Wenn die Ampel Rot zeigt, bleiben wir stehen; wir bedanken uns, wenn wir etwas geschenkt bekommen; und vorm Zubettgehen putzen wir unsere Zähne. Ohne Regeln geht es nicht. Sie erleichtern das Miteinander, geben Orientierung, setzen Grenzen. Mehr noch: Regeln schaffen Verlässlichkeit und Vertrauen, reduzieren Unsicherheiten und so manchen Streit. Auch und gerade Kinder brauchen Regeln, da sind sich die Fachleute einig.
Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die Methode „Zucht und Ordnung" aus Urgroßvaters Zeiten wiederbelebt werden soll. Als ebenso ungünstig wie der streng fordernde Erziehungsstil hat sich aber auch das andere Extrem erwiesen: der so genannte Laissez-faire-Stil, bei dem Kindern keinerlei Grenze gesetzt wird. Heute weiß man, dass so „Erzogene" häufig das Gefühl entwickeln, ihren Eltern gleichgültig zu sein. Die Grenzenlosigkeit verunsichert stark, erzeugt Ängste und Verhaltensauffälligkeiten.
Es ist daher wichtig, einem Kind klare und nachvollziehbare Grenzen zu setzen. Zum Regelnlernen ist es nie zu früh. Sogar Säuglinge können das schon: Früher oder später entwickeln sie zum Beispiel ein Gespür für den Unterschied zwischen Aktivität am Tag und Ruhe in der Nacht. Ihr Kind im Kiga-Alter ist also nicht überfordert, wenn es ein paar vernünftige Regeln lernen soll. Doch welche Regeln sind vernünftig?
Regeln engen nicht ein, sondern bieten Orientierung
Führen Sie sich zunächst den Sinn von Regeln vor Augen: Sie sollen keine Käfige sein, sondern Wegweiser durch den Alltag. Nach diesem Grundsatz entscheidet jede Familie am besten selbst, welche Regeln ihr wichtig sind. Manche beten zum Beispiel vor dem Essen, andere finden das nicht so wichtig. Anhaltspunkte für sinnvolle Regeln bieten häufige Streitigkeiten: Gibt es zum Beispiel immer wieder Ärger um die Frage, wie lange Ihr Kind fernsehen darf? Dann handeln Sie im Familienrat eine maximale Fernsehdauer aus. Wichtig ist aber, dass Sie Ihr Kind einbeziehen. Es sollte nicht das Gefühl bekommen, Sie würden diktatorisch über seinen Kopf hinweg strenge Ge- und Verbote erlassen. Es geht vielmehr darum, den ewigen Streitanlass zu eliminieren, und dazu stellen Sie gemeinsam eine Regel auf, die für alle(!) Beteiligten gilt. Wenn Sie also vereinbart haben, dass Ihr Kind 30 Minuten am Tag fernsehen darf, dann muss es die halbe Stunde auch wirklich zur Verfügung haben, wenn es das möchte. Um dem Ganzen Gewicht zu verleihen, können Sie einen kleinen Vertrag aufsetzen, den Sie und Ihr Kind unterschreiben.
Wichtig: Die Regel muss zum Alter Ihres Kindes passen. Es muss ihren Sinn verstehen und sie befolgen können. Mit der Vereinbarung „Wir essen mit Messer und Gabel" wäre ein Dreijähriger sicher überfordert; die Regel „Wir schlagen nicht mit der flachen Hand ins Essen" hingegen kann er schon sehr gut befolgen. Damit Ihr Kind die Regel einsieht, erklären Sie ihm ihren Sinn: „Abends räumen wir auf, damit wir nicht über herumliegendes Spielzeug stolpern und uns verletzen."
Klare Ansagen sind unerlässlich
Nun muss das Vereinbarte aber auch umgesetzt werden und in Fleisch und Blut übergehen. Deshalb sind Regeln (zunächst) unumstößlich. Klartext und Konsequenz sind gefragt: Wenn Sie möchten, dass Ihr Kind den Fernseher ausschaltet, fragen Sie nicht: „Findest du nicht, dass du schon genug geschaut hast?" Denn Ihr Kind findet natürlich nicht, dass es genug geschaut hat. Sagen Sie klar und mit fester, ruhiger Stimme, was Sie wollen: „Ich möchte, dass du dich an unsere Vereinbarung hältst und jetzt ausschaltest!" Schauen Sie ihrem Kind dabei in die Augen und bleiben Sie bei Ihm, bis es Ihrer Anordnung nachgekommen ist. Lassen Sie sich nicht durch ein „Ja, gleich" abspeisen.
Missachtet ein Kind die Regel, sollte dies nicht folgenlos bleiben. Hier brauchen Sie ein wenig Fingerspitzengefühl: Auf keinen Fall sollten Sie willkürlich strafen, denn es geht nicht darum, das Kind mit Taschengeldentzug oder Hausarrest „zurückzuärgern". Ihr Kind muss eine Konsequenz seines Handelns erfahren, die ihm hilft, den Sinn der Regel zu verstehen. Hat Ihr Kind beispielsweise trotz Ermahnung in sein Essen geschlagen (s. o.), muss es auf die Gute-Nacht-Geschichte verzichten, denn Papi kann nicht vorlesen, weil er die Küche putzen muss. Das ist logisch, das kann ein Dreijähriger verstehen. Auch wenn es schwer fällt, sollten Sie konsequent bleiben und die Geschichte nicht vorlesen. Nur so kann sich Ihr Kind klar darüber werden, dass es sich unangenehme Folgen eingehandelt hat - und Einsicht ist tatsächlich der beste Weg zur Besserung. Versuchen Sie also stets, statt einer Strafe eine logische Folge des Regelverstoßes zu finden.
Ist eine Regel etabliert, sind natürlich Ausnahmen erlaubt. Im Urlaub dürfen Kinder auch mal ein wenig länger aufbleiben; wenn sie krank sind, sicher auch mal etwas mehr fernsehen und nach einem Alptraum dürfen sie selbstverständlich ins Bett der Eltern.