Väter geraten ins Visier der Erziehungs-Theoretiker. Von "Vatertypen" vor allem ist in letzter Zeit vielfach die Rede. Der Familienforscher Wassilios Fthenakis zum Beispiel hat ihnen eine breit angelegte Studie gewidmet. Darin unterscheidet er zwei Grundformen: Den "Erzieher" und den "Ernährer". Der "Erzieher" interessiert sich, wie der Name nahe legt, für die Entwicklung seiner Kinder, ist offen für ihre Anliegen und kümmert sich darum, dass sie sich in ihrem Umfeld behaupten können. Der "Ernährer" hingegen sorgt hauptsächlich für einen stabilen Arbeitsplatz und den Lebensunterhalt der Familie. Jan-Uwe Rogge, Kommunikationspädagoge und vielfacher Buchautor, wählt ein anderes Raster und nennt drei Vatertypen: Den "Kumpel-Typ", den "Wischi-Waschi-Typ" und den "General". Der "Kumpel" möchte eher gleichberechtigter Freund als Erzieher sein, verkennt aber dabei, dass Kinder auf die Erfahrungen und den festen Halt Erwachsener angewiesen sind. "Wischi-Waschi" wurde als Kind eingeengt. Seinem eigenen Nachwuchs möchte er solches Leid ersparen und überlässt ihn deshalb sich selbst - eine häufig anzutreffende Form von Vernachlässigung. Der "General" schließlich interessiert sich erst für Erziehung, wenn es ernst wird, sprich, um Schulnoten geht. Jetzt nimmt er die Dinge beherzt in die Hand, fragt Leistungen ab, kommandiert, tadelt und straft, kommt aber in Wirklichkeit mit diesen Maßnahmen zu spät.
Medien machen Erziehungsstile populär
Warum ein "General" aber "General" wird und ein "Wischi-Waschi-Typ" "Wischi-Waschi", darauf haben mehrere Faktoren Einfluss. Die "Wischi-Waschi"-Haltung eines Vaters kann zum Beispiel damit zusammenhängen, dass er im Einflussbereich der Nach-68er-Generation aufgewachsen ist. Damals wurde die antiautoritäre Erziehung populär. Sie war die radikale Antwort auf die zu dieser Zeit herrschenden hierarchischen Strukturen in Familien. Der "Laissez-faire"("Lasst-es-machen")-Stil, der sich daraus entwickelte, schien den Anforderungen einer auf Demokratie, Gleichberechtigung und individuelle Selbstverwirklichung setzenden Gesellschaft am besten zu entsprechen. Als man später feststellte, dass Kinder, die nach dieser Methode erzogen wurden, Schwierigkeiten in Schule und Beruf bekamen, begann die Suche nach effektiveren Erziehungsformen. "Anleitende Erziehung" oder "sozialintegrativer Erziehungsstil" heißen die Techniken, nach denen heute Kinder zu erfolgreichen Erwachsenen gemacht werden sollen. Über Bücher, Zeitschriften und andere Medien werden sie verbreitet und Fachleute setzen auf die Einsicht der Eltern. Dass die Ratgeber-Literatur dann auch tatsächlich Einfluss hat, wurde schon vor Jahrzehnten nachgewiesen.
Die eigenen Eltern als Vorbild
Ein mindestens ebenso wichtiger Einflussfaktor auf die Erziehungspraxis von Eltern aber ist deren eigene Lebensgeschichte. Beim "Wischi-Waschi"-Vater ist das ganz klar. Weil er selbst in seiner Jugend unterdrückt wurde, entscheidet er, seinen Kindern vollkommene Freiheit zu lassen. Viel mehr als das, was wir ablehnen, bestimmt aber oft das, was wir übernommen haben, unser Handeln als Erzieher. Kinder lernen nämlich das meiste durch Vorbilder. Wenn sie später selber Eltern sind, orientieren sie sich am erlebten Beispiel - mehr oder weniger unbewusst. Selten machen wir uns Gedanken darüber, dass wir auf einen bestimmten Tagesrhythmus, auf gewisse Umgangsformen, auf spezielle Leistungen Wert legen, weil wir es als Kinder so erfahren haben. Ebenso selten hinterfragen wir, warum wir uns als Mutter gerade so verhalten und als Vater anders - typisch eben. Auch für Geschlechterrollen gilt: Frauen orientieren sich an ihren Müttern, Männer an den Vätern, besonders, wenn sie Eltern sind. So erklärt sich, dass Väter immer noch weniger mit Erziehung zu tun haben als Mütter, dass sie eher nach rationalen Kriterien vorgehen und sich nach außen orientieren. Selbst der reine Versorger-Typ ist keineswegs ausgestorben, wie die Fthenakis-Untersuchung zeigt. Kinderaufzucht ist viel mehr immer noch überwiegend weiblich. Wie die Generation vor ihnen verhalten sich Mütter eher emotional und behütend, nehmen sich selbst zurück und geben den Interessen ihrer Kinder den Vorrang. Und weil ihre Beziehungen zu den Sprösslingen im Allgemeinen komplexer sind als die der Väter, eignen sie sich weniger zur Typisierung.
Erziehungsziele verändern sich
Die Zuordnung zu einer Grundform dient dazu, komplizierte Gegebenheiten zu vereinfachen und verständlich zu machen. Gleichzeitig wirkt sie aber auch statisch, beinhaltet doch der Begriff "Typ" das Unveränderliche. Und da liegt ein Quell für Missverständnisse. Erziehungsvorstellungen von Eltern werden von verschiedenen Einflüssen geprägt. Und sie entwickeln sich in Wirklichkeit weiter. Wer mit Kindern lebt, befindet sich nämlich in einer ständigen - inneren oder äußeren - Auseinandersetzung. Paare zum Beispiel stimmen selten in allem überein. Auch Erzieherinnen, Lehrer oder Großeltern sehen die Dinge manchmal anders als Mütter und Väter. Ganz zu schweigen von den Kindern, die sich oft genug in eine Richtung entwickeln, die so nicht "geplant" war. Immer wieder entstehen Anlässe, die eigene Position zu hinterfragen und seine Erziehungsvorstellungen an die Wirklichkeit anzupassen.