere Wochenend-Highlights könnten sein: Zusammen ins Kino gehen und dabei eine große Tüte Popcorn verputzen; bis mittags im Schlafanzug am Frühstückstisch sitzen, schmökern und geduldig neugierige Kinderfragen beantworten; eine Gesellschaftsspiel-Olympiade mit anschließender Medaillenverleihung veranstalten.
Wertvolle Erinnerungen
"Weißt du noch, als wir immer am Abend mit Mama auf dem Bootssteg saßen und sie uns Geschichten vom Unterwasserkönig und seinen Meerskindern erzählt hat?": Wenn Geschwister sich als Erwachsene an solche Dinge noch gern erinnern, geben sie diese Familientraditionen garantiert an die eigenen Kinder weiter. So sind übrigens Märchen entstanden. Viele Menschen konnten früher nicht lesen und schreiben. Sie erzählten die alten Geschichten weiter. Im Zeitalter von CDs und DVDs sind selbst ausgedachte Geschichten ein Schatz geworden, der gehütet werden will. Stimmungsvolle Abende und spannende Geschichten gehören einfach zusammen.
Glanzpunkte im Jahreskreis
Auch gemeinsame Spaziergänge bleiben im Gedächtnis haften. Nehmen Sie sich an einem Abend in der Woche Zeit, mit den Kindern eine Runde zu drehen. Ein Spaziergang ist nicht wetterabhängig und hat in jeder Jahreszeit einen ganz besonderen Reiz. Hin und wieder eine kleine Überraschung macht aus diesem Abend einen Höhepunkt der Woche. Einige Ideen: Geheimnisvolle Kreidespuren oder goldene Klebesterne weisen den Weg zum Ziel; beim Hineingreifen in Mamas Manteltasche finden die Kinder ein Tütchen mit Gummibärchen; der Papa zaubert zwischendurch ein Stück Kreide hervor und malt Hüpfkästchen auf den Gehweg. Zu den besonders beliebten Familienritualen zählen auch Ausflüge, etwa der jährliche Zoobesuch, eine Dampferfahrt auf einem Fluss, die Besichtigung einer alten Ritterburg, eines Freilichtmuseums oder eines Bauernhofs. Solche Ausflüge sind Glanzpunkte im Jahreskreis - ebenso wie Feste. Was wäre der Advent ohne den Adventskalender oder den Adventskranz? Weihnachten wäre glanzlos ohne Tannenbaum und Krippe, ohne den Gang zur Christmette, ohne das Fondue mit den Großeltern. Zum Geburtstag gehören Blumen und eine Torte mit Kerzen, das Geburtstagslied und eine fröhliche Feier. Und in den Sommerferien geht es ans Meer oder in die Berge. Jede Familie hat für die verschiedensten Gelegenheiten eigene Rituale entwickelt. Oft sind es liebgewordene Traditionen, die von Eltern an Kinder weitergegeben werden.